Planänderung in Trinidad, angeschaut wird nichts mehr, der Wetterbericht sagt Starkwind aus der falschen Richtung und schwere Regenfälle an, also klarieren wir blitzschnell aus und machen uns auf den Weg nach Grenada. Die erste Nacht ankern wir noch in der Scotland Bay in Trinidad, einem tiefen Einschnitt in den Dschungel, wir sind völlig alleine und um uns nur die für unsere Ohren so fremde Geräuschkulisse des nächtlichen Urwaldes, es ist ein wenig unheimlich. Knapp nach Mitternacht ist der kurze Schlaf zu Ende, wir haben eine lange Strecke vor uns und wollen für Einbruch der Dunkelheit Grenada erreichen, 16 Stunden anstrengendes Segeln hart am Wind liegen vor uns. Auf die Piraten können wir diesmal keine Rücksicht nehmen und wir fahren zwischen den „gefährlichen Bohrinseln“ durch, der Wind erlaubt keinen großen Abstand. Alles ist friedlich, das einzige Opfer ist ein schöner Mahi Mahi, der Gefallen an unserem gelben Gummitintenfisch gefunden hat und kurz später küchenfertig im Kühlschrank auf das Abendessen wartet.
Mit den letzten Sonnenstrahlen erreichen wir die Prickley Bay, der Anker fällt und gräbt sich tief im Sand ein, wir liegen neben der FLORIMELL die schon seit einigen Tagen hier ist. Wunderschön grün ist es hier, ruhig und endlich wieder ein sauberes Meer zum Schwimmen, ganz plötzlich macht sich Urlaubsstimmung breit, einige Tage bleiben wir hier und relaxen. Tadeja organisiert eine Inselrundfahrt, wir haben zwar im Frühjahr schon eine Grenada Tour genossen, aber es gibt noch vieles zum Erkunden. Die Natur ist von atemberaubender Schönheit und ich fotografiere wie ein Weltmeister, die schönsten Motive mit wunderbarem Licht werden von meiner Kamera eingefangen – denke ich mir zumindest, weil nach zwei Stunden fotografieren stelle ich fest, dass ich keinen Speicherchip in die Kamera gesteckt habe. Alles für die Katz, kein St. George von oben, kein Regenwald im Regen, kein grün-in-grün-in-grün Panorama, nur eine Kamera ohne Speicherkarte. Und noch dazu habe ich sie eindeutig und nachvollziehbar selbst herausgenommen, die unselige Karte und in meinen Computer gestecökt, kann das ganze also nicht einmal schmollend Tadeja anhängen, sehr sehr unangenehm die Situation. Nachdem mir das nun nicht das erste Mal passiert ist, dass ich für jeden Wettbewerb geeignete Traumfotos schieße ohne dass eine Speicherkarte in der Kamera steckt, wirft das weder auf mich noch auf die Kamera ein gutes Bild – da kommt so eine kleine, fast nicht leserliche Warnmeldung im Sucher, eigentlich nur ein kleiner Hinweis in dezentem blassen Orange, so dass es ganz klar ist dass man das übersehen muss, nur Leute, die auch Gebrauchsanweisungen lesen, die reagieren auf solche ominösen Botschaften wie „keine Karte“, da gehört ein ordentlicher Stromstoß her dass es den Fotografen richtig reißt, oder eine Sirene, und keine „Warnmeldung“. Ohne Karte ist der ganze Apparat sinnlos, wenn man knipst und knipst und das Ganze nur im Nirwana landet. Wenn das noch einmal passiert dann werde ich wohl Sony vor den Kadi zerren müssen, wegen heimtückischer und absichtlicher Irreführung mit grässlichen Folgen…
Es gibt also keine Fotos, dafür aber jede Menge neue Eindrücke von dieser wunderschönen Insel. Unser Guide bleibt einmal hier und einmal dort stehen, verschwindet im Unterholz und kommt mit bisher unbekannten exotischen Früchten zurück, wir erhalten eine Nachhilfestunde in tropischer Pflanzenkunde und kosten die unterschiedlichsten aber durchwegs wohlschmeckenden süßen Früchte, erschnuppern einheimische Gewürze und lassen uns über die unterschiedlichen Heilwirkungen der Kräuter belehren. Grenada ist wunderschön, aber auch hier werden wir nicht lange verweilen, wieder einmal spuckt uns der Wetterbericht in die geplante Bleibe-Suppe und animiert uns dazu bald nach Norden aufzubrechen. Immer noch ist Regenzeit und das Wetter ist unbeständig, regelmäßig schüttet es wie aus Eimern vom Himmel, so als ob der heilige Petrus den Wehrüberlauf der himmlischen Flusskraftwerke aufgemacht hätte, angenehmerweise jedoch hauptsächlich in der Nacht, so dass wir den Regen auf das Kabinendach hämmern hören, eine Bio-Steel-Band, die zumindest mir den Schlaf raubt.
Auf dem Weg nach Carriacou besuchen wir noch den sehenswerten Unterwasserpark mit seinen Statuen, die in ein paar Meter Tiefe ertaucht werden können, eine sonderbare Welt mit ganz eigener Stimmung. Fotos gibt es keine, weil ich die Unterwasserkamera so kurzfristig nicht finde, ein Resultat meiner neuen Ordnung mit durchgängiger Dokumentation am Schiff. Danach geht es weiter die 25 Seemeilen zur Tyrell Bay, aber aus den geplanten fünf Stunden werden neun, und die haben es in sich. Riesige Wellen, Starkwind von vorne, Strömung aus der falschen Richtung, nichts ist so wie es sein soll und es der Genuss-Segler haben will. Zwischendurch versuchen wir einmal kurz, ob wir nicht einfach das Segeln vergessen können und die Errungenschaften des Fortschritts in Form unseres Perkins Dieselmotors ausnutzen können. Segel weg, Motor gestartet, Bug Richtung Ziel, herzhaft das Gas betätigen und … in die Welle einstampfen und mit heulender Schraube keinen einzigen Meter vorankommen. Das war leider eine völlige Schnapsidee, also Motor aus, Segel hinaus und mühsam Meter um Meter auf der Kreuz erkämpfen, und das bei drei Meter Welle und fliegender Gischt. Aber schließlich und endlich hat auch diese Mühsal ihr Ende, wir liegen vor Anker in der ruhigen Tyrell Bay und wir denken wieder an die Minus 10 Grad in Österreich und sind rundum glücklich. Der Barrakuda, der uns ins Boot gehüpft ist, wird nun von Tadeja zu Steaks verarbeitet und wir haben Fisch-Dinner in unserem Board-Restaurant mit See-Blick, der beste Tisch mit Ausblick ist wie immer für uns reserviert
Tags darauf treffen wir auch die REBELL wieder, die wir in Mindelo vor einem Jahr das letzte Mal gesehen haben, gemeinsam mit der BLUE MOON haben sie den gleichen Kurs wie wir und wollen ebenfalls das „Wetterfenster“ für die Fahrt nach Martinique nutzen. Wir segeln die kurze Strecke nach Union Island und übernachten in der traumhaften Chetham Bay, klarieren gar nicht ein und investieren das dadurch Ersparte in einen gegrillten Lobster in der Strandbar (ein wunderbarer Luxus dieses Essen-gehen, normalerweise kochen wir ja an Board, aber manchmal da ist Schluss mit dem Sparen und dann wird geschlemmt ohne Abwaschen).
Nach einer stürmischen Nacht geht es schon früh los Richtung Bequia, und wieder bekommen wir den Wind auf die Nase, garniert mit schweren Squalls in Sturmstärke. Ach ist das Ankommen in einer ruhigen Bucht immer schön, Anker fällt, Schaukelei ist vorbei und der Herbert lacht wieder.
Zeitig brechen wir am nächsten Tag auf, im Morgengrauen wird der Anker gelichtet und die Segel der KALI MERA blähen sich im frischen Wind auf, wie ein junges Pferd galoppiert sie voller Energie nach Norden, die Gischt spritzt am Bug und die Welt ist (zumindest jetzt und hier) genau so wie sie sein soll. Es ist ein magischer Moment wenn der Vollmond noch am Himmel steht, die letzten Sterne langsam verblassen und die Sonne mit goldenen Strahlen (oder – wie bei den alten Griechen – die rosenfingrige Eos) über den Berg klettert. Der Himmel hat das ganz besondere Blau, das es nur kurz am Morgen gibt und für das es zuerst Nacht und dann wieder Tag werden muss. Als dann noch vor uns ein Squall vorbeizieht und ein Regenbogen aus dem Meer die Wasserwand emporsteigt, da sind so ziemlich alle möglichen Himmelserscheinungen gleichzeitig über uns, so als ob ein kreatives Götterkind einmal mit allen verfügbaren himmlischen Bauklötzen gleichzeitig spielen möchte. Wunderschön. Saint Vincent, die Naturschönheit mit den grantigen Bewohnern ist bald an Steuerboard, das Meer wird ruhig und Tadeja wirft die Angeln aus, vielleicht wollen ja ein paar schuppige Freunde die schöne Zeit gemeinsam mit uns verbringen. Nach den anstrengenden letzten Tagen ist es eine Wohltat, dieses friedliche Meer zu erleben. Wir sind gespannt, ob uns das Wetterglück hold bleibt, denn vor uns liegen zwei Überfahrten, die für ihre schlechte Laune bekannt sind und bei denen es bei stärkerem Wind schnell ungemütlich wird, von Saint Vincent nach St. Lucia und weiter nach Martinique. Und weil schon vor einer Woche für heute und morgen passendes Wetter für diese Überfahrten angesagt war, haben wir uns auch so beeilt, rechtzeitig hier zu sein. Wenn die Windgötter schon so guter Laune sind, dann soll man das ausnutzen, die freuen sich sicher wenn wir uns darüber so richtig freuen – und wenn wir die vielen Segler ansehen, die wie auf einer Perlenschnur aufgefädelt nach Norden segeln, da haben wohl viele andere gleich gedacht wie wir.
Bei spiegelglatter See zieht die wild romantische Wallilabou Bay, in der wir im Frühling einer Eingebung folgend so plötzlich aufgebrochen sind, an uns vorbei, der Piraten-Galgen ist weithin sichtbar, vom Fluch ist hier in der Karibik sonst nichts zu spüren. St. Vincent ist für uns die landschaftlich schönste Insel hier in den kleinen Antillen (von denen die wir bisher besucht haben), ein Naturparadies mit den schroffen Graten und lieblichen Tälern, gerne erinnern wir uns an den Aufstieg auf den fast 1000 Meter hohen Vulkan, dort ist es wie bei uns auf der Alm, nur dass man rundum das Meer sieht (so ungefähr wird es dann bei uns aussehen, wenn der Meeres-Spiegel ordentlich gestiegen ist und man vom Prebersee zum Berg Athos segeln kann).
Die von manchen gefürchtete Überfahrt von St. Vincent nach St. Lucia ist uns gnädig, der Wind hält sich an die Vorhersage und es wird ein rasantes und schönes „Hinüberfliegen“ am Wind, die Atlantikwelle ist hoch aber Kreuzwellen verschonen uns und damit bleibt das unangenehme „aufs Wasser schlagen“ aus und es geht relativ ruhig auf und ab. Knapp nach Sonnenuntergang ankern wir in der großen und geschützten Rodney Bay und fallen kurz darauf in die Koje. Mit Sonnenaufgang geht es dann wieder weiter Richtung Martinique, auch diese Überfahrt wird trotz anfänglich etwas ruppigen Bedingungen schnell und schön und am Vormittag ankern wir in Sainte Anne. Hier werden wir nun bis nach Weihnachten bleiben, viele Freunde sind schon hier und für Gesellschaft ist gesorgt. Wir freuen uns darauf, Martinique zu entdecken, den Vulkan zu besteigen und auf die schönen Wanderungen in der „kleinen Schweiz“, und natürlich auf frisches Baguette, hervorragenden Käse und guten Wein. Nach dem eher bescheidenen Angebot auf den südlichen Inseln ist der französische Lebens-Stil ein richtiges Vergnügen und wir lassen es uns gut gehen.