von Costa Rica nach Mexiko

Ganz im Norden von Costa Rica, in der großen Bucht Santa Elena, die sich tief ins Land hinein ausdehnt, da liegen wir vor Anker und warten. Warten, bis die Papagayos, die uns hier erwischt haben, wieder verschwinden. Die Papagayos – das ist nicht etwas das man morgens mit Joghurt zum Frühstück verspeist um eine Unterlage für den Kaffee zu erhalten, es sind auch keine tropischen Fische und auch nicht die kreischenden bunten Vögel, die in den Bäumen über uns hocken und einen mordsmäßigen Lärm machen, nein, die Papagayos sind ein Wetterphänomen, dem die Segler der mittelamerikanischen Pazifik-Küste mit enormen Respekt begegnen. Heimtückische Fallwinde sind es, wenn der Passat in der Westkaribik in Mittelamerika an Land trifft und nicht mehr genau weiß wo er weiter hinsoll, dann sucht er sich, völlig verärgert wegen dem plötzlichen Widerstand, seinen Weg durch die hohen Berge Costa Ricas und  Nicaraguas. Kaum hat er dann die Schneise gefunden, durch die er sich zum Pazifik durchzwängen kann, lässt er seine Wut an den paar Unglücklichen aus, die hier unbedingt mit dem Boot herumfahren müssen.  Und hier in Santa Helena sitzen wir nun und warten, dass die mörderischen Böen aufhören und wir wieder weiter nach Norden aufbrechen können.  Vor einem Tag haben wir Playa del Coco noch frühmorgens bei einem lauen Lüfterl verlassen (ist doch nur alles aufgeregtes Gerede das mit den Papagayos…), doch mitten im Golf hat uns der Wind dann unbarmherzig zur Rede gestellt, vor dem Cabo Santa Elena (Segelguide: „do not try to pass Cabo St. Elena when Papagayos are blowing,…“) müssen wir ein wenig Rast machen (es gibt da mit „West-Point“ eine kleine Stelle an der man relativ ruhig ankern kann um den Sturm auszusitzen), dann geht es um das Kap und direkt gegen den Wind unter Maschine die 12 Meilen in die Bucht, in der wir dann festsitzen. Die Böen haben bis zu 40 Knoten, Tendenz steigend, aber ohne Wellen in der malerischen Bucht vor Anker zu liegen ist gar nicht so schlimm, was man von der Umrundung des Kaps nicht behaupten kann.

Zum Wohlbefinden während der Fahrt hat nicht beigetragen, dass ich regelmäßig in den Motorraum turnen darf, Filter prüfen, hin und wieder etwas Wasser ablassen (aus dem Wasserabscheider, nicht aus mir) damit ich nicht ständig daran denken muss, dass genau jetzt der Motor ausfallen wird, ersäuft durch Wasser im Diesel und wir dann, wenn es uns Monate später stark abgemagert an die japanische Küste treibt, ein dortiges Fabrikat neu einbauen müssen. Wer will denn schon einen nagelneuen Yanmar. Aber alles war ok, trotz der Bocksprünge, die unsere Kali Mera macht, bleibt der Diesel bis nach Santa Elena fast wasser-frei, nur schmutzig ist er weiterhin, eine komplette Tankreinigung ist unausweichlich. Wir planen das in der Marina Chiapas, unserem Einklarierungshafen in Mexiko, machen zu lassen. Dass Herr Amel in den Edelstahl-Tank keine Wartungsluke eingebaut hat, durch die man das Zeugs komfortabel entfernen kann, ist mir völlig unverständlich, erst bei späteren Baujahren des Schwesternschiffes „Super Maramu“ wurde dieser Bug behoben.

Wir fühlen uns sehr wohl mit der Entscheidung die Pazifik-Querung etwas aufzuschieben und vorher noch Mexiko zu besuchen, manchmal – so scheint es – muss wohl das Schicksal etwas mithelfen und uns den richtigen Weg weisen. 

Nach zwei Tagen gaukelt uns dann der Wetterbericht (der lügnerische Halunke) ein Wetterfenster vor, die Papagayos sollen schwächer werden und günstige Winde für die Reise nach Norden sollen sich einstellen, sobald uns der Wind vorbeigelassen hat will er wieder zurückkommen. Wir zögern nicht lange und brechen auf, und kommen damit wohl in die schwierigste Etappe unserer bisherigen Reise seit der Türkei. Das erste Stück wird es wirklich ruhiger, aber dann, gegen Abend, dann geht es wieder richtig rund.   Der Ankerplatz, den wir uns zum Abwettern ausgesucht haben, ist zu seicht, wir müssen weiter und Kurs auf den Hafen von San Juan del Sur nehmen. Kaum haben wir die Grenze zu Nicaragua überquert, werden wir auch schon von der Küstenwache gestoppt, sie gehen trotz schlechter Bedingungen und Dunkelheit längsseits, kommen schwerbewaffnet an Board und müssen uns unbedingt kontrollieren. Die ganze unheimliche Aktion dauert Gottseidank nicht lange, sie sind genauso froh wieder von Board zu sein wie wir, nachdem der sonst so beherrschte Skipper der KALI MERA einen Wutausbruch bekommen hat und Ihnen in aller Deutlichkeit seine Unzufriedenheit darüber zum Ausdruck gebracht hat, dass sie sich nicht die Zeit genommen haben 15 Sekunden zu warten bis die schützenden Fender montiert sind. Nein, Rumms, dran an die  Boardwand, knirschendes Material, brüllender Skipper, erschrockene Soldaten!

Nach diesem Ereignis laufen wir illegal in den Hafen von San Juan ein, wir brauchen etwas Ruhe. Sturmböen, stockdunkle Nacht, keine Sicht und ein Hafen voller unbeleuchteter Boote, Bojen und anderer Hindernisse. Irgendwann liegen wir dann vor Anker, die Nacht erfordert eine Ankerwache, nix ist mit erholsam. Beim ersten Morgengrauen flüchten wir, Anker auf und weg. Oder doch nicht?  Eher: Anker auf und festhängen!  Wir haben eine armdicke alte Muringleine mit einem LKW Reifen gefangen, alles hängt brav an unserem Anker, so sicher sind wir schon kann lange nicht mehr gelegen. Irgendwie kommen wir dann frei, nichts wie weg, weiter geht’s.

Der Wind legt ständig zu, unbarmherzig drücken uns die Böen aufs Wasser, es hat zwischenzeitlich schon durchgehend 35 Knoten Wind, die Böen gehen deutlich über 40 hinauf, und sie kommen so plötzlich, dass wir fast nicht darauf reagieren können. Unser Segel ist nicht mehr viel größer als eine Serviette und dennoch rauschen wir mit Rumpfgeschwindigkeit nach Nordwesten, die Gischt reißt vom Wasser ab und die See kocht. Den ganzen Tag haben wir Gale-Conditions, die KALI MERA benimmt sich großartig, aber uns merkt man die Belastung an. Wir entscheiden, die Nacht nicht durchzusegeln und finden wirklich einen Platz, an dem wir relativ gut ankern können, wir wollen uns erholen. Frühmorgens geht es weiter, der Wind bleibt stark, aber je weiter wir in den Norden von Nicaragua kommen, desto angenehmer wird der Windwinkel und umso ruhiger das Segeln. Drei Nachtfahrten liegen nun vor uns, an Schlaf ist wenig zu denken. Der Wind wechselt ständig Richtung und Stärke, die See ist aufgewühlt, konfus, es gibt hohe Kreuzwellen und die KALI MERA wird zum Cocktail-Shaker und wir werden so richtig gut durchgemischt, bis wir mürbe sind.  Lange Schwachwindphasen zwingen uns den Motor zu verwenden, und alle zwei Stunden müssen die Filter entwässert werden, der Tankinhalt wird durch die Luftsprünge unseres Schiffes so aufgewirbelt, dass der ganze Bodensatz in die Filter wandert. Als es einfach nicht mehr anders geht, füllen wir (natürlich in der Nacht) unsere Reservekanister in den Tank um, damit das Mischungsverhältnis besser wird. Die Aktion war erfolgreich, wir kommen mit laufendem Motor und völlig erledigt in der Marina Chiapas in Mexiko an.

Hier werden wir nun ein paar Tage bleiben, die Marina ist angenehm, ruhig, überaus freundliche und hilfsbereite Menschen. Das Einklarieren nimmt einen ganzen Tag in Anspruch, kaum sind wir am Steg kommt schon das Militär mit Drogenspürhund an Board, der Marina-Manager Rolf fährt uns mit seinem Pickup zu ca. 100 verschiedenen Behörden, dann geht es noch mit dem Taxifahrer Louis an die Grenze zu Guatemala, nur dort bekommen wir nämlich die „Erlaubnis für einen temporären Fahrzeug-Import“ (die KALI MERA), und schließlich und endlich sind wir offiziell eingereist.

Tags darauf wird dann schon der Tank gereinigt, wir pumpen 120 Liter trüb-braunen Diesel heraus, dann sauge ich mit der Vakuumpumpe, die ich zum Ölwechsel verwende, noch fast zwei Liter „Kaffee“ aus dem Tank, alle Filter werden gereinigt und getauscht und wir sollten nun den „Murl“ wieder verwendet können. Einen ganzen Tag dauert die Aktion, am Abend falle ich todmüde in die Koje. Tadeja putzt das Boot, wir könnten Werbung für die Salinen Austria machen, überall gibt es dicke Salzschichten. Aber wir haben ja nun einen Süßwasser-Anschluss und einen Schlauch, welch Luxus. Sogar Landstrom haben wir hier, wir haben das Boot extra verlegt um einen der wenigen Plätze zu bekommen, an dem es 230 Volt Anschlüsse gibt, hier ist alles für die amerikanischen 115 Volt ausgelegt. Es passt zwar keiner unserer Stecker, Adapter gibt es in Mexiko keine, aber ich bekommen die Sondererlaubnis die Stromsäule einfach aufzuschrauben und mir den Strom direkt dort abzuzapfen, wo ich das für richtig halte. Es funktioniert, ein paar Kabel hier, ein paar Klemmen dort und die Marina Chiapas hat nun – zumindest temporär – einen Liegeplatz mit europäischem Stromanschluss…

Einige Tage brauchen wir hier noch um alles für die Weiterreise zu organisieren, einen Liegeplatz für die Hurrican-Saison zu organisieren, und dann wollen wir auf dem Landweg von hier aus Guatemala besichtigen.

,mDie Fahrt hierher, – so anstrengend sie auch war-, hatte aber auch wunderschöne Momente: Sonnenuntergänge, bei denen man vor Schönheit schwermütig werden könnte, Sonnenaufgänge, bei denen das Herz vor Freude hüpft, wir segeln wenige Meter an zwei riesigen Buckelwalen vorbei, Delphine begleiten uns beinahe die ganze Strecke, Tag und Nacht spielen Sie mit dem Schiff, machen Luftsprünge und haben anscheinend ihre Freude mit uns. Wir sehen sie auch auf der Jagd, Thunfische springen hoch aus dem Wasser und Delphine hinterher, großartige Anblicke. Große Schildkröten paddeln an uns vorbei, Rochen machen ihre Saltos und einmal macht eine Fledermaus Rast in unserem Cockpit, sie hängt sich direkt neben uns unter die Bimini, putzt sich gründlich und flattert dann nach einiger Zeit wieder davon. Tölpel machen auf dem Bugkorb Pause und spielen „Reise nach Rom“, und Fregattvögel streiten sich darum, wer auf der Spitze vom Besan-Mast sitzen darf . Hier in der Marina gibt es auch noch andere geflügelte Viecher, nämlich echte Culicidae, aber auf die könnten wir ruhig verzichten ?

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