Um diese Jahreszeit gibt es an der mexikanischen Pazifik-Küste überwiegend Nordwind. Er weht normalerweise genau so stark, dass er für ein komfortables Vorwind-Segeln zu schwach ist (Schaukelei am Weg nach Süden) und wenn man nach Norden zurück möchte, dann reicht er aus, um die Strecke gegen Wind und Welle richtig unangenehm zu machen. Dieser Teil Mexikos ist kein Revier für Segler die ohne Diesel auskommen wollen. Maximal ein Drittel der Strecke schaffen wir es ohne Motor-Unterstützung, meistens läuft die Maschine mit geringer Drehzahl mit und hilft den Segeln.
Die Bosheit des Universums sorgt dafür, dass der Wind genau dann, wenn wir zurück nach Norden müssen, stärker wird und wir ohne „ein Wetterfenster“ festsitzen. Ungefähr alle zwei Wochen gibt es vom Tehuantepec herauf eine Front, die an der Küste für ein bis zwei Tage für einen Windwechsel sorgt, und eine solche nutzen wir aus. Die 300 Seemeilen nach Mazatlan fahren wir in einem durch und kommen vor der Rückkehr des Nordwinds wohlbehalten in der Marina an.
Wir starten sofort die Arbeiten zum „Einsommern“ um noch etwas Zeit für einen Landurlaub ins Hochland von Mexiko zu haben. Drei intensive Tage brauchen wir, um unsere Checkliste abzuarbeiten, dabei haben wir schon viel Routine und sind – im Vergleich zu früher – richtig schnell.
Für die Lagerperiode putzen wir die KALI MERA innen und außen, die Essens-Vorräte schenken wir her, an Lebensmitteln bleiben nur lang haltende Konservendosen an Board, Textilien kommen zur Wäscherei, und die ganze Technik wird serviciert.
Kaum sind die letzten Handgriffe erledigt, sitzen wir auch schon im Taxi zum Flughafen, bevor wir wieder zurück in den Winter müssen haben wir zum Akklimatisieren noch einige Tage im Hochland von Mexiko vor uns (Tadeja wird dazu im letzten Blog-Beitrag dieser Saison berichten…).
Gut Fünf Wochen haben wir am Boot verbracht, es war eine wunderbare Zeit am Wasser, der Aufwand dafür ist aber auch enorm. Die KALI MERA aus dem Sommerschlaf wecken, alles herrichten, Reparaturen, Wartungsarbeiten, und wieder fürs Lager bereit machen, es gehört eine große Portion Liebe zum Schiff und diesem Lebensstil dazu, um sich das alles anzutun.
Als ich – vor vielen Jahren – mit der Idee einer langen Segelreise schwanger wurde, jedes mir in die Hände gefallene Buch über Weltumsegelungen gelesen und die Reiseblogs der Weltumsegler sehnsüchtig verfolgt habe, da bin ich mehrfach auf den Satz „Weltumsegeln heißt, sein Boot an den schönsten Plätzen der Welt zu reparieren“ gestoßen.
Gottseidank macht es mir Freude am Boot herumzubasteln, Verbesserungen einzubauen, die Ausstattung zu optimieren, und im Laufe der Zeit hat sich auch so einiges an Boots-Know-How angesammelt um so gut wie alles selbst machen zu können.
Diese Form des Reisens ist oft anstrengend und manchmal sogar ziemlich ungemütlich, es ist ein gelebter Traum, aber dieser hat seinen Preis. Die KALI MERA ist eine anspruchsvolle Geliebte, sie fordert und ist alles andere als bescheiden, und sie rächt sich, wenn sie vernachlässigt wird, man kann sie nicht einfach auf die Seite stellen wie ein Auto, sie benötigt kontinuierliche Aufmerksamkeit. Lebt man ganzjährig am Boot, dann ist es einfacher, weniger komprimiert, es ist dann mehr Zeit verfügbar um sich ihr gebührend zu widmen. Eigentlich wollte ich hier auch noch auflisten, was so an typischen Service-Arbeiten zu tun sind, aber Tadeja hat mir klar gemacht, dass das niemanden interessiert. Ich habs dann trotzdem geschrieben, aber hier abgelegt.
Ein Segelboot , auch wenn von einer Serie mehrere 1000 Stück gebaut werden, ist immer ein Prototyp, ist nie vergleichbar mit einem Auto, von dem Millionen an Einheiten gebaut werden und bei dem Kinderkrankheiten schon längst behoben sind, wenn es auf den Markt kommt. Boote sind unglaublich wartungsintensiv, und das liegt nicht nur am Salzwasser, jedes Boot hat seine Besonderheiten, hat etwas andere Komponenten, nur Baunummern, die unmittelbar aufeinander folgen, sind einigermaßen gleich. Unsere Amel Santorin mit der Baunummer 120, ein ausgereiftes Exemplar seiner Gattung, ca 150 wurden insgesamt gebaut, glänzt durch außerordentlich hohe Verarbeitungsqualität, und dennoch muss man ihre ganz besonderen Eigenheiten und Vorlieben erst einmal verstehen, um sie bei Stimmung halten zu können. Im Gegenzug bekommt man die gute Pflege dann auch wieder abgegolten, durch Zuverlässigkeit bei unangenehmen Bedingungen, durch Sicherheit in sonst brenzligen Situationen, durch Komfort der uns das Leben auf so engem Raum oft leichter macht.
Wer sich – wie wir das getan haben – auf das Abenteuer Blauwassersegeln einlässt, der muss damit rechnen, dass die Sonne nicht immer scheint, die Bilder aus den Segelmagazinen nur einen Teil der Wirklichkeit darstellen, der muss sich mit der Technik beschäftigen können und wollen, darf weder vor der Mechanik, den Motoren oder der Elektronik zuviel Scheu haben und muss sich hier selbst zu helfen wissen, mit Boardmitteln, weil die Dinge dazu neigen, vor allem dann nicht mehr zu funktionieren, wenn man irgendwo im Nirgendwo ist.
Wir haben durch dieses Abenteuer viel gelernt, nicht nur „Technik“, auch Selbstvertrauen und Selbständigkeit, Unabhängigkeit und Optimismus, Vertrauen darauf, dass wir mit jeder Situation zurechtkommen, auch wenn man keinen Pannendienst rufen kann. Es war eine Investition in uns selbst, keine Vergnügungsfahrt, sondern ein Weg zu einem neuen Lebenstil, ein Weg, bei dem wir bisher keinen Schritt bereut haben.