Die Masten sind gestellt, die Segel angeschlagen, das Schiff ist poliert, die Reparaturen sind abgeschlossen, alles ist bereit zum Ablegen. Wir haben gerade ausklariert und sind abreisefertig. Zum Ausklarieren mussten wir zuerst zum Hafenkapitän, dann zur Hafenpolizei und dann noch zum Zoll – eine laut Marina-Office „sehr aufwändige und sehr komplizierte Sache – very very complex“ die einem die Marina um nur 70 eur abnehmen könnte, unbedingt zu empfehlen. Wir machen es selber, fahren mit den Rädern in die Stadt, gehen von einem freundlichen Beamten zum nächsten und haben alles in wenigen Minuten erledigt – „very complex“ 🙂 .
Die letzten Tage waren noch arbeitsam, es ist fast nicht vorstellbar mit welcher Langsamkeit hier gearbeitet wird und wie schlampig die Arbeiten von der Yakomos-Mechaniker-Crew durchgeführt werden. Jede Schraube muss kontrolliert werden, vieles mehrfach nachgearbeitet werden. Ich muss bei allem kontrollieren und dann darauf bestehen dass es ordentlich (nochmals) gemacht wird. Nur Yilmas ist ein Lichtblick, er wird immer dann gerufen wenn es die anderen halb „verbockt“ haben und muss es wieder in Ordnung bringen. Ich habe zwischenzeitlich eine beachtliche Qualifikation im Bereich „Schiffs-Service“ erworben und weiß bei den meisten Dingen wie man es nicht macht.
Ein Beispiel: Die Leitungen für das Funkgerät werden neu verlegt, von den Masten ins Schiffs-Innere. Ich verlöte die Stecker sicherheitshalber selbst nachdem ich gesehen habe dass der Schiffselektriker von Yakomos das mit einer Art „Flammenwerfer“ machen möchte. Vor dem Anschluss an das Funkgerät prüfe ich – einer Eingebung folgend – ob das Kabel ok ist und finde prompt einen Kurzschluss. Hätte ich es gleich angeschlossen, wie dies der Elektriker vorgesehen hatte, müsste ich jetzt ein neues Funkgerät und ein neues AIS kaufen. Also heißt es für den Mechaniker hinauf in den Mast, Antenne abbauen, prüfen. Antenne hat einen internen Kurzschluss und muss ausgetauscht werden. Wir kaufen eine neue Antenne und diese wird, gemeinsam mit der Radio-Antenne, die vergessen wurde einzubauen („no, no Antenna, sorry, no Antenna was“) und zwischenzeitlich in den Mechaniker-Verliesen von Yakomos wieder aufgetaucht ist (ich konnte durch Fotos belegen dass zwei Antennen am Hauptmast waren), für den Einbau vorbereitet. Ich muss kurz weg vom Schiff, zwischenzeitlich klettert der Mechaniker auf den Mast und baut beide Antennen ein, natürlich falsch. Als ich zurückkomme geht es wieder hinauf und alles wird nochmals neu eingebaut. Die ganze Aktion kostet einen halben Tag und hätte, als der Mast noch beim Mechaniker lag, innerhalb von 30 Minuten erfolgen können.
Die Furling wurde falsch eingebaut ein halber Tag ratloses herumgeschraube und am Schluss eine klare Aussage vom Mechaniker-Team, dass das nun genau so richtig sei und auch im Original so gewesen wäre, anders wäre das nicht einmal theoretisch möglich („is now ok, not possible other, is ok“). Ein Foto vom „Original-Zustand“ (ich habe Gott sei dank alles fotografiert) und Yilmas wird geholt, der baut das dann am Rücken liegend wieder um und es ist so wie es sein soll.
Bei den Masten muss ich drei mal darauf bestehen dass diese korrekt ausgerichtet werden, immer wieder rückt die ganze Mannschaft an und macht am Ende das, was ich mit Hausverstand als Lösung ins Spiel gebracht habe, – siehe da – die Masten haben nun die richtige Biegung.
Und dann bringt Basar die Rechnungen, eine von ihm und eine von Yakomos. Es ist ihm offensichtlich nicht ganz wohl dabei uns die Mechaniker-Rechnung auszuhändigen und kündigt an, dass darüber man wohl reden müsste. Basars Rechnung ist ok, exakt so wie vereinbart, sogar sehr kulant und völlig korrekt, wird mit „Danke sehr“ beglichen. Die Rechnung von Yakomos wirft uns aus den Socken, ist drei mal so hoch als wie erwartet und bewegt sich im 5-stelligen Euro Bereich. Wir beschließen zuerst zu warten bis die Arbeiten erledigt sind und analysieren zwischenzeitlich die Fantasie-Positionen auf der Rechnung im Detail. Für Samstag 14:00 wird die Verhandlung mit Yakomos angesetzt. Zwei Stunden lang wird verhandelt, ein Dolmetscher vermittelt, Yakomos droht mit dem Gericht und unser Schiff an die Kette legen zu lassen, wir kündigen an Schadenersatz zu fordern, und am Ende einigen wir uns doch noch. Handshake, Limonade trinken, „taman“. Es war teuer aber akzeptabel. Wir haben den riesigen Fehler gemacht nicht vorher alles im Detail zu vereinbaren, die guten Erfahrungen mit Basar haben uns hier in Sicherheit gewiegt. Aber jahrelange Verhandlungserfahrung hat geholfen uns hier aus der fast aussichtslosen Situation herauszumanövrieren. Das wird uns nicht mehr passieren, wir haben Lehrgeld gezahlt.
Mit Tuncay und Sevket trinken wir einen Kaffee, stellen fest dass es eigentlich sehr gut gelaufen ist, es hat am Anfang zwar Schwierigkeiten gegeben aber der studierte Philosoph Tuncay war ehrlich und letztendlich sehr korrekt, er wird bezahlt und Sevket erhält ein gutes Trinkgeld. Sevket ist gerührt und umarmt und drückt mich ordentlich. Wenn wir einmal wegen Service-Arbeiten wieder kommen sollen wir uns kurz vorher melden damit er noch Zeit hat zum Flüchten. Nein, sei ja nur Spaß, wir sollten gemeinsam am besten gemeinsam ein neues Schiffs-Service Unternehmen gründen, ich hätte jetzt ausreichend gelernt.
Am Samstag Abend gehen wir mit Gabi und Herbert von der AZZURO sowie unserem Dolmetscher-Paar Kadrije und Ihrem Mann Özdemir Essen und genießen großartigen Fisch und guten Wein hoch über dem Meer mit Blick auf die untergehende Sonne. Am Sonntag gibt es wieder Grill-Party hier und es wird Abschied genommen. Wir haben uns schon so gut eingelebt und fühlen uns so wohl hier, dass wir endlich wegmüssen weil wir sonst nicht mehr weg wollen. Wir haben liebe Menschen und eine tolle Gemeinschaft kennengelernt und der Abschied fällt uns richtig schwer.
Los gehts, Servus Kusadasi, Samos – wir kommen!