„Yeah Man“, wir sind in der Karibik. „Yeah Man“ – so werden wir überall begrüßt, das ist hier die universelle Anrede, selbst eine hundertjährige Oma wird hier respektvoll so angesprochen „Yeah Man“! Wir sind in Charlotteville, einer kleinen bunten Ortschaft im Nordwesten von Tobago, es gibt einige kleine Geschäfte mit sehr begrenztem Sortiment, eine ständig ausverkaufte Tankstelle, eine Polizeistation, ein Krankenhaus, am Freitag einen kleinen Obst- und Gemüsemarkt und eine riesige klimatisierte öffentliche Bibliothek mit freiem WLan – dorthin zieht es uns regelmäßig um in Kontakt mit der Welt zu kommen.
Bei unseren „Streifzügen“ durch Charlotteville und die Umgebung sehen wir hübsche Häuser in allen Farben mit gepflegten Gärten, weiter oben in den Hügeln gibt es gediegene Guest-Houses, traumhafte Anwesen mit fantastischen Gärten und Blick über die Insel, mitten im grünen Paradies aus Palmen, Orchideen, Papageien, Philodendren und dem ganzen Grünzeug, das bei uns nur im Wohnzimmer und der Gärtnerei gedeiht. Mir haben es besonders die riesigen Bäume angetan, die man gar nicht mehr als „einen Baum“ bezeichnen kann, die ein ganzes Biotop mit einer Unzahl an Pflanzen sind, wie bei den Bremer Stadtmusikanten hockt ein Pflänzlein auf dem nächsten, der Esel ist der Baum und als Gockel putzen sich die Orchideen heraus, dazwischen hat noch ein handelsüblicher botanischer Garten Platz.
Bald lernen wir die anderen Yachties kennen, die französische BILBO und die englische TANTE POLLY (wie die Tante wirklich heisst kann ich mir einfach nicht merken, aber sehr sehr ähnlich wie Polly). Mit Kevin und Emily von der TANTE POLLY machen wir einen Ausflug zu „Little Tobago“, einer kleinen Insel im Osten von Tobago, ein Regenwald-Natur-Paradies. Der Fischer Philomeno bringt uns mit seinem Boot (Expect ‚D‘ Unexpected) dorthin, es wird eine nasse Fahrt durch hohe Wellen bei denen uns Philomeno demonstriert, dass er sowohl das Boot im Griff hat als auch absolut keine Angst vor nahem Felswänden und im Wasser auf uns wartenden Riff-Spitzen hat, ich umklammere mit einer Hand die Bootswand und übe mich – während mein bisheriges Leben vorüberzieht – in stiller Gelassenheit und innerer Einkehr (Yeah Man). Little Tobago ist ein grünes Paradies, wir wandern mehrere Stunden durch den Urwald, stolpern fast über riesige Einsiedlerkrebse, die sich mit Ihren Schneckenhäusern am Rücken als Bergsteiger versuchen und entdecken neben unserem Picknick-Platz nistende Seevögel, die bewegungslos wie Porzellan-Tiere aus einem Vorgarten im Unterholz sitzen. Wenn jemand noch einen Gartenzwerg in das Arrangement gesetzt hätte dann wäre der wahrscheinlich binnen Minuten auch zum Leben erwacht, eine solch grüne Lebenskraft ist hier spürbar.
Am nächsten Tag kommt Joe, ein anderer Fischer, im Gegensatz zu Philomeno als Rasta ein Antialkoholiker, vorbei und bringt uns die bestellten Lobster, allerdings müssen wir vier der stacheligen Monster nehmen und nicht nur die zwei die wir eigentlich haben wollten, Joe bringt dafür gute Gründe vor, nämlich „you take four“. Wir verspeisen zwei davon selbst und zwei weitere verschenken wir an die BILBO Crew, die uns dann am Abend auf Lobster einlädt… . Tadeja hat sich ein indisches „Curry-Kochbuch“ von Emily ausgeliehen und zieht sich damit zur Vorfreude des Kapitäns zum Experimentieren in die Kombüse zurück, mit großartigen Resultaten. Nachdem wir uns schon seit Wochen von Fisch ernähren muss nun endlich etwas anderes auf den Speiseplan, wir haben uns vom gegrillten und gebratenen Fisch schon etwas abgegessen, also gibt es nun – Überraschung – Fischcurry, indisch-kreolische Fischsuppe, Lobster, und Mais mit Thunfisch, ganz neue Geschmacks-Explosionen halten mich gefangen. Fast jeden Tag backen wir frisches Brot, auch hier werden wir immer fantasievoller (Weckerl, Müslibrot, Zwiebelbrot, Olivenbrot, nur Brot …), und ich liebe es in der Früh das Frühstück herzurichten und dabei ganz frisches Backwerk aus eigener Werkstatt zu präsentieren.
Nicht weit von der KALI MERA lugt ein Riff aus dem Wasser, mit Schwimmbrille ausgerüstet entdecken wir dort die Unterwasserwelt, wenn die Sonne scheint leuchten die Korallen in einer so bunten Farbenpracht dass es eine Freude ist, und die Fische wollen die Korallen in ihrer Buntheit noch übertrumpfen, eine nasse Regenbogenparade. Schwärme von Riff-Fischen umgeben uns und eine Wasserschildkröte macht kurz ihre Aufwartung. Ich versuche Kontakt mit einem der vorlauteren bunten Bewohnern aufzunehmen und strecke ihm – wie seinerzeit E.T. – den Zeigefinger entgegen, und siehe da, der kleine freche Lauser kommt wirklich näher, fixiert meinen wartenden Finger und … beißt blitzschnell hinein. Ich bin perplex, – mein Bild über die bisher gelebte Rollenverteilung kommt plötzlich gehörig ins Wanken.
Unter unserem Schiff haben sich zwischenzeitlich einige Flossenträger angesiedelt, mehrere große Pilotfische haben die KALI MERA zur neuen Heimat erklärt und beschlossen, diese nicht mehr zu verlassen. Wenn wir ins Wasser steigen dann kommen sie kurz her, schauen sie uns neugierig an, und schwimmen dann wieder an ihren Platz. Ich kann mir lebhaft vorstellen wie sie da unten das gleiche über uns sagen… Sobald wir unseren Bio-Müll über Board entsorgen sind sie hier und sorgen für restlose Verwertung.
Am Fischerkai gibt es einen Wasserhahn mit gutem frischen Wasser, mit Kanistern und dem Dinghi bringe ich 700 Liter Wasser zur KALI MERA um den Tank aufzufüllen, ausreichend sportliche Betätigung für einen Tag, einige Tage später gibt es dann sogar Diesel in der Tankstelle der Fischer-Vereinigung und ich schleppe nochmals Kanister, bei einem Preis von 20 cent pro Liter macht das aber richtig Freude…
Der Strand vor der KALI MERA ist kitschig wie aus einem Bilderbuch, unter dem grünen Blätterdach der Urwaldriesen wächst bunter Croton, Palmen geben dem Stilleben noch einen weiteren exotischen Feinschliff und goldener Sand reicht ins türkise Wasser. Pelikane sitzen als stille Beobachter knapp über dem Wasser auf den Riffspitzen, hin und wieder begeben sie sich auf einen Aufklärungsflug über die Bucht um dann plötzlich einen Sturzflug ins Wasser zu machen, der mit einem ziemlich uneleganten gewaltigen Platsch endet. Das Wasser ist mit 26 Grad kühler als erwartet aber wunderbar zum Baden, auch die Lufttemperatur ist überaus angenehm, kühl zum Schlafen und genau passend warm tagsüber. Wintertemperaturen halt. Wir nutzen die Badewanne um unser Schiff ausgiebig und beschließen noch ein paar Tage hier in Charlotteville zu bleiben, beim berühmten Karneval von Tobago, der am kommenden Montag stattfindet, mitzumachen und den Rest der Insel zu erkunden. Dann werden wir der ZIG ZAG nach Nord-Westen folgen um uns dort in den Grenadinen mit unseren Freunden zu treffen.
Yeah Man! Yeah Man!
Hallo ihr Lieben!
Eure Reiseberichte zu lesen und die prachtvollen Fotos zu betrachten ist spannender und schöner als jedes Fernseh- oder Leseprogramm! Wir genießen hier im trüben, winterlichen Aich/Dob mit euch und freuen uns unsagbar über euren verwirklichten Traum….
Es ist auf den Fotos ja wirklich alles paradiesisch anzusehen in der Karibik- den Rest malt die Fantasie- und wir freuen uns, dass ihr weit weg von den alltäglichen Schreckensmeldungen- vom Rest der Welt- seid und genießen dürft……
Dass wir fast zeitgleich „Land in Sicht!“ gerufen haben – ihr vor Ort und ich um Mitternacht vor dem PC-, freut mich als eure tägliche Begleiterin via PC schon sehr und dass ich noch Charlotteville zum Ankern ausgesucht habe, obwohl ich keine Ahnung von den Entfernungen habe bzw. hatte und schon gar nicht wusste, welchen Ankerplatz ihr anpeilt, noch mehr! Ein Beweis dafür, dass ich euch “ auf den Fersen“ war als schützende Begleiterin im Universum…. 🙂
Genießt jeden Augenblick!
Liebe Grüße und lasst euch umarmen!
Irena und Hermann