Teneriffa (noch immer)

Vor fast drei Wochen ist Tadeja nach Slowenien heimgeflogen, es war nicht für so lange Zeit geplant aber sie kann noch immer nicht zurück aufs Schiff, also bin ich weiterhin „Strohwitwer“. Seit Mai sind wir das erste Mal getrennt und es freut und ganz und gar nicht. Auch mich verschont das Schicksal nicht, vor zwei Wochen musste ich kurzfristig nach Österreich zurück, mein geliebtes Pferd Kiralyfi, seit 13 Jahren Freund und Begleiter auf vielen Wanderungen, hatte eine Kolik, und ich wollte mein Möglichstes zur Genesung beitragen, als ich am Flughafen Wien ankam war er jedoch schon tot. Zurück am Schiff habe ich mich – um auf andere Gedanken zu kommen – dem Abarbeiten meiner ToDo Liste gewidmet und die KALI MERA in technischen und optischen Top-Zustand versetzt.

Auch sonst war einiges zu erledigen, Gelbfieber impfen, Versicherung fürs Schiff abschließen, mich um Finanzamt und den Betrieb zu kümmern. Bei so Herkulesaufgaben wie eine Impfung organisieren oder – noch schlimmer – bei der Feinkostabteilung anstehen – darf man es hier nicht eilig haben, eine den Bewohnern eingebaute Gemütlichkeit verhindert zu schnelle Bewegungen und stellt sicher, dass kein Stress aufkommt. Wenn man – so wie ich – auf Englisch angewiesen ist und nur „Danke, die Rechnung bitte und Prost“ auf Spanisch sagen kann, dann versteht man, warum der Turmbau zu Babel nicht funktioniert hat. Wahrscheinlich haben dort Spanier mit Engländern zusammengearbeitet und diese Mischung gibt eine derart interessante Missverständnis-Basis ab dass komplexe Vorhaben gar nicht funktionieren können. In den Geschäften zieht man, genauso wie in den Krankenhäusern (ja, so eines habe ich mit Grauen auf der Suche nach der Impfung besucht) Zettel mit Nummern aus einem kleinen Kästchen und dann wartet man geduldig bis seine Nummer auf einer riesigen Anzeigetafel auftaucht. Hat man bei der Feinkostabteilung am Samstag eine ehrwürdige spanische Matrone vor sich, die es sich zum Ziel gemacht hat, von fast allen der unendlichen Anzahl an verschiedenen Jamons und Salamis und Schafs- und Ziegenkäsen eine ganz kleine Portion zu bestellen, dann wird man Zeuge eines schier unglaublichen Schauspiels: jeder einzelne riesige Schinken wird von der ganzen Folie, in der er eingewickelt ist, befreit und dann werden einige Scheiben abgeschnitten, der ganze Schinken neu in frische Folie verpackt und umständlich wieder weggeräumt. Das Ganze geht mit größter Gemütlichkeit vor sich und zwischendurch wird gescherzt und geplaudert. Am liebsten hätte ich bei jedem Teil laut gerufen „nicht wegräumen, ich nehm das dann auch“, nur damit es etwas schneller geht, aber das wäre wieder nur mit Englisch und einem nachfolgenden Chaos verbunden gewesen. Also habe ich eine neue Taktik entwickelt, ich halte vor dem Einkaufen nach gefährlichen Feinkosteinkäuferinnen Ausschau, zische dann, wenn der Weg frei ist, auf dem kürzesten Weg zur Feinkostabteilung, nehme sofort eine Nummer und mach dann in aller Ruhe den Weineinkauf… . Im Krankenhaus funktioniert das mit der Nummer übrigens ähnlich, nur dass dort die Geschwindigkeit des Herrns beim Empfang genau mit der Behandlungs-Geschwindigkeit der Ärzte gekoppelt ist, immer wenn ein Arzt auftaucht und einen neuen Patienten mitnimmt, wird bei der Anmeldung eine neue Nummer aufgerufen, man wartet also nicht auf die Behandlung selbst sondern nur bei der Aufnahme. Im Krankenhaus bekomme ich auf einen riesigen Zettel in Monsterbuchstaben eine Adresse aufgeschrieben – dorthin müsste ich gehen, dort würde man mich impfen. Die ganze Kommunikation ist über das Handy gelaufen, ich tippe die Worte in Google-Translate ein und halte sie dann meinem Gesprächspartner unter die Nase, Vorlesen habe ich mangels Erfolg aufgegeben. Mit dem Zettel in der Hand (das Impfzentrum ist angeblich ca. 200 Meter in irgendeine Richtung entfernt) wandere ich dann von einer Station zur anderen und lege einige Kilometer zurück. Jeder, den ich frage, gibt mir bereitwillig und freundlich Auskunft, aber in der Zwischenzeit kann ich schon in den Gesichtern lesen ob sie mich verstanden haben, vor lauter Hilfsbereitschaft schicken sie mich nämlich auch dann noch in irgendeine (falsche) Richtung, wenn ich unmittelbar vor dem Ziel stehe. Nachdem aber alle Menschen hier so hilfsbereit und freundlich sind kann man niemanden böse sein, um mich zu beruhigen gehe ich einfach in den nächsten Feinkostladen und bestelle mir von allen Köstlichkeiten ein ganz kleines Stück…

Die nächste Station auf unserem Reiseplan sind die Kapverden, eine Inselgruppe etwa 900 Meilen (1.700km) weiter im Süden. Die Überfahrt ist für sechs bis acht Tage angesetzt, es müssen also ausreichend Lebensmittel an Board, und nachdem die Kapverden nicht gerade für gut sortierte Supermärkte bekannt sind und der Kapitän gerne fein speist wird gleich alles mitgebunkert, was wir dann auf der weiteren Überfahrt nach Brasilien oder in die Karibik (so genau wissen wir das ja noch nicht) brauchen werden. Tadeja kann erst auf den Kapverden wieder zur KALI MERA kommen, ich nehme also zwei junge französische Backpackerinnen, die auf der Suche nach einer Mitfahrgelegenheit sind, an Board um die Reise nicht alleine machen zu müssen. Zu dritt marschieren wir wie eine moderne Kamelkarawane mit den Einkaufswägen durch den Carrefour, beladen mit schieren Unmengen an Lebensmitteln, so als wäre auf den Kapverden eine Hungersnot ausgebrochen und wir seien alleine für die Hilfslieferungen verantwortlich. Eigentlich habe ich mir vorgestellt, dass der Filialleiter persönlich zur Kasse kommen wird, mich eigenhändig als Top-Kunde auszeichnet und für ein paar Pressefotos posiert, immerhin haben wir den halben Großmarkt leergekauft, aber man ist dort anscheinend an atlantik-überquerungswillige Schiffsbesatzungen gewöhnt und findet das ganz normal, immerhin wird alles gerne zum Schiff geliefert. Die KALI MERA wird nun zum Transporter umgebaut, es ist unglaublich was da alles Platz haben muss und auch hat, ein Regatta-Segler sind wir nun endgültig nicht mehr.

Heute Abend habe ich wieder Bill und Judy von BEBE getroffen, sie sind nun auch auf Teneriffa angekommen und liegen wieder zwei Boote neben uns, morgen gibt es noch ein gemeinsames Abendessen und dann werden wir uns wohl erst nächstes Jahr irgendwo in der Karibik sehen…

Teneriffa, Marina - Blick von der KALI MERA
Teneriffa, Marina – Blick von der KALI MERA

7 Antworten auf „Teneriffa (noch immer)“

  1. Liebe Beide!
    Ich verfolge eure Reise regelmäßig und mit großer Freude.
    Wunderschöne Bilder und humorvolle Kommentare.
    Und abgehen tust du mir schon. Günter

  2. Hallo Herbert,
    Dein Pferdeverlust tut mir Leid. Ich weiß, dass Du eine sehr enge Beziehung zu Kiralyfi hattest.
    Und ich hoffe, Tadeja hat keine besonderen Schwierigkeiten in Österreich. Dir wünsche ich Mast- und Schotbruch für die nächste Etappe!
    Liebe Grüße,
    Helmut

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