Wir – die ZIG-ZAG (www.zig-zag-um-die-welt.de) und KALI-MERA Crew – fahren mit der antiken Inselfähre von Mindelo nach Porto Novo in Santo Antao, Wandertage sind angesagt. Das Schiff stammt wahrscheinlich ursprünglich noch aus der Zeit der Wikinger, wurde später als Galeere aus Altersgründen außer Dienst gestellt und dann im Rahmen eines Entwicklungshilfe-Projekts teuer auf die Kap-Verden verkauft, hier mit Hilfe von Weltraumschrott motorisiert und nun als Personenfähre in Betrieb genommen. Es ist stürmisch, eine aufmerskame Dame aus der Crew verteilt kleine rosarote Plastik-Sackerl, kurz später wissen wir wozu – mit viel Hingabe entledigen sich die Passagiere ihres Frühstücks. Wir halten uns in Luv und genießen die Überfahrt.
Wir haben diesmal nichts vorbereitet und sind einfach ins Blaue drauflos gefahren, bei Heinz von KIKAM haben wir uns für zwei Tage abgemeldet, er wirft (symbolisch gesprochen) ein Auge auf unsere Schiffe. In Porto Novo angekommen werden wir sofort von allen Seiten angesprochen – „you need Taxi Driver Mister, very good, hotel, sightseeing“, aber nix da, wir organisieren uns das selber. Freundlich aber mit Nachdruck schicken wir alle weg und suchen ein Kaffeehaus mit Internet, da wollen wir dann die Details recherchieren und buchen. Dummerweise finden wir kein Kaffehaus und WiFi erst recht nicht, aber einer der hartnäckigsten Taxi-Driver ist uns gefolgt (have Minibus, you need Taxi, you need coffee-bar) und zeigt uns wo wir uns hinsetzen können. Er setzt sich freundlicherweise gleich zu uns, auch wenn uns das gar nicht so recht ist. Mit unserem Handy und der kapverdischen SIM finden wir dann doch ein Hotel das nett klingt und gut gelegen ist, wir brauchen nun nur noch ein Taxi. Auf keinen Fall wollen Tadeja und Georg mit dem Typen fahren, der uns mit seiner hartnäckigen Hilfsbereitschaft schon auf die Nerven geht („sicher nicht mit ihm“), aber wie es das Schicksal so will sind zwischenzeitlich alle anderen Taxis weg. „Sicher nicht“ hin, „sicher nicht“ her, wir sitzen in der Falle und nehmen die schon abgebrochenen diplomatischen Beziehungen wieder auf. Vanderlei (so heißt unser zukünftiger Privatchauffeur) entpuppt sich in der Folge als liebenswerter Guide und angenehmer Fahrer, letztendlich ein richtiger Glücksgriff. Er ist Wanderführer, und wenn er da keinen Job hat dann fährt er Taxi mit dem Minibus von seinem Onkel. Die Polsterung des gepflegten Toyota ist frisch mit leuchtend-orangem Leder bezogenen (hat er selbst in der vergangenen Nacht fertiggestellt, wir sind die ersten die drauf sitzen) und so fahren wir mit dem „Knall-Orangen-Autobus“ über die alte kopfsteingepflasterte Straße, die sich von einem atemberaubenden Ausblick zum nächsten durchs Gebirge windet, zum Hotel und Vanderlei bleibt unser motorisierter Begleiter für drei Tage. Das Hotel ist hübsch, sauber und günstig, die Bewirtung überaus freundlich, alles läuft noch besser als erhofft.
Noch am selben Nachmittag machen wir die erste (von Vanderlei empfohlene) Wanderung durch eine unglaublich schöne Landschaft, faszinierend, großartig. Es ist so, als hätte man die stolzen Tiroler Berge nach Tibet geschickt, ihnen dort einen ordentlichen Terrassen-Haarschnitt verpasst und sie dann nach tausend Jahren der Medidation geläutert und gereinigt von sämtlichen Almhütten und anderen der Tourismus-Zunft gewidmeten Tempeln als Einsiedler in den Atlantik geworfen um dort in Bescheidenheit und Kontemplation zu reifen.
Am nächsten Tag holt uns Vanderlei pünktlich ab, und Tadeja und ich werden im Gebirge ausgesetzt, mit einer kleinen Hand-Skizze als Wanderkarte, Irene, Georg und die Kids Mia und Noa werden zum Strand geführt. Treffpunkt ist fünf Stunden später, Vanderlei wird uns irgendwo aufklauben. Die Wanderung, die er für uns ausgesucht hat, ist von so großer Schönheit, dass dies schwer zu beschreiben ist, uns fehlen die Superlative, jedenfalls ist es eine der beeindruckendsten Landschaften, die wir jemals gesehen haben. Tadeja bringt es auf den Punkt als sie sagt, es sei „so schön dass es schmerzt und man beim Anblick dieser überwältigenden Schönheit der Mutter Erde auf die Knie sinken möchte“. Wir denken an Tina und Markus, unsere Berg-begeisterten Wiener Freunde, die hier wahrscheinlich rund um die Uhr highspeed einen Gipfelsieg nach dem anderen davontragen würden und wohl nicht mehr aufhören könnten…
Der Abend bringt ein nettes Fischessen in einem Lokal, das extra für uns eine Stunde früher aufsperrt – die Kinder sind hungrig (und die Großen hundemüde) und dann wird neun Stunden durchgeschlafen, der Tag war anstrengender als gedacht. Am nächsten Tag werden wir dann zum Krater geführt, diesmal wird steil abwärts gewandert, von 1300 Meter Seehöhe hinunter Richtung Meer. Wir starten in einer wolkenverhangenen Almlandschaft, schrauben uns auf einem steilen Weg hinunter ins Tal, durch Kaffeeplantagen, Bananenstauden, Zuckerrohr und allerlei Blumen und Gemüse, alles ist terrassiert, wird bewässert und händisch bearbeitet. Der Nord-Ostteil der gebirgigen, schroffen und zerklüfteten Insel wurde über Jahrhunderte fast vollständig zu einer Terrassenlandschaft umgestaltet, es muss unvorstellbar mühevoll gewesen sein dieses Wunderwerk zu schaffen und ich bewundere den Fleiß der Menschen, die ohne Maschinen und mit einfachsten Geräten (und ich tendiere dazu hier eine Schaufel schon als Maschine durchgehen zu lassen) die dem Berg abgerungenen Quadratmeter bebauen und pflegen. Die hohen Vulkan-Berge „melken die Wolken“, jeden Tag „regnet“ es hier und der Wasserreichtum taucht alles in üppiges Grün. Nach der Mondlandschaft von Sal und Sao Vincente ist Santo Antao das reinste Paradies.
Nach einem Mittagessen (natürlich Bohneneintopf, das dürfte auf den Kapverden das Standardgericht sein, zusätzlich zu den Bohnen kommt wohl ganz frisch das hinein, was gerade ohne links- und rechts zu schauen die Strasse überquert hat, diesmal sieht es nach Hühnchen aus), das wir an der Straße in einem Lokal, das hauptsächlich aus zwei ausgemusterten Bau-Containern und ein paar Plastik-Tische und -Sessel besteht, einnehmen (Vanderlei bringt uns dort hin weil es eine Espresso-Maschine gibt – Tadeja braucht nämlich einerseits regelmäßig Kaffee, kann aber andererseits den überall erhältlichen Filterkaffee nicht trinken, weil der ein barbarisches Gesöff und als Ersatzdroge untauglich sei – und eine Espresso-Maschine ist in Lokalen eine Rarität), werden wir zurück nach Porto Novo zur Fähre gefahren. Wir geben den Betrag, den wir am Anfang nach zähen Feilschen als Rabatt herausverhandelt haben, als Trinkgeld und verlassen einen hochzufriedenen Vanderlei und reisen – immer noch benommen von den Natureindrücken – nach Mindelo zurück.
Die Rückreise (immer noch stürmisch) erfolgt in einem großen und neuen Schiff (alles ist relativ, die deutschen Beschriftungen weisen auf ein Vorleben in höheren Breiten hin), Georg und ich stolzieren wichtig übers Deck und inspizieren alles im Detail, alles ist in Ordnung und sogar die Rettungsinseln sind nicht abgelaufen, es ist gar kein Abenteuer, nicht einmal Plastiksackerl werden ausgeteilt, wir landen ohne Zwischenfälle in Mindelo.
Trotz der acht Windstärken, mit denen es in der Nacht zuvor am Ankerplatz in Mindelo gekachelt hat, warten unsere Schiffe noch brav am Ankerplatz und wir starten drei Tage später nach einer finalen Obst- und Gemüse-Verproviantierungsorgie gemeinsam unsere Atlantik-Querung.
Ein bisschen spät, mein kommentar zum artikel von 2015. aber habt Ihr gesehen, was auf den Speibsackerln der Fähre nach antao aufgedruckt ist? Ich hab mich fast totgelacht: “ für eine umweltbewusste Republik Cabo verde: wir bitten Sie, das plastiksackerl wiederzuverwenden“
Das nenn ich ressoucenschonend!
Liebe Grete, Ihr seid also schon drüben auf der Insel. Die Fähre hat es in sich, und ich kann mir gut vorstellen das die Sackerl gut in Verwendung sind, als wir dort waren haben wir da einige Nutzer gehört. Grüßt mir die wunderschönen Berge dort, unbedingt den Wanderweg vom Krater ins Tal machen, und – noch wichtiger – die Wanderungen in der Grenzgegend von Ribeira Grande / Porto Novo machen, durch die Berge nach Norden hinauf/hinunter zum Meer, traumhaft … alles Liebe, Tadeja und Herbert