Baja California hinauf und hinunter

Zum Abschluss unserer Baja California Rundreise wollen wir diesmal nur einige Eindrücke teilen, auf die üblichen Reiseblog-Themen (zuerst waren wir da, und dann dort, und dann haben wir das gemacht, und dort musste ich dann dies und jenes reparieren…) verzichten wir dabei ?:

Farben, Landschaft, Berge und Meer. Die Fotoausrüstung wird strapaziert, ein Motiv jagt das andere, wir starren den ganzen Tag in den Sucher, wie bringt man nur diese unglaubliche Szenerie in den kleinen Kasten hinein damit wir sie immer wieder zurückholen können, wenn uns die Sehnsucht packt? Trotz dem ganzen technischen Schnick-Schnack (Tele, Weitwinkel, Drohne, Gopro…) bleibt es nur ein Versuch. Also: Hinschauen, und nochmals hinschauen, und abspeichern im Kopf, und hoffen, dass die Festplatte dort oben niemals voll wird oder gar crasht.

Kakteen, Vögel, Wale, Rochen und das Aquarium unter uns. Am Land da herrschen die Stacheln. Wälder von Goliath-Kakteen, jeder einzelne mit mehr Biomasse als die Hundertschaften, die daheim an den Fensterbänken und in den Wintergärten ihr Dasein fristen. Die Fauna an Land ist nicht üppig – auf unseren Streifzügen durch die Wüste sehen wir ein paar Hasen, Eidechsen, Eichhörnchen, Mulis, Ziegen und Kühe. Richtig dicht besiedelt ist es nur im Meer, da ist von klein bis groß alles vertreten. Das viele Plankton beeinträchtigt die Sicht beim Schnorcheln, aber um das auszugleichen hat Mutter Natur einfach den Besatz erhöht. Riesige Barsche sind zum Angreifen nahe, metergroße Seenadeln, und natürlich die unzähligen üblichen bunten Riffbewohner. Für die Rochen, die sich in Hundertschaften herumtreiben, braucht man nicht zu schnorcheln, die zeigen sich praktischerweise auch über Wasser. Sie katapultieren sich meterhoch in die Luft, Salto rückwärts, dreifacher Rittberger, großer Platsch, nächster Versuch – für uns Naturkino live. Delphine tummeln sich um das Boot, einige Wale in KALI MERA Dimension kommen vorbei, auch wenn die Wal-Saison schon vorbei ist. Bei einer Seelöwen-Kolonie springt Tadeja mit Brille und Schnorchel ins Wasser und wird sogleich aus größter Nähe begutachtet, die freundlichen Tiere sind die Menschen gewohnt und kommen zum Spielen.

Fisch-Takos und andere Köstlichkeiten. Gutes Essen gehört zu Mexiko dazu, und die Baja California macht hier keine Ausnahme.  In den Städten wie La Paz und Loreto, da ist die Kulinarik ein Fest für Augen und Gaumen, und die Preise kommen dem immer knappen Segler-Budget sehr entgegen. Sogar weit abseits von der städtischen Zivilisation, in kleinen Fischerdörfern, da gibt es Palapas mit ausgezeichneten Fisch-Gerichten. Die Fisch-Takos haben hier die Rolle der Hamburger und Käsekrainer übernommen, ich bin daher zum hiesigen Junk-Food Anhänger geworden. Köstlich! Interessant ist auch, dass meine Hemden in den letzten Wochen etwas kleiner geworden sind, wird am Klimawandel liegen.

Klima. Die Nächte sind erstaunlich kühl, wir müssen uns zudecken, manchmal brauchen wir eine zweite Decke. Tagsüber wird es warm, in den letzten Tagen sogar heiß, und die Wassertemperatur steigt langsam, aktuell hat es 25 Grad.  Seit sechs Monaten hatten wir nun keinen Regen mehr, hin und wieder sieht man ein einsames kleines Wölkchen am Himmel. Die Sonne ist intensiv, ohne schützendes langärmliges Hemd und Hut gehe ich nicht mehr „hinaus“. Im August und September soll der Regen kommen, die Hitze und die Hurricans, aber da sind wir schon daheim, beim Schwammerlsuchen im kühlen Wald.

Baden. Tadeja schwimmt sowieso jeden Tag, aber in der Zwischenzeit ist es auch für mich warm genug, aber immer noch kein Vergleich zur karibischen Badewanne. In den flachen Lagunen, da ist es wunderbar, aber das tiefe Wasser ist noch kühl. In einer Bucht finden wir – nach einiger Suche – heiße Quellen, mitten am Riff da sprudelt es im See-Wasser, ich könnte stundenlang drinnen sitzen bis ich gar gekocht bin.

Seglergemeinde. Hier treiben sich fast nur Gringos herum, die europäischen Schiffe kann man an einer Hand abzählen, und selbst die nützt man lange nicht aus. Wir verbringen viel Zeit mit Mary und Richard von der CHATELAINE, machen gemeinsam Ausflüge, spielen Karten, sehr nettes Buddy-Boating. Für die Kalifornier ist das hier so eine Art Mittelmeer, sie haben es nicht weit, die Anreise ist unspektakulär, und das Preisniveau ist – im Vergleich zu den Staaten – sehr sehr niedrig. Ein US-Pensionist lebt hier wie Gott in Frankreich, die medizinische Versorgung ist hervorragend, und viele wollen dann nicht mehr zurück in das Trump‘sche Amerika. Kein einziger Segler hat eine Freude mit ihm, manche entschuldigen sich bei uns für „ihren president“.

Infrastruktur und Kultur. Nicht nur der Gaumen, auch alle anderen Sinne werden verwöhnt. Schönheit wird geschätzt, geschmackvolle Architektur, großzügig und kunstvoll gestalteter öffentlicher Raum, Bilder, Skulpturen, Museen. La Paz ist meine bisherige Lieblings-Stadt, so lebendig, sauber, gepflegt und voller Energie. Open Air Konzerte, Beach-Volley-Ball Turnier, immer ist am Malecon etwas los. Auf unserer „würden wir hier wirklich auch einmal längere Zeit leben wollen Skala“ ist La Paz ganz weit oben.

Felsmalereien. Dass auch schon vor vielen 1000 Jahren die Leutchen gerne gezeichnet haben, das kann man in mehreren Höhlen bewundern. Von Agua Verde aus machen wir uns per pedes auf, eine solche Stätte zu suchen, beim zweiten Anlauf, tatkräftig unterstützt von unserem Leih-Hund Lola, finden wir sie sogar und sind ordentlich beeindruckt. Mit dem Mietauto machen wir dann, gemeinsam mit der CHATELAIN Crew, von Puerto Escondido aus eine mehrtägige Exkursion ins Landesinnere, um weitere solche Kunstwerke aufzuspüren. Fast 11000 Jahre alt sind die beeindruckenden Felsmalereien im Canyon von San Francisco, als bequeme Auto-Reisende sehen wir nur eine Stätte, für mehr müssten wir eine dreitägige Muli-Tour machen, das geht sich diesmal nicht aus, aber reizen würde es uns.

Segeln. Der Segelenthusiast, bei dem der Motor nach dem Ankerholen schon automatisch ausgeht, der wird hier nicht sonderlich glücklich werden. Es ist nicht allzu viel Wind zu dieser Jahreszeit (im Winter ist es dafür hauptsächlich stürmisch), und wie üblich bläst er von der falschen Seite. Dazu wechselt er auch noch oft in der Nacht die Richtung, kann ganz plötzlich kräftig werden, und der gerade noch wunderschön ruhige Ankerplatz wird zur Hochschaubahn.  Einige malerische Plätze haben jedoch so hervorragenden Schutz, dass fast jede Windrichtung abgedeckt ist, beispielsweise Agua Verde, wo wir zwei Wochen beinahe angewachsen sind. Es sind aber nur kurze Distanzen zwischen den Stopps, also brauchen wir auch nicht allzu viel motoren. Es ist ein Revier für Bootscamper wie uns, nicht für Regattasegler.

Mexikaner. Wir haben hier nun schon seit vielen Wochen keinen unfreundlichen Menschen gesehen. Hoffentlich bekommen wir keinen Schock, wenn wir wieder in Wien in der U-Bahn sind. Es gibt hier eine völlig entspannte Atmosphäre, liebenswürdig, aufmerksam, höflich.  Tadeja wird immer wieder für eine Einheimische gehalten, ihr Spanisch ist großartig (anscheinend ist das Dolmetsch-Studium doch für was gut), aber ich werde sofort als Tourist erkannt, obwohl ich mit Sonnenbrille und Panama Hut wie ein echter Mexikaner aussehe. Vielleicht liegt es am Fotoapparat, oder am Segleroutfit mit Flip-Flops und Dry-Bag, oder man hört bei meinen beinahe 15 Worten Spanisch einen leichten Akzent heraus.  Ich nehme mir fest vor, bis zur nächsten Saison daheim Spanisch zu büffeln. Ich will auch zu Wort kommen.

Sicherheit. Wir lassen das Boot meistens offen, das Dinghi wird nie abgesperrt, seit den Kanaren haben wir uns nicht mehr so „sicher“ gefühlt. An die verschiedenen schwerbewaffneten Polizei- und Armee-Patrouillen, die ständig unterwegs sind, haben wir uns gewöhnt, die gehören irgendwie dazu. Sollen ruhig auf uns aufpassen, damit uns niemand stiehlt.

Wiederholungstäter. In den nächsten Tagen, da geht es zwar zurück zum „Main-Land“, nach Mazatlan, das Boot einsommern, aber hierher wollen wir wieder zurückkommen, soviel steht fest. Wir haben schon einige Geschichten gehört, bei denen manche nur eine kurze Saison eingeplant haben und es erst viele Jahre später geschafft haben, den Anker zu lichten, so wie der Odysseus bei seiner Kalypso. Jetzt ist uns klar warum. 

Baja California

Eine ganze Arbeits-Woche lang schuf Gott die Welt mit all den Pflanzen, Tieren, Meeren, Bergen, Tälern und schließlich auch den Menschen. Am Schluss da war er wohl schon ein bisschen müde und nicht mehr ganz bei der Sache, daher ruhte er am siebten Tag und erfreute sich an seiner Schöpfung. Und am achten Tag, frisch ausgeruht und wieder voller kreativer Energie, da war ihm nach Spielen und Spaß haben, also setzte er sich nochmals in den Sandkasten, tobte sich so richtig aus, und schuf die Baja California. Und als er damit fertig war, da war er vollends zufrieden – und ging segeln.

Sprachlos, was der große Baumeister hier geschaffen hat, versuchen wir es mit ein paar Bildern…

1400 Meilen Mexiko

Wir ankern in La Paz, der Cruiser Metropole der Baja California, im türkisen Wasser der Sea of Cortez. Rund um uns die bunte Flotte der Langzeitsegler, neben uns der Malecon, die städtische Flaniermeile, fröhliches Treiben, freundliche Gesichter, gemütliche Kaffeehäuser, ausgezeichnete Restaurants. „Sie haben das Ziel erreicht“, die Baja California, Projektion unserer Sehnsucht, exotisch und doch vertraut, die Kornaten im Pazifik, Postkartenidylle, Traumbuchten, das Meer blau, hellblau, türkis, spielende Delphine, fliegende Rochen, ein Paradies.

1400 Meilen haben wir uns nun entlang der mexikanischen Küste nach Nordwesten hochgekämpft, das erste Drittel ein Kampf gegen das Meer, das zweite nur noch anstrengend und das letzte schon fast ein Vergnügen. Das Winter–Segelwetter wird hier dominiert vom Nordwind, in Sturmstärke im Norden in der Baja California und im Süden im Golf von Tehuantepec, der Strom setzt ebenfalls nach Süden mit bis zu zwei Knoten und die hohe Pazifik-Dünung baut mit dem Wind eine unangenehme Kreuzsee auf. Bei Gegenwind und starker Gegenströmung ist ein Aufkreuzen fast unmöglich, die KALI MERA wird zum Motor-Schiff. Über 230 Stunden läuft der Motor nur in Mexiko, über 400 Stunden seit dem Panama Kanal – zum Vergleich – eine Saison in der Karibik hat uns maximal 100 Stunden „gekostet“.  Wir sind müde von vielen vielen Nachtfahrten, unsere Atlantik-Querung war dagegen das reinste Erholungssegeln, die Ohren dröhnen vom ständigen Wummern der Maschine und dem Krachen vom Rumpf in die Wellen, der nie endende Pazifik-Schwell, der jeden Ankerplatz an der Südküste ungemütlich macht, hat uns ein wenig mürbe gemacht.  Es war kein Genuss-Segeln, keine Vergnügungstour, kein gemütliches Reisen. Die Wetterlage hat das Tempo bestimmt, jeder Windwechsel mit ein wenig Südwind oder auch nur Flaute wurde ausgenutzt, keine Zeit zum Erholen.  Die Nächte auf See werden kalt, mit Trainingsanzug und Jacke, eingepackt in Decken, halten wir Nachtwache. Jede Möglichkeit zum Segeln nutzen wir, aber selten können wir ganz auf die Maschine verzichten.

Ab Zihuatenejo wird es dann einfacher, wir nähern uns der „Gold Coast“, es gibt wieder ruhigere Rastplätze, besser gegen den Schwell geschützte Buchten in denen wir eine Nacht verbringen können. Die Cruising-Saison ist hier schon so gut wie vorbei, vereinzelt sehen wir amerikanische Yachten die hier die „Shoulder-Season“, die Nebensaison, verbringen. In Zihuatenejo genießen wir die Annehmlichkeiten der Sadt, flanieren durch die engen Gassen, besuchen den Markt und lassen uns von anderen Seglern in die kulinarischen Highlights einweihen.  Hier gefällt es uns und wir wären gerne geblieben, aber das nächste Wetterfenster treibt uns weiter, wieder zwei Overnights bis Manzanillo (beim Anker-lichten in Manzanillo da staunen wir nicht schlecht, was dort so alles am Grund liegt). Wir verbringen eine Nacht in der Lagune von Barre de Navidad, und dann geht es schon weiter Richtung Vallarta, dort wollen wir uns mit unseren Segelfreunden Greg und Elina von SAPPHIRE treffen. Gemeinsam segeln und motorsegeln wir in Tagesetappen nach Mazatlan, gemütliches Buddy-Boating. Wir verbringen die Abende gemeinsam, die UNO Karten kommen zum Einsatz, die beiden zeigen uns ihre Lieblings-Lokale in Mazatlan-Old-Town, es ist eine schöne Zeit. Wir werden die KALI MERA über die Hurrican Saison neben SAPPHIRE in der Nautica Costa Bonita in Mazatlan lassen, im Wasser, einige Tage sind wir dort und regeln alles für den Sommer. Es scheint ein guter Platz zu sein, ganz am Ende der Lagune, bestens geschützt, ein Hurricane-Hole. SAPPHIRE wird schon eingesommert, Greg und Elina zieht es zurück nach Seattle, und bei uns geht es weiter in die Sea of Cortez, dort wollen wir bleiben bis die ersten Hurricans aufziehen und uns nach Mazatlan zurückbeordern.  Die Hurrican-Saison beginnt hier bereits am 15. Mai, aber bis Mitte Juni erscheint es uns als vertretbar am Schiff zu bleiben, mit einem sehr wachsamen Auge auf den Wetterbericht. Das Wetter ist bisher einfach großartig, den letzten Regen hatten wir 2018 in Österreich, hier ist der Himmel immer blau. Die Tage sind heiß, die Nächte kühl, sehr angenehm!

Die Sea of Cortez hat unzählige Ankerbuchten, geschützte Inseln, klares Wasser und eine unglaubliche Fauna. Walhaie gibt es hier häufig, mit Seelöwen kann man schwimmen, Delphin-Schulen mit hunderten Tieren tummeln sich hier, und riesige Wale, Buckelwale, Blauwale, Finnwale Grauwale, Pottwale und sogar Orkas kann man sehen. Es ist eines der artenreichsten Meeres-Ökosysteme der Welt, großteils Schutzgebiet und ein traumhaftes Segelrevier, der Höhepunkt unserer diesjährigen Reise, auf den wir uns schon seit Wochen freuen.

Schon bei der Überfahrt von Mazatlan nach La Paz sind uns die Götter der Seefahrer gewogen, die See ist ruhig und wir können einen großen Teil segeln, ein angenehmer leichter Wind zieht uns mit fünf Knoten Richtung Westen, sogar die Strömung ist plötzlich auf unserer Seite und schiebt mit. Wir werfen die Angeln aus, und es dauert nicht lange, bis ein schöner Thun am Haken zappelt, die Filets werden eingesalzen, sie werden unser erster Trockenfisch-Versuch. Nach zwei Nächten sehen wir die rotbraunen Felsen der Baja California und fühlen uns hier sofort wohl. Das Meer hat plötzlich dieses intensive Türkis, das wir so lieben, der Pazifik Schwell ist nicht mehr zu spüren und eine ganz neue Welt tut sich uns auf.

Bevor wir uns zu den einsamen Buchten aufmachen, wollen wir noch zur Shopping-Tour nach La Paz. Boat Chandleries, Yacht-Zubehör und Ausrüster gibt es hier, und ich bin schon ganz aufgeregt und voller Vorfreude, seit Monaten können wir dringend benötigte Ersatzteile nirgends finden, und ich hüpfe von einem Hoch ins nächste, Lopez Marine hat alles.  Unser Motorraum-Lüftung ist ausgefallen, ich habe die Motoren schon x-mal zerlegt, die Kohlen geschliffen, versucht die Lager der Elektromotoren zu reparieren, habe aus einem Computer-Lüfter ein Provisorium gebaut, habe Stunden im Motorraum verbracht, bin fast seekrank geworden weil das Zeugs grundsätzlich nachts bei Seegang ausfällt und ich dann herumbasteln muss, und hier kann ich – Juhuu – das passendes Ersatzteil finden. Es gibt endlich auch Ölfilter, sogar den Ansaugstutzen für die Bilgepumpe kann ich austauschen, seit Panama suche ich dafür schon Ersatz. In Mazatlan lösten wir auch unser Gas-Problem, niemand will hier unsere europäischen Gasflaschen füllen, und wir finden doch wirklich mexikanische „Gas-tanks“ die genau in unser Gasfach passen.  Die Füllung für beide Flaschen kostet fünf Dollar, nicht 50 wie in Panama. Das Preisniveau in Mexiko ist Cruiser-freundlich, was nicht importiert werden muss, ist deutlich billiger als in den Nachbarländern, die Qualität der Dienstleistungen ist hoch und das Preis-Leistungsverhältnis hervorragend. Wir beauftragen Dinghi-Chaps, ein neues Cover, auch eine vollständige Abdeckung der KALI MERA geben wir in Auftrag, wir wollen das Deck während der Hitzeperiode vor Sonne und Regen schützen.

Ein abendlicher Spaziergang durch La Paz ist ein Vergnügen, es beginnt schon damit, dass es in der Marina ein wunderbares Dinghi-Dock gibt, das wir verwenden können. Niemand sperrt hier das Dinghi ab, so wie das in der Karibik und Mittelamerika immer notwendig war, hier wird nicht gestohlen. Die Stadt ist lebendig und sehr gepflegt, Kunstwerke säumen die Strandpromenade, das Essen ist hervorragend und leistbar, Seafood dominiert. Auch der Ankerplatz ist großartig, ruhig, sicher und dennoch direkt vor der Stadt, das Wasser ist klar und lädt zum Schwimmen ein, was für ein großartiger Luxus.  Wir wollten hier nur kurz „vorbeischauen“ und versuchen die Entlüftung zu reparieren, und nun besteht die Gefahr dass wir hier „kleben“ bleiben, die ganze schwierige Anreise ist schon fast vergessen. Aber gleichzeitig wollen wir auch schon wieder weiter, voller Vorfreude auf die nächsten Wochen in diesen Gewässern möchten wir dieses Jahr noch möglichst viel davon erleben. Also heißt es wieder Anker auf…

leuchtendes Meer

Schon zwei Tage liegen wir vor  Anker in Tenacatita, einer Traumbucht an der mexikanischen Gold-Küste, endlich sind wir angekommen. Die ganze mühsame Reise, 1500 Meilen gegen Wind und Strom, hat sich nun gelohnt, es ist genau das, wonach wir uns gesehnt haben. Gut geschützt, sicherer Ankergrund, ein Restaurant mit kleinem Campingplatz am Strand, und ein tolles Panorama. Das ist aber noch lange nicht alles, hier jagt ein Highlight das nächste. Da gibt es zum Beispiel einen Fluss, den wir mit dem Dinghi über einige Meilen bis zu einem kleinen See befahren können, eine Expedition durch Mangroven, dichten Dschungel, verwunschene, völlig verwachsene Seitenarme und Mangroven-Riesen, die immer wieder ein grünes Dach über uns bilden, so dass wir wie durch einen Tunnel die Kanäle entlangfahren. Als Vorbereitung ziehen wir uns am Abend davor in unserer Kino-Koje den Uralt-Schinken „African Queen“ hinein. Am nächsten Abend gibt es dann als Draufgabe, um unsere erfolgreiche Rückkehr zu feiern, „Fitzcarraldo“. Großartig, spannend, und trotzdem schlafen wir beide mitten im Film ein, der abenteuerliche Tag fordert seinen Tribut,  und als ich um Mitternacht aufwache und mich bettfertig mache (dazu gehört auch die Befreiung vom abendlichen Tee direkt über die Reling, so wie alle Kapitäne das machen), traue ich meinen Augen nicht, ich bin sofort hellwach und weiß trotzdem nicht ob ich vielleicht träume: Jeder Tropfen, der der Schwerkraft gehorcht und brav den Weg ins Meer findet, löst ein unterseeisches psychedelisches Feuerwerk aus. Es leuchtet intensiv grünblau auf, wie von einer starken Taschenlampe unter Wasser beleuchtet, dann zischt die fluoreszierende Erscheinung in Kreisen nach außen, ändert ständig die Farbe und Intensität, und verblasst dann langsam. Haben wir irgendwelche Pilze gegessen? Als Tadeja endlich an Deck ist da kann ich das Schauspiel mit der Decksdusche fortsetzen, selbst damit ich dieses Wunder bewirken.

Jetzt ist uns das  „Biolumineszenz“-Phänomen ja durchaus bekannt, der treue Leser kann sich vielleicht erinnern, wie mich Tadeja gezwungen hat, von Puerto Rico nach Viejes zu segeln um dort den berühmten leuchtenden See zu besuchen oder die Lagune im Süden von Puerto Rico, die ebenfalls weit und breit als Meisterwerk der Unterwasser-Lichttechnik bekannt ist, aber so sehr uns auch das dortige Spektakel beeindruckt hat, so sehr verblasst es angesichts dieser Erscheinung. Es ist, als ob man die Adventbeleuchtung in Ohid, bei der hin und wieder an einem Fenster ein 15 cm großer Christbaum steht, mit der Weihnachtsbeleuchtung am Wiener Graben vergleicht. Die kleinen Fische, die rund um uns schwimmen, haben alle einen Heiligenschein, uns sind also die Fisch-Heiligen erschienen und eigentlich müssten wir sofort eine Kapelle bauen und rundherum Devotionalien-Stände aufbauen, bei den wir mit Plastik-Fischchen made in China und kleinem blinkenden LED – Implantat hinter den Kiemen ein Vermögen verdienen würden. Alles beginnt zu leuchten, die Ankerkette ist ein heller Lichtschein (auch eine glänzende Geschäftsidee, die leuchtende Ankerkette, bei der man in der Nacht immer weiß wo sie liegt und wo der Anker ist), die Brandung funkelt wie ein gewaltiges Neon-Reklameschild, und wir sind fassungslos. Und dann geht es richtig los, wir satteln unser Dinghi und galoppieren durch die riesige Bucht, in großen Kreisen, hell erleuchtet, wie ein Komet einen (blauen) Feuerschweif hinter uns herziehend, das Dinghi hat eine mehrere Meter große hellblaue Aura, kein Wort würde ich davon glauben, hätten wir es nicht selbst erlebt. 

Einziger Wermutstropfen hier ist vielleicht die Wassertemperatur, das Meer hat anscheinend keine Ahnung, dass es sich in den Tropen befindet und glaubt, dass 21 Grad ausreichend seien, noch kälter als der Prebersee im Sommer und damit für mich nicht bade-tauglich, aber Tadeja kennt da gar nichts und zieht ihre Kreise ums Schiff, um endlich mit einem der großen Delphine , die hier ständig um die Boote herumtollen, Freundschaft zu schließen. Aber bisher sind die kleinen Wale schüchtern und ignorieren sie, aber das wird sich hoffentlich noch ändern.

Im Land des Paradiesvogels

schließlich und endlich – der Costa Rica Beitrag…

Costa Rica, die reiche, prachtvolle Küste, wie es in der Übersetzung heißt. Ein Land, das über 20 Nationalparks aufzuweisen hat, statt in ein Militär lieber verstärkt in die Bildung seiner Einwohner investiert, auf Tourismus setzt und weltführend im Export von tropischen Früchten ist, lockt uns mit seiner Tier- und Pflanzenwelt und ganz besonders mit seiner Kühle versprechenden Bergluft des gebirgigen Binnenlands. In Golfito liegen wir anfangs vor der Banana Bay Marina vor Anker, es ist windstill und brütend heiß, und auch wenn wir jede unnötige Bewegung zu vermeiden suchen, schmelzen wir wie Butter in der Sonne. Aber ganz ohne Bewegung geht es nicht, schon die Behördenwege, insgesamt vier, liegen kilometerweit voneinander entfernt, und wir lassen den anfänglichen Versuch, sie zu Fuß zu bewältigen, sehr bald fallen. Wir steigen viermal in ein Taxi, haben am Ende mit vielen ehrlichen und unehrlichen Taxifahrern, freundlichen Beamten, funktionierenden und nicht funktionierenden Kopierern Bekanntschaft gemacht und eine komplette Stadtbesichtigung absolviert. Im alten Hafen steht noch die vereinsamte alte Dampflok mit einem Graffiti des großen Che im Antlitz, mit der früher Bananen transportiert wurden, bevor die Bananenproduktion auf die Karibikseite verlegt worden ist.

Unweit von Golfito liegt der Urwald der Österreicher mit einer biologischen Forschungsstation. Das können wir uns nicht entgehen lassen. Wir werden von einem alpenländischen Zivildiener empfangen, der uns die Anlage erklärt. So nebenbei weist er uns darauf hin, besser feste Schuhe zu tragen, wegen der Giftschlagen, die zwar normalerweise eh nicht direkt am Weg liegen, aber man wisse ja nie… Ein Weg soll bis zu einem Flüsschen führen, in dem man baden kann. Dort wo er sein sollte, sehen wir nur ein ausgetrocknetes Flusstal, und Herbert ist überzeugt, dass wir die Hoffnung auf ein kühlendes Bad aufgeben können. Trotzig irre ich herum, bis plötzlich das Geräusch von Wasser an unsere Ohren dringt – sie haben uns nicht getäuscht – fast kann man es zischen hören, als wir uns ins kühle Nass fallen lassen.

Wir wollen das Land besser kennenlernen und wenigsten ein paar der vielen Nationalparks besuchen. Dazu verlegen wir die KALI MERA in die Banana Bay Marina. Voller Entdeckungslust mieten wir uns ein Auto in Puerto Jimenez auf der anderen Seite des Golfes, in Golfito war keines mehr zu bekommen. Auf der Hinfahrt fliegen wir geradezu mit dem Taxiboot übers glatte Meer, in zwanzig Minuten sind wir da. Zurück braucht es mit dem Auto um die Bucht herum ganze zwei Stunden, aber wir haben Zeit und hängen gleich einen Ausflug zur Drake Bay an, wo sich der Nationalpark Carara, der eine vielfältige Tier- und Vogelwelt beherbergt, ganz bis zur Küste erstreckt. Fast überfahren wir einen riesigen Leguan, der die halbe Fahrbahn belegt. Ungläubig beobachten wir, wie er knapp vor unserem Auto stehenbleibt, wartet, bis wir vorbeigefahren sind und dann flugs die Straße ganz überquert. Deshalb ist er wohl so alt geworden! Etwas weiter im Nationalpark, gesäumt von gigantischen Bäumen, bleiben wir jäh stehen – in den Bäumen direkt über uns sitzt ein Tukan und singt sein Dup du bi doo. So nah sind wir noch nie an einen herangekommen! 

Aber es gibt noch einen anderen Vogel, dessen Heimat, die an unsere Almen und Bergwälder erinnert, im Hochgebirge zwischen 1500 und 3000 Metern zu finden ist. Seine Lieblingsnahrung aber, exotische Zwergavocados, die würde er bei uns nicht finden. Herbert hat mit seinem untrüglichen Gefühl für Außergewöhnliches als ersten Zwischenstopp ein schmuckes Luxuszelt mitten im Nirgendwo für uns aufgestöbert. Zum ersten Mal ließ uns google maps im Stich – es konnte die Adresse bzw. den Weg dorthin nicht finden! Dementsprechend abenteuerlich gestaltet sich die Fahrt über die mehr als holprige Sandpiste, durch enge steile Kurven und an kerzengerade abfallenden Abgründen vorbei, über fast 2000 Höhenmeter stetig hinab bis auf 600 m. Glamping in Providencia heißt das Ziel, ein magischer Ort, wo sich abends tausende goldene Lichtpunkte entzünden und den gegenüberliegenden Wald verzaubern. Es sind überdimensionale Glühwürmchen und man wähnt sich im Märchen – im Märchen des Quetzál, des sagenumwobenen Paradiesvogels, mit seinem grüngolden schimmernden Federkleid, dem Gott der Freiheit, der Fruchtbarkeit und des Überflusses. Der Quetzál ist ein Symbol der Macht, der den alten Mayas als heilig galt; aus seinen Federn wurde die umstrittene Federkrone hergestellt, die im Weltmuseum zu Wien ausgestellt ist und von den Mexikanern immer wieder vehement zurückgefordert wird. Die Legende, die sich um diesen zaubervollen Vogel rankt, könnt ihr in Kürze unter Tadejas Gedanken nachlesen (Anmerkung Herbert: In Kürze heißt „wahrscheinlich noch 2019“).

Vogelliebhaber sind dem Quetzál manchmal jahrelang auf der Spur, ohne ihn je zu Gesicht zu bekommen, auch wir wollen unser Glück versuchen. Kurzentschlossen buchen wir eine Quetzál Tour für den nächsten Morgen. Noch vor Sonnenaufgang geht es die Schotterstraße wieder bergauf, Providencia liegt zu tief für den Vogel. Es ist kalt und windig, und unser mit Fernglas und Stativ beladene Führer warnt uns vor, der Quetzál mag keinen Wind und es könnte gut sein, dass er heute nicht zu sehen sein wird. Die Luft wird dünner, der Atem schwerer – bewundernd schauen wir dem Besitzer des mitten im geschützten Nationalpark gelegenen Grundstücks zu, der Tag für Tag auf seinem Rücken einen dicken Strohballen für seine Kühe heranschleppt – weil er das Land vor der Umwidmung zum Nationalpark erworben hat, gehören damit auch die Quetzále ihm! Der Wind weht nach wie vor, aber die Sonne schickt ihre ersten wärmenden Strahlen. Wir klettern auf den Steilhang, von wo der Gesang des heiligen Vogels wie von silbernen Glöckchen erklingt. Kurz erspähe ich etwas Grünes, schon ist es wieder weg. Ja, er ist da – nur wo? Sein Gefieder verschmilzt mit dem Laubgrün, und nur ein geübtes Auge kann ihn aufspüren. Schon hat ihn unser Guide wieder im Visier – da, dort fliegt er, die Luft um ihn scheint zu vibrieren, als würden funkelnde glitzernde Edelsteine in grün gold und rot durch die Luft flattern. Paarweise fliegen sie von Baum zu Baum und lassen sich zum Verspeisen ihres Frühstücks im Avocadobaum nieder. Nur die Männchen dürfen sich mit den begehrten langen Schwanzfedern, drei an der Zahl, schmücken, wegen derer sie gejagt wurden, um sie ihnen auszureißen und sie wieder freizulassen. Augenblicklich sind wir dem Traumvogel verfallen und bleiben über eine Stunde Zeugen eines mystischen Schauspiels. Welch ein Glück!

Der unwirklich phantastische Eindruck an diesem entrückten Ort wird durch unseren Kellner im Glamping-Restaurant, der einem fünf-Sterne-Hotel und Alice‘s Wunderland entstiegen zu sein scheint, noch verstärkt. Mit überlangen Schritten, steifer Haltung, abgehackten und irgendwie ungelenken Bewegungen ist er alle paar Minuten zur Stelle, fragt nach, wie ist das werte Befinden, ihm gehe es gut, danke der Nachfrage (alles in einem Atemzug), schenkt nach, sobald man ein paar Schlucke getrunken hat, flößt Herbert literweise Fruchtsmoothies ein, die er sonst nie trinkt und sich ihm einfach nicht widersetzen kann, dreht kunstvoll tollpatschig den Teller auf den Tisch und entfernt sich unauffällig auffällig, um in nächsten Augenblick zurückzukehren und uns wieder seine ganze Aufmerksamkeit zuteilwerden zu lassen. Ein erstklassiges Amüsement! Zum Abschied umarmt er uns, er hat uns und wir ihn ins Herz geschlossen.

Noch ein weiteres Highlight macht unseren Aufenthalt unvergesslich – es gelingt mir, Herbert zu einer Urwald-Adventure-Tour zu überreden. Wir schwingen 30 Meter hoch zwischen den Bäumen, klettern im Inneren eines hohlen Ficusbaums 40 m hoch und seilen uns von der Baumspitze wieder ab, balancieren über hängende Affenbrücken und springen wie Tarzan in die Seilschaukel. Ein Nervenkitzel in der Abgeschiedenheit des tropischen Primär-Urwaldes, denn hier wird nur sanfter Tourismus gewünscht und so waren wir die einzigen Besucher. Auch hier zeigt sich, wie bewusst und vorbildlich Costa Rica mit seinen Naturressourcen umgeht.

Schweren Herzens nehmen wir von dieser blumenreichen, am kühlen Wasserfall gelegenen Oase Abschied. Es zieht uns weiter nach Norden ins Vulkangebiet. Die Landschaft verändert sich, üppiges Grün, hektargroße Mangobaumplantagen, nicht enden wollende Zuckerrohrfelder soweit das Auge reicht. Wieder einmal drängen sich Fragen auf, die die Ausbeutung unserer Erde betreffen. Kann man denn überhaupt noch irgendetwas ruhigen Gewissens essen? Wir denken an die riesigen Ausdehnungen der Ananasplantagen, wo der Einsatz von Pestiziden dazu geführt hatte, dass Grundwasser für die nächsten 800 Jahre vergiftet und untrinkbar wurde, die Trinkwasserversorgung muss vielerorts durch den Tankwagen erfolgen. Wieder einmal fassen wir den Vorsatz, verstärkt auf lokale Produkte zurückzugreifen und sind stolz auf unsere Kinder, die sehr auf Nachhaltigkeit bedacht sind.

Stundenlang fahren wir über die Panamericana, die sich in abenteuerlichen Serpentinen auf über 3000 Höhenmeter hinaufschraubt, es geht durch dichten Nebel, fast sieht man das Lenkrad vor den Augen nicht mehr, die Temperatur fällt auf knapp über Null Grad zurück. Von Zeit zu Zeit reißt die Nebelwand unversehens auf und gibt den Blick auf das malerische Umland preis.

In der Ferne über der Hauptstadt San Jose ragt der mit seinen knapp 3500 Metern höchste Vulkan Costa Ricas, der ‚grollende Berg‘ Irazu in die Höhe. Sein letzter Ausbruch ist nicht sehr lange her, erst 1994 versetzte er die Bevölkerung in Angst und Schrecken. Da die Kraterwände sehr dünn sind, besteht die Gefahr, dass sie abbrechen und den halben Berg mit sich in die Tiefe reißen. Auch der pittoreske smaragdgrüne Säuresee in seinem Krater, der vom Regenwasser gespeist wird und 2015 versiegt war, würde dabei ausfließen. 2016 hatte der Ausbruch seines benachbarten Bruders Turrialba durch hohe Aschewolken den gesamten Flugverkehrt lahmgelegt.

Doch auch der Mensch, so scheint es, kann einem hier rund um San Jose gefährlich werden – denn warum sonst wären die Häuser von oben bis unten mit einer Gitterfront zur Straße hin abgeschirmt! Wir sind dankbar, nicht so wohnen zu müssen!

Den Irazu „erklimmen“ wir mit dem Auto, was uns nicht auf Anhieb gelingt, denn wir haben eine Vorliebe für Abkürzungen, die sich dann in ihr Gegenteil verkehren. Prompt stecken wir plötzlich hoch oben am Berg mitten in den Kaffeeplantagen fest. Erst nach mehrfacher ortskundiger Anleitung und hartnäckigem Ignorieren von Fahrverbotsschildern finden wir den richtigen Weg. Mit zunehmender Höhe und Entfernung zur Stadt nehmen die Vergitterungen vor den Häusern wieder ab, wir kommen an Bergbauernhöfen im Hochgebirge vorbei, fast wie bei uns in den Alpen. Noch weiter oben offenbart sich eine atemberaubende Kulisse der Kraterlandschaft, bis der Berg in seiner puren Schönheit, die Sicht von einem Meer zum anderen, vom Pazifik bis zum Atlantik freigebend, vor uns ausgebreitet liegt. Pura vida! mit diesen Worten wird man überall in Costa Rica begrüßt.

 Ja, hier hat man das Gefühl, mit dem Leben auf Tuchfühlung zu sein!

Nicht ganz so hoch doch nicht weniger beeindruckend präsentiert sich der Vulkan Arenal – er steht ganz für sich allein, ein riesiger Kegel, meistens in dichte Nebelwolken gehüllt – dürfen wir ihn in seiner vollen Pracht bewundern und dabei beobachten, wie er genüsslich seine dicke Zigarre raucht – auch er ist noch aktiv! Zu seinen Füßen liegen wie zur Warnung dicke schwarze Felsen von seinem letzten Ausbruch im Jahre 1968.  Auf der anderen Seite wird er von einem tiefliegenden, halb mit einer hellgrünen Decke überzogenen See geschmückt, der vielen Vögeln, die wir hier zum ersten Mal sehen, Lebensraum bietet.

Sogar das Nachtquartier beim Dirk aus Deutschland, der eine wunderschön angelegte Lodge unter einem uralten heiligen Ceiba-Baum mit Blick auf den großen Arenal-Stausee betreibt und der jedem Gast persönlich das Abendessen zubereitet, ist ein Erlebnis für sich. Beim Spaziergang durch den exotischen Steingarten wäre ich beinahe über eine kohlkopfgroße Kröte gestolpert und traue meinen Augen nicht – wird mir doch nicht etwa ein verwunschener Prinz zu Füßen liegen! Gottseidank habe ich ihn nicht geküsst, der Froschkönig ist giftig und ich würde ihn ungern von unten betrachten!  

Am nächsten Tag machen wir uns auf, um im vom Arenal aufgeheizten Wasser des Rio Chollin zu baden. Wir liegen in kleinen natürlichen Becken, das Thermalwasser, das über die Stromschnellen schießt, massiert unsere Muskeln. Über uns wiegen sich die Blätter und Äste des Tropenwaldes, neben uns laufen Jesusgekkos über die Wasseroberfläche, ein kleiner Nasenbär taucht auf und verschwindet hinter einem Felsen. Nichts wie hinterher, mit der Kamera bewaffnet, über Fels und Stein. Da drüben, auf dem Ast, da sitzt er und macht sich seelenruhig über die Pommes her, die jemand liegen gelassen hat. In beobachtender Wachsamkeit lässt er mich ohne jede Scheu bis auf zwei Meter an sich heran.

Auf dem Rückweg machen wir noch einmal Halt, um einen Spaziergang durch einen kleinen doch besonders artenreichen Nationalpark zu machen. Spinnenaffen, Aras, eine kleine weiße Fledermaus, die unter einem großen Palmenblatt Schutz gesucht hat – und ein graubrauner Fluss, in dem sich hunderte Krokodile tummeln – als Aussichtspunkt dient eine hohe Autobrücke, unter der es ihnen anscheinend besonders gut gefällt. Gruselig!

Nach einer Woche Rundreise und 1500 zurückgelegten Kilometern sind wir wieder zurück bei unserer KALI MERA. Nicht nur einmal waren wir froh, in einem Allrad zu sitzen, wir haben Bäche durchgequert, unglaubliche Steigungen bezwungen, sind durch Schlaglöcher auf Schotterpisten gerattert und haben schließlich einen von oben bis unten verstaubten Toyota zurückgebracht. Weiter geht es über das Wasser!

Mexiko und Guatemala

Nachdem wir die KALI MERA in Chiapas wieder auf Vordermann gebracht haben geht es endlich ans Besichtigen, ein volles Programm wartet auf uns: Zuerst ein Tagesausflug mit anderen Seglern ins Landesinnere, der polyglotte Toni (er lehrt Englisch an der Uni, unterrichtet in seiner Sprachschule Deutsch und auch mit den Franzosen kann er sich fließend unterhalten) ist unser Fahrer und Guide. In einer Iguana-Aufzucht-Farm sehen wir tausende von den grün-grauen Gremlins, in einer Krokodilfarm besichtigen wir Gürtel, Brieftaschen und Schuhe im noch lebenden Zustand (ich glaube verarbeitet sind sie dann glüklicher), eine Mayja Ausgrabung besuchen wir und in einem kleinen traditionellen Kakao-Betrieb zeigt uns die betagte aber äußerst quirlige Chefin, wie sie den Kakao röstet, siebt, mahlt und zu einer Schokolade-Paste endverarbeitet, alles in Handarbeit wie schon seit über tausend Jahren. Dann geht es weiter ins Gebirge, zum Vulkan, in einem Bergdorf genießen wir lokalen Kaffee und die frische Luft.

Tags darauf buchen wir kurzentschlossen eine Fahrt mit dem Ticabus nach Antigua Guatemala. An der Grenze zu Guatemala (wir müssen aussteigen und die Formalitäten erledigen) werden wir sofort nach allen Regeln der Kunst ausgenommen, als Ticabus-Mitarbeiter „getarnte“ Betrüger führen uns zum Ausreiseschalter, alles muss ganz schnell gehen, der Bus wartet, ein riesiges Durcheinander wird inszeniert, dann sind plötzlich unsere Pässe weg, wir müssen „Einreisegebühr zahlen“, Geldwechsler scharen sich um und betrügen uns unter fachgerechten Anleitung unseres „Guides“, am Ende bekommen wir unsere Pässe mit einem Einreisestempel wieder, ohne jemals einen Offiziellen aus Guatemala gesehen zu haben. Wir sind ca. 150 Dollar ärmer und eine wertvolle Erfahrung reicher. Nicht nur uns, sondern auch zwei jungen deutschen Backpackern wird das Geld mit der gleichen Masche abgenommen, ein Monatslohn wird in wenigen Minuten ergaunert.

So unerfreulich der erste Kontakt mit Guatemala war, so schön ist dann dafür unser restlicher Aufenthalt. Die Tage in Antigua, der vielleicht schönsten kolonialen Stadt Mittelamerikas, vergehen schnell. Die alte Stadt ist in einem wunderbaren Zustand, die Häuser sind liebevoll renoviert, die schöne Architektur ist eine Wohltat, das Klima frühlingshaft. Von den Dachterrassen aus kann man den rauchenden und Feuer spuckenden Vulkan sehen, einen überlebenden Gott der Mayas, eine ständige Erinnerung an die Macht der Natur, erst letztes Jahr ist er in einer gewaltigen Eruption ausgebrochen und hat viele Menschenopfer gefordert.

Die Stadt ist blitzsauber und völlig sicher, es gibt wunderbare Kaffeehäuser und Restaurants, wir flanieren herum und lassen es uns gut gehen, genießen die Atmosphäre und die Kulinarik, und tauchen abends in die Musikszene ein. Auf unseren Streifzügen wandern wir auch etwas aus der Altstadt hinaus, sobald wir die touristische Zone verlassen da ändert sich der Eindruck leider schlagartig, Berge von Unrat und Schmutz liegen neben der Straße, und die Armut ist überall greifbar, ein schmerzhafter Kontrast.

Nach Flores leisten wir uns den Luxus eines Fluges, dort verbringen wir zwei Tage in entspannter touristischer Atmosphäre, viele Backpacker haben es sich hier gemütlich gemacht, es ist eine bunte internationale Gemeinschaft. Um halb fünf in der Früh sitzen wir schon im Bus von Flores nach Tikal, damit wir zu den ersten Besuchern gehören und die Anlage noch „für uns alleine“ haben (um sechs Uhr wird aufgesperrt und wir sind die ersten Gäste). Wir nehmen nicht den Hotel-Bus um 50 Dollar sondern den Minibus um 10 Dollar, vollgepackt mit jungen Reisenden aus aller Herren Länder, guter Stimmung und junger frischer Energie. Tikal ist großartig, auch wenn wir die mexikanischen Maya Highlights schon fast alle besucht haben, diese Ausgrabung übertrifft unsere Erwartungen. Ein riesiges Areal, gewaltige Tempel im Dschungel, es ist so weitläufig, dass sich die Besucher „verlaufen“, an manchen Plätzen kann man ganz alleine und in völliger Ruhe die Stimmung aufnehmen, viele Pyramiden, Tempel und Paläste kann man „erklettern“ und hautnah entdecken. Ungefähr eineinhalb Jahrtausende war Tikal das politische, kulturelle und spirituelle Zentrum der Majas, das Ende kam dann nicht durch Kriege, wie sonst so üblich, sondern durch Klimaveränderungen. Die Stadt musste aufgegeben werden und der Dschungel holte sich in kurzer Zeit zurück, was ihm von über 100 Generationen abgerungen wurde.

Neun Stunden streifen wir durch die gigantische Anlage und haben immer noch erst einen Teil gesehen, vieles ist noch nicht ausgegraben und schlummert unter dichtem Bewuchs, überall kann man Hügel erkennen unter denen Tempel und Pyramiden von vergangener Größe träumen, bis sie irgendwann, gekitzelt durch Archäologen, wieder aufwachen werden. Nach dem Pyramiden-Wandertag geht es mit dem Bus zurück nach Flores, begeistert, hungrig und müde – aber nach einem Service-Stop im Restaurant wird der Abend noch einmal sehr nett, auf der großartigen Dachterrasse der Absteige unserer Tikal-Busbekanntschaften (Booking.com: „Achtung, Bettwanzen“) hören wir die Lebens- und Reisegeschichten einer jungen Generation. Menschen auf Reisen – da wird es nicht langweilig, und wir sind ziemlich beeindruckt über so viel Engagement und Lebenserfahrung im zarten Alter von unter 25 Jahren.

Der Rückflug nach Guatemala City mit der kleinen Propeller-Maschine, in der wir direkt hinter dem offenen Cockpit sitzen, wird zum Erlebnis, es geht in der Nacht durch die hohen Gewittertürme, rund um uns sieht man die Blitze aufleuchten, mir ist beim Fliegen sowieso immer unwohl und diesmal muss ich besonders aufpassen, ich habe immer das Gefühl, das Flugzeug bleibt nur wegen meiner ständigen Konzentration in der Luft…

Weiter geht es nochmals nach Antigua,  einen Abend in der bezaubernden Stadt, das Konzert von Freunden wollen wir hören, dann sausen wir in der Früh schon wieder zurück mit dem Ticabus nach Tapachula in Mexiko. Die Überlandbusse sind schnell und komfortabel, mein „Mietwagendogma“ kommt ins Wanken, wir sitzen in der ersten Reihe, haben einen tollen Rundumblick und wenn ich ein Nickerchen mache sind wir nicht sofort im Straßengraben.

Guatemala war ein besonderes Erlebnis, großartig, voller Kontraste, arm und reich, schmutzig und gediegen, betrügerisch und liebenswürdig, schrecklicher stinkender Verkehr und kontemplative Stille, Slums und faszinierend schöne Bauwerke.

In Guatemala hätten wir es noch länger ausgehalten, aber ein Wetterfenster für die Querung des berüchtigten Golfs von Tehuantepec hat sich aufgetan, das wollen wir unbedingt nutzen. Es kann mehrere Wochen dauern, bis der Golf passierbar ist, schwere Stürme sind hier an der Tagesordnung, und unsere Uhr für die Reise in die Sea of Cortez tickt immer lauter. Mitte Mai beginnt hier bereits die Hurrican-Saison und wir haben noch fast 1500 Seemeilen vor uns, um vor den Stürmen in Sicherheit zu sein.

Tadeja kocht für die Passage vor, ich mache den nötigen Ölwechsel, wir tanken die KALI MERA voll und bereiten alles für die Überfahrt vor. Auf Grund des stabilen Wetterberichts fahren wir die direkte Route quer über den Golf, wenn Gefahr für Nordwind besteht muss man unbedingt den Golf knapp am Ufer entlangfahren, nicht der Wind alleine ist das Risiko, sondern die blitzartig entstehende schwere See mit hohen kurzen Wellen macht das Gebiet so gefährlich. „One foot on the beach“ soll man hier segeln, die laut nautischer Literatur einzig sichere Strategie für den Golf.  Wir queren dennoch direkt und werden wir mit einer relativ angenehmen Fahrt belohnt, die ersten 36 Stunden sind ruhig, wir können segeln und motor-segeln, Delphine sind ständig um uns, auch große Wale sehen wir neben dem Boot. Ein kleiner Thun schnappt sich unseren Köder und landet als Filet in der Gefriertruhe. Während wir früher fast ständig geangelt haben, kommen jetzt die Köder nur noch selten ins Wasser, es gibt hier so viele Fische, dass wir mit einem Biss rechnen können, und wir fangen nur was wir kurzfristig verspeisen. Filets werden vakuumverpackt, da würden sie auch im Kühlschrank einige Tage frisch bleiben, aber ein kurzes „Durchfrieren“ tötet allfällige Parasiten, die im Fleisch sein könnten, zuverlässig ab und hat keine Auswirkung auf die Qualität.

Aufregung gibt es, als wir knapp vor Mitternacht mit dem Kiel eine starke Leine fangen und Leine und aufgeregte Fischer hinter uns herziehen, es dauert ein wenig bis wir verstehen, was ihre Lichtsignale bedeuten.  Es wimmelt hier von langen Schwimmleinen, die in der Nacht für uns völlig unsichtbar sind. Wir sind fast 100 Meilen vom Land entfernt und dennoch wird hier mit kleinen Pangas (einfache offene Motorboote mit Außenboarder) gefischt, ich bewundere den Mut dieser Fischer. Ich habe gerade ein wenig geschlafen, bis Mitternacht hat Tadeja immer Wache und sie weckt mich auf, was wollen die Fischer von uns? Sie blinken uns an, Funk haben sie wohl keinen, SOS ist es nicht, eine wildgewordene Lichtorgel hinter uns – wir stoppen die KALI MERA und sehen die Leinen – Bescherung. Die Panga kommt an unsere Seite, zwei junge freundliche Männer sind es, die hier mutterseelenallein auf hoher stockdunkler See Ihre Yachtfallen auslegen, mit Ihrer Hilfe befreien wir die Leine. Nicht das erste Mal sind wir heilfroh über das Design unseres Unterwasserschiffs, Ruder und Propeller sind so geschützt, dass eine Leine dort nicht leicht einen Schaden anrichten kann. Am nächsten Tag weichen wir einer Leine aus, die fast drei Meilen lang ist, die Bojen kann man nur am Tag sehen. Die Fischer, Netze und Leinen machen eine kontinuierliche Nachtwache auch weit draußen notwendig, es ist immer einer von uns am Ausguck.

In der zweiten Nacht wird es ruppig, der Wind legt zu, hart am Wind müssen wir mit den kurzen steilen Wellen kämpfen, die Strömung ist gegen uns, wie so oft in diesem Jahr wird es eine Nacht ohne Schlaf für mich. Die Wellenfrequenz beträgt nur wenige Sekunden, die Wellen sind bis zu drei Meter hoch, immer wieder erzittert das ganze Schiff, wenn es, von einer Welle hochgehoben, mit lautem Krachen in die nächste Welle schlägt.  Aber nach 50 Stunden haben wir den Golf geschafft und liegen sicher vor Anker in Huatulco, einen Erholungstag gönnen wir uns, dann haben wir wieder zwei Nachtfahrten nach Acapulco vor uns.

von Costa Rica nach Mexiko

Ganz im Norden von Costa Rica, in der großen Bucht Santa Elena, die sich tief ins Land hinein ausdehnt, da liegen wir vor Anker und warten. Warten, bis die Papagayos, die uns hier erwischt haben, wieder verschwinden. Die Papagayos – das ist nicht etwas das man morgens mit Joghurt zum Frühstück verspeist um eine Unterlage für den Kaffee zu erhalten, es sind auch keine tropischen Fische und auch nicht die kreischenden bunten Vögel, die in den Bäumen über uns hocken und einen mordsmäßigen Lärm machen, nein, die Papagayos sind ein Wetterphänomen, dem die Segler der mittelamerikanischen Pazifik-Küste mit enormen Respekt begegnen. Heimtückische Fallwinde sind es, wenn der Passat in der Westkaribik in Mittelamerika an Land trifft und nicht mehr genau weiß wo er weiter hinsoll, dann sucht er sich, völlig verärgert wegen dem plötzlichen Widerstand, seinen Weg durch die hohen Berge Costa Ricas und  Nicaraguas. Kaum hat er dann die Schneise gefunden, durch die er sich zum Pazifik durchzwängen kann, lässt er seine Wut an den paar Unglücklichen aus, die hier unbedingt mit dem Boot herumfahren müssen.  Und hier in Santa Helena sitzen wir nun und warten, dass die mörderischen Böen aufhören und wir wieder weiter nach Norden aufbrechen können.  Vor einem Tag haben wir Playa del Coco noch frühmorgens bei einem lauen Lüfterl verlassen (ist doch nur alles aufgeregtes Gerede das mit den Papagayos…), doch mitten im Golf hat uns der Wind dann unbarmherzig zur Rede gestellt, vor dem Cabo Santa Elena (Segelguide: „do not try to pass Cabo St. Elena when Papagayos are blowing,…“) müssen wir ein wenig Rast machen (es gibt da mit „West-Point“ eine kleine Stelle an der man relativ ruhig ankern kann um den Sturm auszusitzen), dann geht es um das Kap und direkt gegen den Wind unter Maschine die 12 Meilen in die Bucht, in der wir dann festsitzen. Die Böen haben bis zu 40 Knoten, Tendenz steigend, aber ohne Wellen in der malerischen Bucht vor Anker zu liegen ist gar nicht so schlimm, was man von der Umrundung des Kaps nicht behaupten kann.

Zum Wohlbefinden während der Fahrt hat nicht beigetragen, dass ich regelmäßig in den Motorraum turnen darf, Filter prüfen, hin und wieder etwas Wasser ablassen (aus dem Wasserabscheider, nicht aus mir) damit ich nicht ständig daran denken muss, dass genau jetzt der Motor ausfallen wird, ersäuft durch Wasser im Diesel und wir dann, wenn es uns Monate später stark abgemagert an die japanische Küste treibt, ein dortiges Fabrikat neu einbauen müssen. Wer will denn schon einen nagelneuen Yanmar. Aber alles war ok, trotz der Bocksprünge, die unsere Kali Mera macht, bleibt der Diesel bis nach Santa Elena fast wasser-frei, nur schmutzig ist er weiterhin, eine komplette Tankreinigung ist unausweichlich. Wir planen das in der Marina Chiapas, unserem Einklarierungshafen in Mexiko, machen zu lassen. Dass Herr Amel in den Edelstahl-Tank keine Wartungsluke eingebaut hat, durch die man das Zeugs komfortabel entfernen kann, ist mir völlig unverständlich, erst bei späteren Baujahren des Schwesternschiffes „Super Maramu“ wurde dieser Bug behoben.

Wir fühlen uns sehr wohl mit der Entscheidung die Pazifik-Querung etwas aufzuschieben und vorher noch Mexiko zu besuchen, manchmal – so scheint es – muss wohl das Schicksal etwas mithelfen und uns den richtigen Weg weisen. 

Nach zwei Tagen gaukelt uns dann der Wetterbericht (der lügnerische Halunke) ein Wetterfenster vor, die Papagayos sollen schwächer werden und günstige Winde für die Reise nach Norden sollen sich einstellen, sobald uns der Wind vorbeigelassen hat will er wieder zurückkommen. Wir zögern nicht lange und brechen auf, und kommen damit wohl in die schwierigste Etappe unserer bisherigen Reise seit der Türkei. Das erste Stück wird es wirklich ruhiger, aber dann, gegen Abend, dann geht es wieder richtig rund.   Der Ankerplatz, den wir uns zum Abwettern ausgesucht haben, ist zu seicht, wir müssen weiter und Kurs auf den Hafen von San Juan del Sur nehmen. Kaum haben wir die Grenze zu Nicaragua überquert, werden wir auch schon von der Küstenwache gestoppt, sie gehen trotz schlechter Bedingungen und Dunkelheit längsseits, kommen schwerbewaffnet an Board und müssen uns unbedingt kontrollieren. Die ganze unheimliche Aktion dauert Gottseidank nicht lange, sie sind genauso froh wieder von Board zu sein wie wir, nachdem der sonst so beherrschte Skipper der KALI MERA einen Wutausbruch bekommen hat und Ihnen in aller Deutlichkeit seine Unzufriedenheit darüber zum Ausdruck gebracht hat, dass sie sich nicht die Zeit genommen haben 15 Sekunden zu warten bis die schützenden Fender montiert sind. Nein, Rumms, dran an die  Boardwand, knirschendes Material, brüllender Skipper, erschrockene Soldaten!

Nach diesem Ereignis laufen wir illegal in den Hafen von San Juan ein, wir brauchen etwas Ruhe. Sturmböen, stockdunkle Nacht, keine Sicht und ein Hafen voller unbeleuchteter Boote, Bojen und anderer Hindernisse. Irgendwann liegen wir dann vor Anker, die Nacht erfordert eine Ankerwache, nix ist mit erholsam. Beim ersten Morgengrauen flüchten wir, Anker auf und weg. Oder doch nicht?  Eher: Anker auf und festhängen!  Wir haben eine armdicke alte Muringleine mit einem LKW Reifen gefangen, alles hängt brav an unserem Anker, so sicher sind wir schon kann lange nicht mehr gelegen. Irgendwie kommen wir dann frei, nichts wie weg, weiter geht’s.

Der Wind legt ständig zu, unbarmherzig drücken uns die Böen aufs Wasser, es hat zwischenzeitlich schon durchgehend 35 Knoten Wind, die Böen gehen deutlich über 40 hinauf, und sie kommen so plötzlich, dass wir fast nicht darauf reagieren können. Unser Segel ist nicht mehr viel größer als eine Serviette und dennoch rauschen wir mit Rumpfgeschwindigkeit nach Nordwesten, die Gischt reißt vom Wasser ab und die See kocht. Den ganzen Tag haben wir Gale-Conditions, die KALI MERA benimmt sich großartig, aber uns merkt man die Belastung an. Wir entscheiden, die Nacht nicht durchzusegeln und finden wirklich einen Platz, an dem wir relativ gut ankern können, wir wollen uns erholen. Frühmorgens geht es weiter, der Wind bleibt stark, aber je weiter wir in den Norden von Nicaragua kommen, desto angenehmer wird der Windwinkel und umso ruhiger das Segeln. Drei Nachtfahrten liegen nun vor uns, an Schlaf ist wenig zu denken. Der Wind wechselt ständig Richtung und Stärke, die See ist aufgewühlt, konfus, es gibt hohe Kreuzwellen und die KALI MERA wird zum Cocktail-Shaker und wir werden so richtig gut durchgemischt, bis wir mürbe sind.  Lange Schwachwindphasen zwingen uns den Motor zu verwenden, und alle zwei Stunden müssen die Filter entwässert werden, der Tankinhalt wird durch die Luftsprünge unseres Schiffes so aufgewirbelt, dass der ganze Bodensatz in die Filter wandert. Als es einfach nicht mehr anders geht, füllen wir (natürlich in der Nacht) unsere Reservekanister in den Tank um, damit das Mischungsverhältnis besser wird. Die Aktion war erfolgreich, wir kommen mit laufendem Motor und völlig erledigt in der Marina Chiapas in Mexiko an.

Hier werden wir nun ein paar Tage bleiben, die Marina ist angenehm, ruhig, überaus freundliche und hilfsbereite Menschen. Das Einklarieren nimmt einen ganzen Tag in Anspruch, kaum sind wir am Steg kommt schon das Militär mit Drogenspürhund an Board, der Marina-Manager Rolf fährt uns mit seinem Pickup zu ca. 100 verschiedenen Behörden, dann geht es noch mit dem Taxifahrer Louis an die Grenze zu Guatemala, nur dort bekommen wir nämlich die „Erlaubnis für einen temporären Fahrzeug-Import“ (die KALI MERA), und schließlich und endlich sind wir offiziell eingereist.

Tags darauf wird dann schon der Tank gereinigt, wir pumpen 120 Liter trüb-braunen Diesel heraus, dann sauge ich mit der Vakuumpumpe, die ich zum Ölwechsel verwende, noch fast zwei Liter „Kaffee“ aus dem Tank, alle Filter werden gereinigt und getauscht und wir sollten nun den „Murl“ wieder verwendet können. Einen ganzen Tag dauert die Aktion, am Abend falle ich todmüde in die Koje. Tadeja putzt das Boot, wir könnten Werbung für die Salinen Austria machen, überall gibt es dicke Salzschichten. Aber wir haben ja nun einen Süßwasser-Anschluss und einen Schlauch, welch Luxus. Sogar Landstrom haben wir hier, wir haben das Boot extra verlegt um einen der wenigen Plätze zu bekommen, an dem es 230 Volt Anschlüsse gibt, hier ist alles für die amerikanischen 115 Volt ausgelegt. Es passt zwar keiner unserer Stecker, Adapter gibt es in Mexiko keine, aber ich bekommen die Sondererlaubnis die Stromsäule einfach aufzuschrauben und mir den Strom direkt dort abzuzapfen, wo ich das für richtig halte. Es funktioniert, ein paar Kabel hier, ein paar Klemmen dort und die Marina Chiapas hat nun – zumindest temporär – einen Liegeplatz mit europäischem Stromanschluss…

Einige Tage brauchen wir hier noch um alles für die Weiterreise zu organisieren, einen Liegeplatz für die Hurrican-Saison zu organisieren, und dann wollen wir auf dem Landweg von hier aus Guatemala besichtigen.

,mDie Fahrt hierher, – so anstrengend sie auch war-, hatte aber auch wunderschöne Momente: Sonnenuntergänge, bei denen man vor Schönheit schwermütig werden könnte, Sonnenaufgänge, bei denen das Herz vor Freude hüpft, wir segeln wenige Meter an zwei riesigen Buckelwalen vorbei, Delphine begleiten uns beinahe die ganze Strecke, Tag und Nacht spielen Sie mit dem Schiff, machen Luftsprünge und haben anscheinend ihre Freude mit uns. Wir sehen sie auch auf der Jagd, Thunfische springen hoch aus dem Wasser und Delphine hinterher, großartige Anblicke. Große Schildkröten paddeln an uns vorbei, Rochen machen ihre Saltos und einmal macht eine Fledermaus Rast in unserem Cockpit, sie hängt sich direkt neben uns unter die Bimini, putzt sich gründlich und flattert dann nach einiger Zeit wieder davon. Tölpel machen auf dem Bugkorb Pause und spielen „Reise nach Rom“, und Fregattvögel streiten sich darum, wer auf der Spitze vom Besan-Mast sitzen darf . Hier in der Marina gibt es auch noch andere geflügelte Viecher, nämlich echte Culicidae, aber auf die könnten wir ruhig verzichten ?

Hawaii – und wieder zurück

Ein letzter Cocktail aus tropischen Früchten, Rum und Campari, obendrauf eine Cocktailkirsche– unser Abschiedsritual, bevor die Reise losgeht. Ab jetzt gibt es bis Hawaii keinen Alkohol mehr! Es ist aufregend! Ich freue mich auf die Nächte, in denen ich durch das Dunkel hindurchzusehen versuche, wachsam den Horizont absuchend, in eine Art Trance verfallend! Wie schnell mein Körper in den Zustand übergeht, der ihm von der Atlantikquerung in Erinnerung geblieben ist! Ein wunderbares Gefühl! Es ist windstill. Die Umrisse der Küste verlieren sich immer weiter in der Ferne bis sie ganz verschwinden.

Schon bei meiner ersten Nachtwache bekomme ich Besuch – ein Delfinbaby springt dicht am Bug zweimal hoch in die Luft und wedelt dabei mit dem Schwanz – ich denke schon, es landet an Bord! Der dunkle breite Rücken seiner Mama hebt sich mit einem leisen Schnaufen neben mir aus dem öligen wellenlosen Wasser – auf und ab. Tagsüber kann man die vielfältigsten Meeresbewohner schon aus weiter Ferne sichten; für kurze Augenblicke verlassen sie ihr Element, wie um sich zu präsentieren, kommen ganz nah ans Schiff und zuweilen weiß man gar nicht, in welche Richtung man zuerst schauen soll! Das ist ein besonderes Geschenk vom Pazifik! Während es auf den Las Perlas noch Pelikane waren, die durch ihre unglaublichen Flugkunststücke ein fesselndes Schauspiel darboten, indem sie sich torpedogleich aus größer Höhe kopfüber ins Wasser stürzten und mit einem Fisch im Schnabel wieder auftauchten, sind es jetzt akrobatische Rochen, die elegante bis zu zwei Meter hohe Sprünge vollführen,  Delphine, die in unserer Bugwelle spielen, eine Walfamilie, die sich im ruhigen Wasser dahintreiben lässt, und Vögel, die sich um einen Platz an unserer Reling zanken.

Ich nutze dieses anfangs windarme Wetter mit wenig Welle – wer weiß wie lange es noch anhält – und verschanze mich in der Küche. Die Essensvorräte müssen auf ihren Reifegrad hin überprüft werden. Obwohl wir möglichst unreife Früchte gebunkert haben, muss manches schnell verarbeitet werden und so stehe ich fast den ganzen Tag in der Kombüse. Unter meinen Händen entstehen für mich neuartige Dinge wie in Essig eingelegter Blumenkohl, Brokkolinudeln und Brokkoli-Tomatensalat, nebenbei wird ein frisch gefangener weißer Thunfisch verarbeitet, riesige Büsche von Koriander verwandeln sich in ein Pesto mit Cashewnüssen,  Petersilie wird kleingehackt und eingefroren, Joghurt angesetzt, eine abenteuerliche Gemüse-Mischung, der testweise sogar Kochbananen beigemengt werden, wandert in den Kreativ-Curry-Topf. Wenn unsere überdimensionale Bananenstaude – bestellt war natürlich nur eine kleine! – herangereift sein wird, stehe ich vor der schier unlösbaren Aufgabe, wie auf produktive Weise mindestens 50 Bananen auf einmal zu verwerten! Vielleicht Bananeneis?

Während wir auf den Wind warten, wird die Dünung immer höher, die Gegenströmung immer stärker, das Ergebnis – wir kommen so gut wie gar nicht voran. Die Euphorie hält sich in Grenzen.

Jeden Morgen ruft Herbert per Funk das neueste Wetter ab. Das ist ein weiteres Ritual bei Überfahrten geworden. Heute funktioniert die Funkverbindung nicht, das heißt, sie funktioniert schon, doch kurz bevor das große Grib-file heruntergeladen ist, kommt die Fehlermeldung „checksum error“– das bedeutet, kein aktuelles Wetter, weil das File defekt ist. Bei jedem neuen Versuch beginnt das Dokument erneut, sich herunterzuladen und blockiert damit den ganzen Funk. Erst nach vielen Anfragen Herberts, die er an mehrere Stellen aussendet, kann er das Dokument löschen und wir bekommen die ersehnte Wetterprognose – Sturmwarnung! Die Papagayos lassen grüßen! Na gut, es hilft nichts, wir müssen da durch, um die Tradewinds zu erreichen, die uns hoffentlich aus einem günstigen Winkel schneller vorwärtsbringen. Gar so rosig sieht bei näherer Betrachtung das Ganze dann doch nicht aus, neben Starkwindgebieten sind auch mehrere Stellen mit ausgedehnten Flauten angesagt, das heißt, wir werden öfters den Motor brauchen, was wir nicht wirklich wollen. Aber das ist nicht beeinflussbar – das Wetter muss man nehmen wie es kommt.

Mit den Eigenheiten des Motors ist es ähnlich – gerade wenn man es am wenigsten brauchen kann, will er Aufmerksamkeit haben!  Gerade erst auf Touren gebracht, fällt die Motorraumbelüftung aus. Herbert ist hocherfreut in der anbrechenden Dunkeheit den Ventilator ausbauen, reparieren und wieder einbauen zu dürfen.

Inzwischen ist die vierte Nacht hereingebrochen, das Abendessen steht schon fast auf dem Tisch, als plötzlich ein rotes Warnlicht aufleuchtet. Herbert reagiert schnell und macht den Motor aus. Wie gesagt – zickig! Damit ist nicht Herbert gemeint!  Die Gemüsekisten stellt er auf die Bänke und macht den Cockpitboden frei. Mit Stirnlampe, Schraubenschlüsseln und Küchenrolle bewaffnet öffnet er die Cockpitklappe und klettert in den Motorraum. Beide Dieselfilter sind randvoll mit Wasser! Der Wasserabscheider hat zwar brav seine Arbeit verrichtet, indem er das Wasser aus dem Diesel herausgefiltert hat – normalerweise bildet sich etwas Kondenswasser im Tank, das abgesondert werden muss, um zu verhindern, dass es in den Motor gelangt – aber doch nicht so viel! Woher kommt das ganze Wasser her? Einen Moment später hätte der Wasserabscheider überlaufen können und dann wäre der Motor aus – nicht auszudenken! Angst, die ich unterdrücken muss, will sich in mir ausbreiten, sie bleibt als kleiner Klumpen im Magen sitzen. Die kann man sich jetzt nicht erlauben. Es ist das erste Mal auf unseren Reisen, dass sie sich meldet – und dass uns unsere Kali Mera einen Strich durch die Rechnung macht. Herbert reinigt und wechselt die Filter – man wünscht sich wahrlich was Schöneres so weit draußen am Meer, mutterseelenallein und auf sich selbst gestellt!  Schnell ist die Romantik verflogen, die der hell leuchtende Mond und die tausend strahlenden Sterne am Himmel herbeigezaubert und die Milchstraße in einen einzige dichten Sternen-Nebel verwandelt haben. Die Wellen schaukeln das Schiff hin und her und machen das Arbeiten mehr als ungemütlich. Trotzdem – geschafft! Alles wird wieder weggeräumt, Dieselreste werden weggeputzt, Herbert steigt etwas nervös aus dem Motorraum – ja, der Motor springt an! Jetzt ist guter Rat teuer! Über 4000 Meilen liegen noch vor uns – in den drei Tagen haben wir vergeblich darauf gewartet, dass die vier auf die drei überspringt – auf so einer langen Fahrt muss der Motor funktionieren. Herberts Gehirn rattert – wie kann es sein, dass sich so viel Wasser im Diesel gebildet hat?! Wir tanken immer über Kanister und Filter mit Wasserabscheider – schlechter Diesel scheidet damit wohl aus, für Kondenswasser ist es zu viel. Kommt es über die Tank-Entlüftung (und wo zum Teufel ist die überhaupt, höre ich ihn schimpfen) oder ist der Verschluss für den Stutzen undicht? Muss der Tank gereinigt werden? Können wir es verantworten, auf gut Glück weiterzufahren? Trotzdem – erst einmal wird gegessen und nachgedacht. Dann fällt die Entscheidung – wir kehren um, bevor der Wind kommt und ein Umdrehen unmöglich macht. Der neue Zielpunkt an der nördlichen Küste Costa Ricas wird gesetzt – Samara, eine gut geschützte Bucht, um uns in Ruhe der Sache zu widmen. Kaum kehrtgemacht, setzt der Wind ein, und wie ein altes Radfahrergesetzt bestätigt, natürlich voll auf die Nase. Die Wellen, die aus allen Richtungen zu kommen scheinen, prallen aufeinander und türmen sich in kürzester Zeit zu Bergen auf, mühsam kreuzen wir auf unser Ziel zu. Die Filter müssen noch dreimal gereinigt werden, und während Herbert im Motorraum hantiert, spiele ich den Handlanger. Gott sei Dank ist beim letzten Durchgang kaum noch Wasser zu sehen – Erklärung haben wir noch keine gefunden. Herbert schläft die ganze Nacht nicht. Kaum legt er sich hin, um ein bisschen auszuruhen, schreckt ihn eine Windänderung auf, die Segel müssen korrigiert werden. Ich bin ja mit der Gabe gesegnet, auch für 10 Minuten tief einschlafen zu können und mich dabei auch zu regenerieren. Aber Herbert trägt die ganze Verantwortung und kann sie schwer loslassen. Langsam, langsam werden die Wellen weniger, das Vorwärtskommen wird leichter. Trotzdem, das Frühstück mit frischgebackenem Brot und Bananenkuchen will uns beiden nicht so richtig schmecken, die Mägen müssen sich erst wieder beruhigen. Am Nachmittag lassen wir den Anker in der malerischen Bucht von Samara fallen, begleitet von Erleichterung, aber auch einem leichten Gefühl der Niederlage. So war das nicht geplant!

Gleich am nächsten Morgen macht sich Herbert an das eingehende wieder-in-Ordnung-bringen der unleidlichen Angelegenheit. Er reinigt und tauscht die Dieselfilter, macht den Probelauf. Es sieht gut aus, kein Wasser im Abscheider. Wir werden sehen, ob das auch bei Wellengang so bleibt. Das Wichtigste ist, dass der Motor keinen Schaden genommen hat. Immer noch bleibt unklar, ob die Maßnahmen langfristig erfolgreich waren und nicht doch der Tank gereinigt werden muss. Bald kristallisiert sich ein neuer Schlachtplan heraus. Wir beschließen, die Küste bis nach Mexiko entlangzufahren und entscheiden dann, wie es weitergehen soll. Die Fahrt an der westlichen Pazifikküste gen Norden wird als sehr anspruchsvoll und anstrengend beschrieben: Wind und Welle, zuweilen auch die Strömung gegen uns, am gefürchtetsten aber die bösen Papagayo-Winde, deren unangesagte Böen Orkanstärke erreichen können. Die Strategie heißt, dicht an der Küste bleiben, einen günstigen Zeitpunkt abwarten und den Wind überlisten. – Mexico, das wir schon 2011 über eine Strecke von 3000 km mit dem Auto durchfahren und lieben gelernt haben, wollten wir sowieso gerne auch per Schiff besuchen – es gilt als ein wahres Segelparadies! Ich freue mich, dass mein Spanisch noch etwas länger zum Einsatz kommt. Ich liebe diese Sprache!

Golfito und Start Pazifik Querung

Costa Rica reizt uns schon seit Studientagen. Ein kleines Land in Mittelamerika zwischen Panama und Nicaragua, ein Staat ohne Militär, die eingesparten Verteidigungsausgaben werden in Bildung investiert, der Lebensstandard ist besser als irgendwo sonst in Mittelamerika, es ist fast ein bisschen euopäisch.  Hier wollen wir noch einmal Station machen, bevor wir uns auf den Pazifik hinauswagen, Costa Rica gilt es für uns auch am Landweg zu entdecken, Tourist auf vier Rädern.

Nach einer Nachtfahrt kommen wir Freitag mittags in Golfito, im Golfo Dulce, an und werfen den Anker vor der Banana Bay Marina. Wir haben uns beeilt, Freitag nachmittag machen die Behörden Feierabend,  Montags hat „Customs“ geschlossen, und wir möchten so bald als möglich offiziell einreisen und uns an Land frei bewegen.

Mit gemischten Gefühlen kommen wir nach Golfito, der Revier-Führer spricht von häufigen Diebstählen, man darf das Schiff keinesfalls unbeaufsichtigt lassen, im Internet findet man jede Menge Warnungen. Die seglerische Gerüchteküche brodelt, die Preise sollen infernalisch hoch sein, das Bier (der vielleicht wichtigste seglerische Preisindikator) mehr als doppelt so viel kosten als in Panama, das Einkaufen insgesamt eine finanzielle Tragödie sein. Die Marinas seien unbezahlbar, Costa Rica nur auf Motoryachten und Big-Game Fisher ausgelegt. Die Banana-Bay Marina würde 15 Dollar für das Anlanden mit dem Dinghi verrechnen, ein Liegeplatz für unser Schiff würde über 120 Dollar pro Tag kosten. Hurra, alles falsch, der gute alte Murphy mit seinen Gesetzen ist tot, es ist ales viel besser als erwartet.

Wir fahren mit dem Dinghi in die Marina und machen dann die Behörden-Wege.  Im Marina-Office werden wir freundlichst empfangen und zahlen müssen wir gar nichts. Das Internet ist frei, der Bierindex nicht über 1, das Restaurant ist einladend, die Bedienung aufmerksam. Ein paar Tage bleiben wir vor Anker, dann bekommen wir in der Marina einen sicheren Liegeplatz, an dem wir die KALI MERA für unsere Exkursion ins Landesinnere lassen können. Statt dem „offiziellen Preis“ von 2,5 Dollar pro Fuß (unser Boot ist 46 Fuß lang) bekommen wir einen Sonderpreis von 70 cent pro Tag, die ganze Banana Bay Mannschaft ist äußerst liebenswürdig, hilfsbereit und zuvorkommend! Segler, kommt ihr nach Costa Rica, dann macht hier Halt!  Banana Bay, eine klare Empfehlung von uns!  Der einzige Nachteil ist die enorme Hitze, März ist angeblich der heißeste Monat des Jahres, es gibt keinen Wind und die Sonne brennt unbarmherzig, wir müssen uns also so schnell es geht einen Mietwagen besorgen und in die Berge fahren (dort soll es zwischen 5 und 15 Grad haben, wunderbar).

In Puerto Jimenez, auf der anderen Seite des Golfo Dulce, bekommen wir unser Mietauto, einen Toyota Allrad (eine Kategorie besser als gebucht, kein Aufpreis), der uns eine Woche durch Costa Rica begleiten wird. Die Tour wird wunderschön, es geht über fast 1600 km kreuz und quer durchs Land, über Stock und Stein, über Berge und durch Täler, von der Küste auf 3.500 Meter Seehöhe, über Schotterpisten, durch Flüsse und auf Vulkane. Der Costa Rica Ausflug hat einen eigenen Beitrag verdient, den reichen wir von Hawaii aus nach ?.

Zurück in Golfito machen wir die KALI MERA reiseklar, wir werden die lange Reise über den Pazifik von hier aus antreten. Tadeja macht die größte Gemüsebestellung die der kleine Grünzeug-Laden jemals hatte, mit dem Auto überfallen wir noch einen Supermarkt und füllen vor den fassungslosen Angestellten drei Einkaufswagen mit Lebensmitteln randvoll, dann kommen noch die üblichen Schiffs-Reparaturen an die Reihe (diesmal wird die Reling an einigen Stellen nachgeschweißt, die Antennenzuleitung für die Kurzwellen-Anlage ausgetauscht und alle Anschlüsse werden gereinigt, … trotzdem sind unsere Funk-Verbindungen alles andere als zuverlässig) und das Angel-Equipment ergänzt. Die KALI MERA sieht aus wie ein schwimmender Lebensmittel-Laden, mit größter Wahrscheinlichkeit werden wir zumindest nicht verhungern.

Die Reise nach Hawaii sind über 4.200 Seemeilen, der Wind sollte günstig sein, ca. 35 Tage werden wir wohl unterwegs sein, es kann aber auch etwas länger werden. Wir werden nicht die direkte Route nehmen sondern zuerst nach Norden fahren und erst dann, wenn der Wind stabil in die richtige Richtung weht, den Bug Richtung Hawaii wenden. Wenn wir Funkverbindungen haben dann gibt es Positionsreports, wir rechnen aber damit, dass diese irgendwann nicht mehr aktualisiert werden und wir uns dann erst aus Hawaii wieder melden.

Schönen Frühlingsbeginn allen in Europa, auch wir freuen uns nach dieser Affenhitze auf angenehmeres Klima draußen am Pazifik!

Pedregal

Pedregal ist der Hafen von David, der drittgrößten Stadt Panamas, ungefähr so groß wie Salzburg, die sich in einiger Entfernung vom Meer im Landesinneren befindet. Pedregal dagegen liegt, wie es sich für einen Hafen gehört, am Meer, zumindest in gewisser Weise. Wer dort aber ein Hafenbecken, eine Mole, Wellenbrecher, Leuchtturm etc. erwartet, der hat sich gründlich getäuscht. Auch Pedregal liegt im Landesinneren und ist durch ein Gewirr an Wasserstraßen erreichbar. Es gibt drei Einfahrten von offener See, jede mit ihren Eigenheiten. Die erste, große, nördliche, hat ein eine Sandbank davor auf der sich die Wellen brechen, sieht zwar auf der Karte schön aus, ist für uns jedoch unmöglich zu passieren. Die zweite, bei Boca Brava, hat auch vorgelagerte Sandbänke, deren Position sich immer wieder ändert, die Einfahrt ist nur für Mutige, so sagt man uns (ich würde nun sagen nur für Tollkühne, nachdem wir uns das angeschaut haben). Mutig sind wir nicht, also bleibt nur noch die Dritte, Boca Chica, dort gibt es aber neuerdings eine Hochspannungsleitung mit einer Durchfahrtshöhe von 18 Metern, unser Mast hat inklusive Antenne 18,70 Meter, also fährt auch da keine Kali Mera mehr durch. Immerhin gibt es bei Boca Chica noch vor der Stromleitung einen sicheren Ankerplatz, an dem wir unser Boot auch einmal einen Tag alleine lassen können um nach Pedregal auf anderem Weg zu gelangen – dorthin wollen wir nämlich, hier sitzen die Offiziellen, die uns die Ausreise aus Panama genehmigen werden: Immigration, Zoll und Hafenkapitän.  

Boca Chica und Pedregal

Nach Pedregal gibt es von Boca Chica aus Busverbindungen, kein Problem. Aber wir haben ein Dinghi, und warum nicht mit dem Dinghi einmal eine längere Reise machen? Also packen wir zusammen, betanken unseren Reservekanister, nehmen eine Flasche Wasser, unser Tablet mit den Seekarten, die Bootspapiere und den Leatherman mit, der ist bei Ausflügen meistens dabei.

Um 13:30 haben wir Termin bei der Immigration, um 14:30 ist Niederwasser, also müssen wir gegen die ablaufende Tide fahren, der Gegenstrom hat einige Knoten und mit Wind gegen Welle wird es etwas ruppig. Im ruhigen Wasser und mit leerem Magen läuft das Dinghi fast 20 Knoten, dennoch brauchen wir inklusive Tankstop fast drei Stunden bis wir am Ziel sind (es sind etwas mehr als 20 Meilen). Das Wasser ist trüb, man sieht schon bei 11 cm Wassertiefe zuverlässig keinen Grund mehr, die Seekarte ist ungenau und überall gibt es Sandbänke, die Navigation ist alles andere als einfach. Viele Stellen haben laut Seekarte noch 30 cm Wasser, aber das macht nichts, weil man sieht eh nicht wie tief es ist. Ich danke allen Göttern der Sümpfe und der gestrandeten Schiffe, dass unser Mast nicht 17,90 Meter hoch ist, eventuell wären wir – unserem Segelguide folgend – wirklich mit der Kali Mera in dieses Labyrinth hineingefahren, ein Albtraum. So sind wir wenigstens nur mit dem Dinghi High Speed auf eine (unsichtbare) Sandbank aufgelaufen. Ich habe Blasen auf den Fingern, Festhalten heißt es bei der Ruderpinne.

Die Landschaft ist ganz besonders, es erinnert uns an die Seenlandschaft Nordirlands ergänzt um Mangroven, sogar Kühe sieht man an den Berghängen weiden, sehr idyllisch. Aber die meiste Zeit können wir uns nicht auf die Schönheit der Natur um uns konzentrieren, mit der Karte in der Hand suchen wir unseren Weg durch das kaffebraune Wasser, im Blindflug und voller Hoffnung, dass die Karte einigermaßen stimmt. Immer wieder müssen wir einen Stop machen, weil Blätter die Ansaugung fürs Kühlwasser verlegen. Wenn neben uns plötzlich Delphine auftauchen, dann wissen wir, dass es sicher tief genug ist (zumindest neben uns, so ein Delphin hat auch nicht viel weniger Tiefgang als wir).

Physisch und psychisch beeinträchtigt kommen wir in Pedregal an, vertäuen unsere Gummi-Yacht in der Marina (so was gibt es hier tatsächlich, unglaublich, ob die Boote hier alle mit dem Hubschrauber eingeflogen wurden?) und erledigen die Formalitäten. Eineinhalb Stunden lang werden von den überaus freundlichen Beamten Zettel ausgefüllt, es wird gestempelt dass es eine Freude ist, dass unser Cruising Permit schon abgelaufen ist wird zwar angemerkt aber dann freundlich übersehen (500 USD Strafe kann da auch blühen) und wir erhalten alle Ausreisedokumente. Wegen der bekannt freundlichen Offiziellen haben wir uns ja auf den Weg nach Pedregal gemacht, im nächsten Port of Call sollen sie eher unangenehm sein, unsere Rechnung ist aufgegangen.

Nach einer kurzen Stärkung im Marina-Restaurant geht es wieder zurück nach Boca Chica, der Tank erhält frisches Benzin aus dem Reservekanister, und los geht es. Die Tide ist zwischenzeitlich gekentert, es gibt Niederwasser und die Strömung ist wieder gegen uns. Der Wasserstand ist nun noch mindestens einen Meter niedriger (es gibt fast vier Meter Tide in den Flüssen und Seen und dementsprechend starke Strömungen), aber Strömung und Wind kommen aus derselben Richtung, damit sind die Wellen weg. Flott geht es nun zurück, wir zischen durch die braune Suppe und hoffen inständig, dass wir nicht aufsitzen.  Einmal werden wir von der Küstenwache gestoppt, in Uniform und Kampfausrüstung, sie wollen unsere Schwimmwesten sehen, die sind anscheinend Pflicht, so wie bei uns der Sicherheitsgurt. Wir haben keine dabei und wie immer übernimmt Tadeja die Verhandlung mit den Respektspersonen, da schmelzen sie alle dahin und ich sage am besten nix, so auch diesmal. Auf unsere Versicherung hin, dass wir gut schwimmen können, dürfen wir weiterfahren.

Nach einer guten Stunde haben wir mehr als die Hälfte vom Rückweg geschafft, der Akku vom Tablet geht langsam zu Ende, die Sonne neigt sich dem Horizont zu, und um die Idylle nicht durch Lärm zu stören beschließt der Motor auszusetzen. Noch nie hat er uns im Stich gelassen, gerade jetzt, weit entfernt von jeder menschlichen Seele, mag er partout nicht mehr. Kaum ist es ruhig, kommen große Delphine zu uns, schwimmen um uns herum und machen Tadeja Mut. Vielleicht haben sie uns auch nur ausgelacht.

Ich mache mich an die Fehlersuche (habe immerhin den Leatherman als Universalwerkzeug dabei) und prüfe Schritt für Schritt die einzelnen Komponenten. Eigentlich müsste alles funktionieren, Benzin ist da, Zündung geht, Zündkerzen ok, Kühlung läuft, nur Anspringen will er nicht. Es könnte verunreinigtes Benzin sein, wir haben ja frisch getankt, vielleicht Wasser im Treibstoff? Ich entwässere den Vergaser, putze die Zündkerzen, schimpfe wie ein Rohrspatz und bitte den lieben Motor endlich anzuspringen.  Wie man in den Wald ruft so kommt es zurück, auf freundliche Worte reagiert er schließlich. Nix wird es anscheinend mit dem gemütlichen Übernachten im Dinghi in den Mangroven, nur wir zwei, der Mond, Krokodile und 10.000 blutdürstige Sandfliegen. Aber noch besteht Hoffnung, weil nach kurzer Zeit ist es wieder aus und vorbei mit der Motorisierung, diesmal spritzt Benzin aus dem Motor und er röchelt nur noch so dahin. Deckel abnehmen, die Bescherung sehen und meine paar verbliebenden Haare raufen, das hab ich nun zu tun. Ich habe die Benzinablassschraube nicht gut angezogen, sie hat sich gelöst und ist irgendwohin verschwunden. Wir suchen, wir finden, wir versuchen das Ding wieder anzuschrauben, sie fällt hinunter und versteckt sich wieder, wir suchen und holen sie wieder heraus, sie verschwindet wieder, dieses lustige Spiel spielen wir dann eine halbe Stunde bis die teuflische Schraube endlich dort sitzt, wo man sie auch wieder hineinschrauben kann. Unser Leatherman ist nicht unbedingt ein „feinmechanisches Werkzeug“ und den Platz für die Schraube hat sicher ein Designer gefunden, der sonst für Scheinwerfer der modernen Autos zuständig ist, bei denen man den Kühler demontieren muss, um die Glühbirnen zu wechseln.

Jedenfalls läuft „der Murl“ wieder, so ein sonores angenehmes Klingen eines Zweitakters, keine Spur von Lärm, eine Wohltat wenn man ihn hört und den Sandfliegen die lange Nase zeigen kann. Was gibt es schöneres als gesundes Motorengeräusch in der Wildnis? Zurück geht’s nun in maximalem Tempo, das Tablet hat nur noch ein paar Prozent Akku und wir schalten es nur mehr hin und wieder zur Kontrolle ein, hier verirrt man sich leicht.  Alles wird gut, pünktlich zum Sonnenuntergang sind wir nach über 80 km Dinghi-Fahrt am Ankerplatz, wir haben erfolgreich ausklariert, das Tablet hat 2% Restladung, der Motor schnurrt und ich bekomme ein kaltes Bier zur Erstversorgung und danach eine großartige Sundowner Cocktail – Komposition von Tadeja als Belohnung.

Morgen geht’s weiter, Schau ma mal…