Es läuft nicht rund

Es läuft nicht rund! „Es“ ist unser Motor, Volvo MD22, eigentlich ein Perkins Prima M50, aber grün lackiert.  Schon bei der Ankunft in der Bahia de los Muertos hat er uns im Stich gelassen – in der Nacht, als wir unter Maschine in die Bucht einlaufen und er beschlossen hat, sich ohne „Motor-Aus-Kommando“ einfach abzuschalten. Er springt dann auch nicht wieder an, ein klarer Fall von Meuterei, das hatten wir noch nie!  Sofort lassen wir den Anker fallen, zwischen den anderen Booten, der Platz passt perfekt und wir fahren unser ruhigstes Ankermanöver seit 15.000 Seemeilen, fast lautlos.

Zwei Nachtfahrten liegen hinter uns, ich habe fast nicht geschlafen und mich auf die Koje gefreut und dann das. Ein sofortiger Reparaturversuch wird gestartet, ich weiß, dass ich nun sowieso nicht einschlafen kann. Es kann nur an der Treibstoffversorgung liegen, aber alles schaut ok aus. Ich tausche die Dieselfilter, entlüfte den Motor, versuche zu starten – aber im Gegensatz zu mir schläft der Motor tief und fest. Eventuell die Dieselpumpe? Da habe ich sogar eine in Reserve, ich baue sie ein, entlüfte und starte nochmals, aber weiterhin wird die stille „Bucht der Toten“ nicht von Motorlärm gestört. Entnervt gebe ich noch einmal Vollgas, noch ein Startversuch – und er springt an. Er funktioniert! Unser Motor läuft, er war nur müde, jetzt ist er wach!

Ich bin sehr mit mir zufrieden, anscheinend wird noch ein echter Mechaniker aus mir, ich habe den Fehler gefunden, die Dieselpumpe getauscht, Nerven bewahrt, Gas gegeben und alles repariert. Adieu Bucht der Toten, weiter geht’s zurück ins Seglerleben!

Zwei Wochen lang läuft der „Murl“ ohne irgendwelche Macken, er freut sich wohl über die neue Dieselpumpe. Aber dann, wir wollen Anker auf gehen, der Motor springt sofort an – und geht dann wieder aus. Ich habe keine weitere Pumpe mehr , also versuch ich es sofort mit Starten bei Vollgas – und er läuft, als ob nichts gewesen wäre.

Anscheinend werden sich in einer langen Beziehung nicht nur Hunde und Ihre Menschen immer ähnlicher, vielleicht ist es auch mit dem Boot so? Ich brauch Kaffee, er braucht Vollgas in der Früh!

Und weitere zwei Wochen verbringen wir, Tadeja, der Motor und ich, in großer Harmonie. Und wie bei jedem Segel-Urlaub kommt irgendwann der Tag, an dem die Rückreise beginnt. Motor starten, Anker auf, Segel setzen, heimwärts geht’s. Bei der Seelöwen-Kolonie machen wir einen kurzen Anker-Stop zum Schnorcheln mit den possierlichen Tieren, und zurück an Board beginnt das alte Spiel von Neuem.  Ich starte, der Motor schläft. Nicht einmal Vollgas kann ihn aufwecken, und diesmal ist es wirklich unangenehm, wir bräuchten den Motor dringend, noch ist ja ruhiges Wetter, aber bei der Abend-Brise wird der Ankerplatz unhaltbar werden, wir liegen dann auf Legerwall.  Wir müssen also hier weg, gehen unter Segel Anker-Auf und kreuzen uns bei zwei Knoten Wind von den Riffen frei. 

Dann beratschlagen wir wohin es nun weiter gehen soll, wir checken den Wetterbericht und entscheiden dann nach La Paz zu segeln, auch wenn die Bedingungen dazu alles andere als günstig sind. Aber in La Paz gibt es Rob, einen Mechaniker mit gutem Ruf.

Der Wetterbericht stimmt, zuerst haben wir für einige Stunden 2-5 Knoten achterlichen Wind, aber mit dem riesigen Parasailor rauschen wir mit beeindruckenden 1-3 Knoten Fahrt La Paz entgegen. Dann hört der Wind völlig auf und wir treiben mit beinahe der gleichen Geschwindigkeit wieder dorthin von wo wir hergekommen sind, bis der „richtige Wind“ losgeht, halt von der falschen Richtung. Mit Einsetzen der Dunkelheit kommt eine steife Brise auf und wir kreuzen bei viel Wind die ganze Nacht Richtung La Paz, laufen teilweise mit Rumpfgeschwindigkeit, wieder einmal gibt es keinen Schlaf. Bei Sonnenaufgang kommen wir an, den ausgebaggerten Kanal zur Stadt können wir ohne Motor nicht benutzen, also ankern wir weit draußen, bei den Superyachten, ein einsames kleines Segelboot zwischen den schwimmenden Villen der Milliardäre.

Wir kontaktieren Rob, Rob hat aber aktuell keine Zeit. Und dann machen wir das, wofür ich mir seitdem schon 17-mal versucht habe, in den Hintern zu beißen.  Wir kontaktieren einen anderen Mechaniker und dieser hat sofort Zeit für uns (alleine das hätte uns schon stutzig machen sollen). Ich hole den Meisterschrauber und seinen Adlatus mit dem Dingi von der Luxus-Marina ab, kaum ist er am Boot verschwindet er im Motorraum und beginnt mit der Analyse. Diese besteht hauptsächlich darin, dass er alles aufschraubt was er in die Finger kriegt, der Diesel spritzt gleich so aus allen Leitungen, zwischendurch bekomme ich immer wieder Kommandos, den Motor zu starten. Länger starten, noch länger draufbleiben! Alles in mir sträubt sich, am liebsten würde ich ihn zurückbeamen zur Marina, aber er ist immerhin Mechaniker, und ich kann nur Dieselpumpen tauschen. Bis es plötzlich eine kleine Explosion gibt und der Motorraum voller Rauch ist, und dann geht gar nichts mehr. Er hat es doch tatsächlich geschafft, den Motor trotz abgesperrten Seeventil mit Salzwasser zu fluten und einen Wasserschlag zu verursachen! Meine „Diesel-Motoren-Ratgeber-Bücher“ an Board sind alle der gleichen Meinung, dass das so ziemlich das Schlimmste ist, was man einem Motor antun kann.  Meine Verzweiflung wächst, quasi im Gleichschritt mit den spanischen Flüchen aus dem Motorraum, die immer häufiger und wohl auch deftiger werden. Jede Schraube scheint nun ihren eigenen stillen Widerstand zu leisten. Jetzt ist Schadensbegrenzung angesagt, er baut die Injektoren aus, entfernt das Wasser aus dem Motor – immerhin spritzt sie ihm dabei zweimal ordentlich ins Gesicht, die grauslige Brühe! Sein Sklave muss diese kosten und sagt dann fast genießerhaft „Salzwasser“ (hätte er noch „Jahrgang 2023“ dazu gesagt dann hätte ich ihn wahrscheinlich mitsamt seinem Chef über Board geworfen). Dann wird alles husch-pfusch zusammengebaut (nicht einmal alle Beilagscheiben waren mehr auffindbar in dem Durcheinander, das sie verursacht haben), und schließlich und endlich wird meine anfängliche Vermutung bestätigt: Die Einspritzpumpe arbeitet nicht richtig. Das hätten wir auch ohne das restliche desaströse Werk feststellen können! Ich bin nur noch froh die beiden möglichst schnell vom Boot weg zu haben, zahle sogar ohne Murren, Hauptsache ich sehe sie nie wieder.

Zwischenzeitlich hat sich Rob gemeldet, dem ich die Tragödie per WhatsApp geschildert habe. Er wird sich das ansehen. Als erste Hilfe Maßnahme gibt er uns einen Reinigungs-Spray, den wir in die Zylinder spritzen sollen, um Korrosion und weitere Schäden nach Möglichkeit zu vermeiden. Heute war Rob dann bei uns am Boot, hat mit wenigen Tests festgestellt, dass die Einspritzpumpe nicht richtig arbeitet, hat diese mit den Injektoren ausgebaut und alles zum Reparieren/Servicieren zum Spezialisten gebracht. Ohne Feuerwerk und Wet-Diesel-T-Shirt-Party, ganz unspektakulär. Was sonst noch alles kaputt gemacht wurde, wissen wir noch nicht. Rob ist nett und kompetent, er findet eine Balance zwischen Realität und Hoffnung und sagt, dass der Motor eventuell wieder wird, wir werden sehen. Stück für Stück.  Wie lange es dauert, wissen wir nicht, aber unseren Rückflug nach Österreich haben wir schon verschoben, da brauchen wir wenigstens auch nicht nervös werden, wenn wir lesen, dass derzeit wegen dem Ausbruch des Popocatepetls in Mexiko-City der Flughafen gesperrt ist…

PS: Tadeja hat bei diesem Blogbeitrag gnadenlose Qualitätssicherung gemacht, im ersten Feedback sind die Worte „stümperhaft“ und „Kleinkindergeschreibsel“ vorgekommen. Die Frustrationsschwelle scheint ein klein wenig gesunken zu sein. Der Beitrag wird daher ohne weitere Kontrolle veröffentlicht😊.