leuchtendes Meer

Schon zwei Tage liegen wir vor  Anker in Tenacatita, einer Traumbucht an der mexikanischen Gold-Küste, endlich sind wir angekommen. Die ganze mühsame Reise, 1500 Meilen gegen Wind und Strom, hat sich nun gelohnt, es ist genau das, wonach wir uns gesehnt haben. Gut geschützt, sicherer Ankergrund, ein Restaurant mit kleinem Campingplatz am Strand, und ein tolles Panorama. Das ist aber noch lange nicht alles, hier jagt ein Highlight das nächste. Da gibt es zum Beispiel einen Fluss, den wir mit dem Dinghi über einige Meilen bis zu einem kleinen See befahren können, eine Expedition durch Mangroven, dichten Dschungel, verwunschene, völlig verwachsene Seitenarme und Mangroven-Riesen, die immer wieder ein grünes Dach über uns bilden, so dass wir wie durch einen Tunnel die Kanäle entlangfahren. Als Vorbereitung ziehen wir uns am Abend davor in unserer Kino-Koje den Uralt-Schinken „African Queen“ hinein. Am nächsten Abend gibt es dann als Draufgabe, um unsere erfolgreiche Rückkehr zu feiern, „Fitzcarraldo“. Großartig, spannend, und trotzdem schlafen wir beide mitten im Film ein, der abenteuerliche Tag fordert seinen Tribut,  und als ich um Mitternacht aufwache und mich bettfertig mache (dazu gehört auch die Befreiung vom abendlichen Tee direkt über die Reling, so wie alle Kapitäne das machen), traue ich meinen Augen nicht, ich bin sofort hellwach und weiß trotzdem nicht ob ich vielleicht träume: Jeder Tropfen, der der Schwerkraft gehorcht und brav den Weg ins Meer findet, löst ein unterseeisches psychedelisches Feuerwerk aus. Es leuchtet intensiv grünblau auf, wie von einer starken Taschenlampe unter Wasser beleuchtet, dann zischt die fluoreszierende Erscheinung in Kreisen nach außen, ändert ständig die Farbe und Intensität, und verblasst dann langsam. Haben wir irgendwelche Pilze gegessen? Als Tadeja endlich an Deck ist da kann ich das Schauspiel mit der Decksdusche fortsetzen, selbst damit ich dieses Wunder bewirken.

Jetzt ist uns das  „Biolumineszenz“-Phänomen ja durchaus bekannt

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, der treue Leser kann sich vielleicht erinnern, wie mich Tadeja gezwungen hat, von Puerto Rico nach Viejes zu segeln um dort den berühmten leuchtenden See zu besuchen oder die Lagune im Süden von Puerto Rico, die ebenfalls weit und breit als Meisterwerk der Unterwasser-Lichttechnik bekannt ist, aber so sehr uns auch das dortige Spektakel beeindruckt hat, so sehr verblasst es angesichts dieser Erscheinung. Es ist, als ob man die Adventbeleuchtung in Ohid, bei der hin und wieder an einem Fenster ein 15 cm großer Christbaum steht, mit der Weihnachtsbeleuchtung am Wiener Graben vergleicht. Die kleinen Fische, die rund um uns schwimmen, haben alle einen Heiligenschein, uns sind also die Fisch-Heiligen erschienen und eigentlich müssten wir sofort eine Kapelle bauen und rundherum Devotionalien-Stände aufbauen, bei den wir mit Plastik-Fischchen made in China und kleinem blinkenden LED – Implantat hinter den Kiemen ein Vermögen verdienen würden. Alles beginnt zu leuchten, die Ankerkette ist ein heller Lichtschein (auch eine glänzende Geschäftsidee, die leuchtende Ankerkette, bei der man in der Nacht immer weiß wo sie liegt und wo der Anker ist), die Brandung funkelt wie ein gewaltiges Neon-Reklameschild, und wir sind fassungslos. Und dann geht es richtig los, wir satteln unser Dinghi und galoppieren durch die riesige Bucht, in großen Kreisen, hell erleuchtet, wie ein Komet einen (blauen) Feuerschweif hinter uns herziehend, das Dinghi hat eine mehrere Meter große hellblaue Aura, kein Wort würde ich davon glauben, hätten wir es nicht selbst erlebt. 

Einziger Wermutstropfen hier ist vielleicht die Wassertemperatur, das Meer hat anscheinend keine Ahnung, dass es sich in den Tropen befindet und glaubt, dass 21 Grad ausreichend seien, noch kälter als der Prebersee im Sommer und damit für mich nicht bade-tauglich, aber Tadeja kennt da gar nichts und zieht ihre Kreise ums Schiff, um endlich mit einem der großen Delphine , die hier ständig um die Boote herumtollen, Freundschaft zu schließen. Aber bisher sind die kleinen Wale schüchtern und ignorieren sie, aber das wird sich hoffentlich noch ändern.

Im Land des Paradiesvogels

schließlich und endlich – der Costa Rica Beitrag…

Costa Rica, die reiche, prachtvolle Küste, wie es in der Übersetzung heißt. Ein Land, das über 20 Nationalparks aufzuweisen hat, statt in ein Militär lieber verstärkt in die Bildung seiner Einwohner investiert, auf Tourismus setzt und weltführend im Export von tropischen Früchten ist, lockt uns mit seiner Tier- und Pflanzenwelt und ganz besonders mit seiner Kühle versprechenden Bergluft des gebirgigen Binnenlands. In Golfito liegen wir anfangs vor der Banana Bay Marina vor Anker, es ist windstill und brütend heiß, und auch wenn wir jede unnötige Bewegung zu vermeiden suchen, schmelzen wir wie Butter in der Sonne. Aber ganz ohne Bewegung geht es nicht, schon die Behördenwege, insgesamt vier, liegen kilometerweit voneinander entfernt, und wir lassen den anfänglichen Versuch, sie zu Fuß zu bewältigen, sehr bald fallen. Wir steigen viermal in ein Taxi, haben am Ende mit vielen ehrlichen und unehrlichen Taxifahrern, freundlichen Beamten, funktionierenden und nicht funktionierenden Kopierern Bekanntschaft gemacht und eine komplette Stadtbesichtigung absolviert. Im alten Hafen steht noch die vereinsamte alte Dampflok mit einem Graffiti des großen Che im Antlitz, mit der früher Bananen transportiert wurden, bevor die Bananenproduktion auf die Karibikseite verlegt worden ist.

Unweit von Golfito liegt der Urwald der Österreicher mit einer biologischen Forschungsstation. Das können wir uns nicht entgehen lassen. Wir werden von einem alpenländischen Zivildiener empfangen, der uns die Anlage erklärt. So nebenbei weist er uns darauf hin, besser feste Schuhe zu tragen, wegen der Giftschlagen, die zwar normalerweise eh nicht direkt am Weg liegen, aber man wisse ja nie… Ein Weg soll bis zu einem Flüsschen führen, in dem man baden kann. Dort wo er sein sollte, sehen wir nur ein ausgetrocknetes Flusstal, und Herbert ist überzeugt, dass wir die Hoffnung auf ein kühlendes Bad aufgeben können. Trotzig irre ich herum, bis plötzlich das Geräusch von Wasser an unsere Ohren dringt – sie haben uns nicht getäuscht – fast kann man es zischen hören, als wir uns ins kühle Nass fallen lassen.

Wir wollen das Land besser kennenlernen und wenigsten ein paar der vielen Nationalparks besuchen. Dazu verlegen wir die KALI MERA in die Banana Bay Marina. Voller Entdeckungslust mieten wir uns ein Auto in Puerto Jimenez auf der anderen Seite des Golfes, in Golfito war keines mehr zu bekommen. Auf der Hinfahrt fliegen wir geradezu mit dem Taxiboot übers glatte Meer, in zwanzig Minuten sind wir da. Zurück braucht es mit dem Auto um die Bucht herum ganze zwei Stunden, aber wir haben Zeit und hängen gleich einen Ausflug zur Drake Bay an, wo sich der Nationalpark Carara, der eine vielfältige Tier- und Vogelwelt beherbergt, ganz bis zur Küste erstreckt. Fast überfahren wir einen riesigen Leguan, der die halbe Fahrbahn belegt. Ungläubig beobachten wir, wie er knapp vor unserem Auto stehenbleibt, wartet, bis wir vorbeigefahren sind und dann flugs die Straße ganz überquert. Deshalb ist er wohl so alt geworden! Etwas weiter im Nationalpark, gesäumt von gigantischen Bäumen, bleiben wir jäh stehen – in den Bäumen direkt über uns sitzt ein Tukan und singt sein Dup du bi doo. So nah sind wir noch nie an einen herangekommen! 

Aber es gibt noch einen anderen Vogel, dessen Heimat, die an unsere Almen und Bergwälder erinnert, im Hochgebirge zwischen 1500 und 3000 Metern zu finden ist. Seine Lieblingsnahrung aber, exotische Zwergavocados, die würde er bei uns nicht finden. Herbert hat mit seinem untrüglichen Gefühl für Außergewöhnliches als ersten Zwischenstopp ein schmuckes Luxuszelt mitten im Nirgendwo für uns aufgestöbert. Zum ersten Mal ließ uns google maps im Stich – es konnte die Adresse bzw. den Weg dorthin nicht finden! Dementsprechend abenteuerlich gestaltet sich die Fahrt über die mehr als holprige Sandpiste, durch enge steile Kurven und an kerzengerade abfallenden Abgründen vorbei, über fast 2000 Höhenmeter stetig hinab bis auf 600 m. Glamping in Providencia heißt das Ziel, ein magischer Ort, wo sich abends tausende goldene Lichtpunkte entzünden und den gegenüberliegenden Wald verzaubern. Es sind überdimensionale Glühwürmchen und man wähnt sich im Märchen – im Märchen des Quetzál , des sagenumwobenen Paradiesvogels, mit seinem grüngolden schimmernden Federkleid, dem Gott der Freiheit, der Fruchtbarkeit und des Überflusses. Der Quetzál ist ein Symbol der Macht, der den alten Mayas als heilig galt; aus seinen Federn wurde die umstrittene Federkrone hergestellt, die im Weltmuseum zu Wien ausgestellt ist und von den Mexikanern immer wieder vehement zurückgefordert wird. Die Legende, die sich um diesen zaubervollen Vogel rankt, könnt ihr in Kürze unter Tadejas Gedanken nachlesen (Anmerkung Herbert: In Kürze heißt „wahrscheinlich noch 2019“).

Vogelliebhaber sind dem Quetzál manchmal jahrelang auf der Spur, ohne ihn je zu Gesicht zu bekommen, auch wir wollen unser Glück versuchen. Kurzentschlossen buchen wir eine Quetzál Tour für den nächsten Morgen. Noch vor Sonnenaufgang geht es die Schotterstraße wieder bergauf, Providencia liegt zu tief für den Vogel. Es ist kalt und windig, und unser mit Fernglas und Stativ beladene Führer warnt uns vor, der Quetzál mag keinen Wind und es könnte gut sein, dass er heute nicht zu sehen sein wird. Die Luft wird dünner, der Atem schwerer – bewundernd schauen wir dem Besitzer des mitten im geschützten Nationalpark gelegenen Grundstücks zu, der Tag für Tag auf seinem Rücken einen dicken Strohballen für seine Kühe heranschleppt – weil er das Land vor der Umwidmung zum Nationalpark erworben hat, gehören damit auch die Quetzále ihm! Der Wind weht nach wie vor, aber die Sonne schickt ihre ersten wärmenden Strahlen. Wir klettern auf den Steilhang, von wo der Gesang des heiligen Vogels wie von silbernen Glöckchen erklingt. Kurz erspähe ich etwas Grünes, schon ist es wieder weg. Ja, er ist da – nur wo? Sein Gefieder verschmilzt mit dem Laubgrün, und nur ein geübtes Auge kann ihn aufspüren. Schon hat ihn unser Guide wieder im Visier – da, dort fliegt er, die Luft um ihn scheint zu vibrieren, als würden funkelnde glitzernde Edelsteine in grün gold und rot durch die Luft flattern. Paarweise fliegen sie von Baum zu Baum und lassen sich zum Verspeisen ihres Frühstücks im Avocadobaum nieder. Nur die Männchen dürfen sich mit den begehrten langen Schwanzfedern, drei an der Zahl, schmücken, wegen derer sie gejagt wurden, um sie ihnen auszureißen und sie wieder freizulassen. Augenblicklich sind wir dem Traumvogel verfallen und bleiben über eine Stunde Zeugen eines mystischen Schauspiels. Welch ein Glück!

Der unwirklich phantastische Eindruck an diesem entrückten Ort wird durch unseren Kellner im Glamping-Restaurant, der einem fünf-Sterne-Hotel und Alice‘s Wunderland entstiegen zu sein scheint, noch verstärkt. Mit überlangen Schritten, steifer Haltung, abgehackten und irgendwie ungelenken Bewegungen ist er alle paar Minuten zur Stelle, fragt nach, wie ist das werte Befinden, ihm gehe es gut, danke der Nachfrage (alles in einem Atemzug), schenkt nach, sobald man ein paar Schlucke getrunken hat, flößt Herbert literweise Fruchtsmoothies ein, die er sonst nie trinkt und sich ihm einfach nicht widersetzen kann, dreht kunstvoll tollpatschig den Teller auf den Tisch und entfernt sich unauffällig auffällig, um in nächsten Augenblick zurückzukehren und uns wieder seine ganze Aufmerksamkeit zuteilwerden zu lassen. Ein erstklassiges Amüsement! Zum Abschied umarmt er uns, er hat uns und wir ihn ins Herz geschlossen.

Noch ein weiteres Highlight macht unseren Aufenthalt unvergesslich – es gelingt mir, Herbert zu einer Urwald-Adventure-Tour zu überreden. Wir schwingen 30 Meter hoch zwischen den Bäumen, klettern im Inneren eines hohlen Ficusbaums 40 m hoch und seilen uns von der Baumspitze wieder ab, balancieren über hängende Affenbrücken und springen wie Tarzan in die Seilschaukel. Ein Nervenkitzel in der Abgeschiedenheit des tropischen Primär-Urwaldes, denn hier wird nur sanfter Tourismus gewünscht und so waren wir die einzigen Besucher. Auch hier zeigt sich, wie bewusst und vorbildlich Costa Rica mit seinen Naturressourcen umgeht.

Schweren Herzens nehmen wir von dieser blumenreichen, am kühlen Wasserfall gelegenen Oase Abschied. Es zieht uns weiter nach Norden ins Vulkangebiet. Die Landschaft verändert sich, üppiges Grün, hektargroße Mangobaumplantagen, nicht enden wollende Zuckerrohrfelder soweit das Auge reicht. Wieder einmal drängen sich Fragen auf, die die Ausbeutung unserer Erde betreffen. Kann man denn überhaupt noch irgendetwas ruhigen Gewissens essen? Wir denken an die riesigen Ausdehnungen der Ananasplantagen, wo der Einsatz von Pestiziden dazu geführt hatte, dass Grundwasser für die nächsten 800 Jahre vergiftet und untrinkbar wurde, die Trinkwasserversorgung muss vielerorts durch den Tankwagen erfolgen. Wieder einmal fassen wir den Vorsatz, verstärkt auf lokale Produkte zurückzugreifen und sind stolz auf unsere Kinder, die sehr auf Nachhaltigkeit bedacht sind.

Stundenlang fahren wir über die Panamericana, die sich in abenteuerlichen Serpentinen auf über 3000 Höhenmeter hinaufschraubt, es geht durch dichten Nebel, fast sieht man das Lenkrad vor den Augen nicht mehr, die Temperatur fällt auf knapp über Null Grad zurück. Von Zeit zu Zeit reißt die Nebelwand unversehens auf und gibt den Blick auf das malerische Umland preis.

In der Ferne über der Hauptstadt San Jose ragt der mit seinen knapp 3500 Metern höchste Vulkan Costa Ricas, der ‚grollende Berg‘ Irazu in die Höhe. Sein letzter Ausbruch ist nicht sehr lange her, erst 1994 versetzte er die Bevölkerung in Angst und Schrecken. Da die Kraterwände sehr dünn sind, besteht die Gefahr, dass sie abbrechen und den halben Berg mit sich in die Tiefe reißen. Auch der pittoreske smaragdgrüne Säuresee in seinem Krater, der vom Regenwasser gespeist wird und 2015 versiegt war, würde dabei ausfließen. 2016 hatte der Ausbruch seines benachbarten Bruders Turrialba durch hohe Aschewolken den gesamten Flugverkehrt lahmgelegt.

Doch auch der Mensch, so scheint es, kann einem hier rund um San Jose gefährlich werden – denn warum sonst wären die Häuser von oben bis unten mit einer Gitterfront zur Straße hin abgeschirmt! Wir sind dankbar, nicht so wohnen zu müssen!

Den Irazu „erklimmen“ wir mit dem Auto, was uns nicht auf Anhieb gelingt, denn wir haben eine Vorliebe für Abkürzungen, die sich dann in ihr Gegenteil verkehren. Prompt stecken wir plötzlich hoch oben am Berg mitten in den Kaffeeplantagen fest. Erst nach mehrfacher ortskundiger Anleitung und hartnäckigem Ignorieren von Fahrverbotsschildern finden wir den richtigen Weg. Mit zunehmender Höhe und Entfernung zur Stadt nehmen die Vergitterungen vor den Häusern wieder ab, wir kommen an Bergbauernhöfen im Hochgebirge vorbei, fast wie bei uns in den Alpen. Noch weiter oben offenbart sich eine atemberaubende Kulisse der Kraterlandschaft, bis der Berg in seiner puren Schönheit, die Sicht von einem Meer zum anderen, vom Pazifik bis zum Atlantik freigebend, vor uns ausgebreitet liegt. Pura vida! mit diesen Worten wird man überall in Costa Rica begrüßt.

 Ja, hier hat man das Gefühl, mit dem Leben auf Tuchfühlung zu sein!

Nicht ganz so hoch doch nicht weniger beeindruckend präsentiert sich der Vulkan Arenal – er steht ganz für sich allein, ein riesiger Kegel, meistens in dichte Nebelwolken gehüllt – dürfen wir ihn in seiner vollen Pracht bewundern und dabei beobachten, wie er genüsslich seine dicke Zigarre raucht – auch er ist noch aktiv! Zu seinen Füßen liegen wie zur Warnung dicke schwarze Felsen von seinem letzten Ausbruch im Jahre 1968.  Auf der anderen Seite wird er von einem tiefliegenden, halb mit einer hellgrünen Decke überzogenen See geschmückt, der vielen Vögeln, die wir hier zum ersten Mal sehen, Lebensraum bietet.

Sogar das Nachtquartier beim Dirk aus Deutschland, der eine wunderschön angelegte Lodge unter einem uralten heiligen Ceiba-Baum mit Blick auf den großen Arenal-Stausee betreibt und der jedem Gast persönlich das Abendessen zubereitet, ist ein Erlebnis für sich. Beim Spaziergang durch den exotischen Steingarten wäre ich beinahe über eine kohlkopfgroße Kröte gestolpert und traue meinen Augen nicht – wird mir doch nicht etwa ein verwunschener Prinz zu Füßen liegen! Gottseidank habe ich ihn nicht geküsst, der Froschkönig ist giftig und ich würde ihn ungern von unten betrachten!  

Am nächsten Tag machen wir uns auf, um im vom Arenal aufgeheizten Wasser des Rio Chollin zu baden. Wir liegen in kleinen natürlichen Becken, das Thermalwasser, das über die Stromschnellen schießt, massiert unsere Muskeln. Über uns wiegen sich die Blätter und Äste des Tropenwaldes, neben uns laufen Jesusgekkos über die Wasseroberfläche, ein kleiner Nasenbär taucht auf und verschwindet hinter einem Felsen. Nichts wie hinterher, mit der Kamera bewaffnet, über Fels und Stein. Da drüben, auf dem Ast, da sitzt er und macht sich seelenruhig über die Pommes her, die jemand liegen gelassen hat. In beobachtender Wachsamkeit lässt er mich ohne jede Scheu bis auf zwei Meter an sich heran.

Auf dem Rückweg machen wir noch einmal Halt, um einen Spaziergang durch einen kleinen doch besonders artenreichen Nationalpark zu machen. Spinnenaffen, Aras, eine kleine weiße Fledermaus, die unter einem großen Palmenblatt Schutz gesucht hat – und ein graubrauner Fluss, in dem sich hunderte Krokodile tummeln – als Aussichtspunkt dient eine hohe Autobrücke, unter der es ihnen anscheinend besonders gut gefällt. Gruselig!

Nach einer Woche Rundreise und 1500 zurückgelegten Kilometern sind wir wieder zurück bei unserer KALI MERA. Nicht nur einmal waren wir froh, in einem Allrad zu sitzen, wir haben Bäche durchgequert, unglaubliche Steigungen bezwungen, sind durch Schlaglöcher auf Schotterpisten gerattert und haben schließlich einen von oben bis unten verstaubten Toyota zurückgebracht. Weiter geht es über das Wasser!

Mexiko und Guatemala

Nachdem wir die KALI MERA in Chiapas wieder auf Vordermann gebracht haben geht es endlich ans Besichtigen, ein volles Programm wartet auf uns: Zuerst ein Tagesausflug mit anderen Seglern ins Landesinnere, der polyglotte Toni (er lehrt Englisch an der Uni, unterrichtet in seiner Sprachschule Deutsch und auch mit den Franzosen kann er sich fließend unterhalten) ist unser Fahrer und Guide. In einer Iguana-Aufzucht-Farm sehen wir tausende von den grün-grauen Gremlins, in einer Krokodilfarm besichtigen wir Gürtel, Brieftaschen und Schuhe im noch lebenden Zustand (ich glaube verarbeitet sind sie dann glüklicher), eine Mayja Ausgrabung besuchen wir und in einem kleinen traditionellen Kakao-Betrieb zeigt uns die betagte aber äußerst quirlige Chefin, wie sie den Kakao röstet, siebt, mahlt und zu einer Schokolade-Paste endverarbeitet, alles in Handarbeit wie schon seit über tausend Jahren. Dann geht es weiter ins Gebirge, zum Vulkan, in einem Bergdorf genießen wir lokalen Kaffee und die frische Luft.

Tags darauf buchen wir kurzentschlossen eine Fahrt mit dem Ticabus nach Antigua Guatemala. An der Grenze zu Guatemala (wir müssen aussteigen und die Formalitäten erledigen) werden wir sofort nach allen Regeln der Kunst ausgenommen, als Ticabus-Mitarbeiter „getarnte“ Betrüger führen uns zum Ausreiseschalter, alles muss ganz schnell gehen, der Bus wartet, ein riesiges Durcheinander wird inszeniert, dann sind plötzlich unsere Pässe weg, wir müssen „Einreisegebühr zahlen“, Geldwechsler scharen sich um und betrügen uns unter fachgerechten Anleitung unseres „Guides“, am Ende bekommen wir unsere Pässe mit einem Einreisestempel wieder, ohne jemals einen Offiziellen aus Guatemala gesehen zu haben. Wir sind ca. 150 Dollar ärmer und eine wertvolle Erfahrung reicher. Nicht nur uns, sondern auch zwei jungen deutschen Backpackern wird das Geld mit der gleichen Masche abgenommen, ein Monatslohn wird in wenigen Minuten ergaunert.

So unerfreulich der erste Kontakt mit Guatemala war, so schön ist dann dafür unser restlicher Aufenthalt. Die Tage in Antigua, der vielleicht schönsten kolonialen Stadt Mittelamerikas, vergehen schnell. Die alte Stadt ist in einem wunderbaren Zustand, die Häuser sind liebevoll renoviert, die schöne Architektur ist eine Wohltat, das Klima frühlingshaft. Von den Dachterrassen aus kann man den rauchenden und Feuer spuckenden Vulkan sehen, einen überlebenden Gott der Mayas, eine ständige Erinnerung an die Macht der Natur, erst letztes Jahr ist er in einer gewaltigen Eruption ausgebrochen und hat viele Menschenopfer gefordert.

Die Stadt ist blitzsauber und völlig sicher, es gibt wunderbare Kaffeehäuser und Restaurants, wir flanieren herum und lassen es uns gut gehen, genießen die Atmosphäre und die Kulinarik, und tauchen abends in die Musikszene ein. Auf unseren Streifzügen wandern wir auch etwas aus der Altstadt hinaus, sobald wir die touristische Zone verlassen da ändert sich der Eindruck leider schlagartig, Berge von Unrat und Schmutz liegen neben der Straße, und die Armut ist überall greifbar, ein schmerzhafter Kontrast.

Nach Flores leisten wir uns den Luxus eines Fluges, dort verbringen wir zwei Tage in entspannter touristischer Atmosphäre, viele Backpacker haben es sich hier gemütlich gemacht, es ist eine bunte internationale Gemeinschaft. Um halb fünf in der Früh sitzen wir schon im Bus von Flores nach Tikal, damit wir zu den ersten Besuchern gehören und die Anlage noch „für uns alleine“ haben (um sechs Uhr wird aufgesperrt und wir sind die ersten Gäste). Wir nehmen nicht den Hotel-Bus um 50 Dollar sondern den Minibus um 10 Dollar, vollgepackt mit jungen Reisenden aus aller Herren Länder, guter Stimmung und junger frischer Energie. Tikal ist großartig, auch wenn wir die mexikanischen Maya Highlights schon fast alle besucht haben, diese Ausgrabung übertrifft unsere Erwartungen. Ein riesiges Areal, gewaltige Tempel im Dschungel, es ist so weitläufig, dass sich die Besucher „verlaufen“, an manchen Plätzen kann man ganz alleine und in völliger Ruhe die Stimmung aufnehmen, viele Pyramiden, Tempel und Paläste kann man „erklettern“ und hautnah entdecken. Ungefähr eineinhalb Jahrtausende war Tikal das politische, kulturelle und spirituelle Zentrum der Majas, das Ende kam dann nicht durch Kriege, wie sonst so üblich, sondern durch Klimaveränderungen. Die Stadt musste aufgegeben werden und der Dschungel holte sich in kurzer Zeit zurück, was ihm von über 100 Generationen abgerungen wurde.

Neun Stunden streifen wir durch die gigantische Anlage und haben immer noch erst einen Teil gesehen, vieles ist noch nicht ausgegraben und schlummert unter dichtem Bewuchs, überall kann man Hügel erkennen unter denen Tempel und Pyramiden von vergangener Größe träumen, bis sie irgendwann, gekitzelt durch Archäologen, wieder aufwachen werden. Nach dem Pyramiden-Wandertag geht es mit dem Bus zurück nach Flores, begeistert, hungrig und müde – aber nach einem Service-Stop im Restaurant wird der Abend noch einmal sehr nett, auf der großartigen Dachterrasse der Absteige unserer Tikal-Busbekanntschaften (Booking.com: „Achtung, Bettwanzen“) hören wir die Lebens- und Reisegeschichten einer jungen Generation. Menschen auf Reisen – da wird es nicht langweilig, und wir sind ziemlich beeindruckt über so viel Engagement und Lebenserfahrung im zarten Alter von unter 25 Jahren.

Der Rückflug nach Guatemala City mit der kleinen Propeller-Maschine, in der wir direkt hinter dem offenen Cockpit sitzen, wird zum Erlebnis, es geht in der Nacht durch die hohen Gewittertürme, rund um uns sieht man die Blitze aufleuchten, mir ist beim Fliegen sowieso immer unwohl und diesmal muss ich besonders aufpassen, ich habe immer das Gefühl, das Flugzeug bleibt nur wegen meiner ständigen Konzentration in der Luft…

Weiter geht es nochmals nach Antigua,  einen Abend in der bezaubernden Stadt, das Konzert von Freunden wollen wir hören, dann sausen wir in der Früh schon wieder zurück mit dem Ticabus nach Tapachula in Mexiko. Die Überlandbusse sind schnell und komfortabel, mein „Mietwagendogma“ kommt ins Wanken, wir sitzen in der ersten Reihe, haben einen tollen Rundumblick und wenn ich ein Nickerchen mache sind wir nicht sofort im Straßengraben.

Guatemala war ein besonderes Erlebnis, großartig, voller Kontraste, arm und reich, schmutzig und gediegen, betrügerisch und liebenswürdig, schrecklicher stinkender Verkehr und kontemplative Stille, Slums und faszinierend schöne Bauwerke.

In Guatemala hätten wir es noch länger ausgehalten, aber ein Wetterfenster für die Querung des berüchtigten Golfs von Tehuantepec hat sich aufgetan, das wollen wir unbedingt nutzen. Es kann mehrere Wochen dauern, bis der Golf passierbar ist, schwere Stürme sind hier an der Tagesordnung, und unsere Uhr für die Reise in die Sea of Cortez tickt immer lauter. Mitte Mai beginnt hier bereits die Hurrican-Saison und wir haben noch fast 1500 Seemeilen vor uns, um vor den Stürmen in Sicherheit zu sein.

Tadeja kocht für die Passage vor, ich mache den nötigen Ölwechsel, wir tanken die KALI MERA voll und bereiten alles für die Überfahrt vor. Auf Grund des stabilen Wetterberichts fahren wir die direkte Route quer über den Golf, wenn Gefahr für Nordwind besteht muss man unbedingt den Golf knapp am Ufer entlangfahren, nicht der Wind alleine ist das Risiko, sondern die blitzartig entstehende schwere See mit hohen kurzen Wellen macht das Gebiet so gefährlich. „One foot on the beach“ soll man hier segeln, die laut nautischer Literatur einzig sichere Strategie für den Golf.  Wir queren dennoch direkt und werden wir mit einer relativ angenehmen Fahrt belohnt, die ersten 36 Stunden sind ruhig, wir können segeln und motor-segeln, Delphine sind ständig um uns, auch große Wale sehen wir neben dem Boot. Ein kleiner Thun schnappt sich unseren Köder und landet als Filet in der Gefriertruhe. Während wir früher fast ständig geangelt haben, kommen jetzt die Köder nur noch selten ins Wasser, es gibt hier so viele Fische, dass wir mit einem Biss rechnen können, und wir fangen nur was wir kurzfristig verspeisen. Filets werden vakuumverpackt, da würden sie auch im Kühlschrank einige Tage frisch bleiben, aber ein kurzes „Durchfrieren“ tötet allfällige Parasiten, die im Fleisch sein könnten, zuverlässig ab und hat keine Auswirkung auf die Qualität.

Aufregung gibt es, als wir knapp vor Mitternacht mit dem Kiel eine starke Leine fangen und Leine und aufgeregte Fischer hinter uns herziehen, es dauert ein wenig bis wir verstehen, was ihre Lichtsignale bedeuten.  Es wimmelt hier von langen Schwimmleinen

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, die in der Nacht für uns völlig unsichtbar sind. Wir sind fast 100 Meilen vom Land entfernt und dennoch wird hier mit kleinen Pangas (einfache offene Motorboote mit Außenboarder) gefischt, ich bewundere den Mut dieser Fischer. Ich habe gerade ein wenig geschlafen, bis Mitternacht hat Tadeja immer Wache und sie weckt mich auf, was wollen die Fischer von uns? Sie blinken uns an, Funk haben sie wohl keinen, SOS ist es nicht, eine wildgewordene Lichtorgel hinter uns – wir stoppen die KALI MERA und sehen die Leinen – Bescherung. Die Panga kommt an unsere Seite, zwei junge freundliche Männer sind es, die hier mutterseelenallein auf hoher stockdunkler See Ihre Yachtfallen auslegen, mit Ihrer Hilfe befreien wir die Leine. Nicht das erste Mal sind wir heilfroh über das Design unseres Unterwasserschiffs, Ruder und Propeller sind so geschützt, dass eine Leine dort nicht leicht einen Schaden anrichten kann. Am nächsten Tag weichen wir einer Leine aus, die fast drei Meilen lang ist, die Bojen kann man nur am Tag sehen. Die Fischer, Netze und Leinen machen eine kontinuierliche Nachtwache auch weit draußen notwendig, es ist immer einer von uns am Ausguck.

In der zweiten Nacht wird es ruppig, der Wind legt zu, hart am Wind müssen wir mit den kurzen steilen Wellen kämpfen, die Strömung ist gegen uns, wie so oft in diesem Jahr wird es eine Nacht ohne Schlaf für mich. Die Wellenfrequenz beträgt nur wenige Sekunden, die Wellen sind bis zu drei Meter hoch, immer wieder erzittert das ganze Schiff, wenn es, von einer Welle hochgehoben, mit lautem Krachen in die nächste Welle schlägt.  Aber nach 50 Stunden haben wir den Golf geschafft und liegen sicher vor Anker in Huatulco, einen Erholungstag gönnen wir uns, dann haben wir wieder zwei Nachtfahrten nach Acapulco vor uns.

von Costa Rica nach Mexiko

Ganz im Norden von Costa Rica, in der großen Bucht Santa Elena, die sich tief ins Land hinein ausdehnt, da liegen wir vor Anker und warten. Warten, bis die Papagayos, die uns hier erwischt haben, wieder verschwinden. Die Papagayos – das ist nicht etwas das man morgens mit Joghurt zum Frühstück verspeist um eine Unterlage für den Kaffee zu erhalten, es sind auch keine tropischen Fische und auch nicht die kreischenden bunten Vögel, die in den Bäumen über uns hocken und einen mordsmäßigen Lärm machen, nein, die Papagayos sind ein Wetterphänomen, dem die Segler der mittelamerikanischen Pazifik-Küste mit enormen Respekt begegnen. Heimtückische Fallwinde sind es, wenn der Passat in der Westkaribik in Mittelamerika an Land trifft und nicht mehr genau weiß wo er weiter hinsoll, dann sucht er sich, völlig verärgert wegen dem plötzlichen Widerstand, seinen Weg durch die hohen Berge Costa Ricas und  Nicaraguas. Kaum hat er dann die Schneise gefunden, durch die er sich zum Pazifik durchzwängen kann, lässt er seine Wut an den paar Unglücklichen aus, die hier unbedingt mit dem Boot herumfahren müssen.  Und hier in Santa Helena sitzen wir nun und warten, dass die mörderischen Böen aufhören und wir wieder weiter nach Norden aufbrechen können.  Vor einem Tag haben wir Playa del Coco noch frühmorgens bei einem lauen Lüfterl verlassen (ist doch nur alles aufgeregtes Gerede das mit den Papagayos…), doch mitten im Golf hat uns der Wind dann unbarmherzig zur Rede gestellt, vor dem Cabo Santa Elena (Segelguide: „do not try to pass Cabo St. Elena when Papagayos are blowing ,…“) müssen wir ein wenig Rast machen (es gibt da mit „West-Point“ eine kleine Stelle an der man relativ ruhig ankern kann um den Sturm auszusitzen), dann geht es um das Kap und direkt gegen den Wind unter Maschine die 12 Meilen in die Bucht, in der wir dann festsitzen. Die Böen haben bis zu 40 Knoten, Tendenz steigend, aber ohne Wellen in der malerischen Bucht vor Anker zu liegen ist gar nicht so schlimm, was man von der Umrundung des Kaps nicht behaupten kann.

Zum Wohlbefinden während der Fahrt hat nicht beigetragen, dass ich regelmäßig in den Motorraum turnen darf, Filter prüfen, hin und wieder etwas Wasser ablassen (aus dem Wasserabscheider, nicht aus mir) damit ich nicht ständig daran denken muss, dass genau jetzt der Motor ausfallen wird, ersäuft durch Wasser im Diesel und wir dann, wenn es uns Monate später stark abgemagert an die japanische Küste treibt, ein dortiges Fabrikat neu einbauen müssen. Wer will denn schon einen nagelneuen Yanmar. Aber alles war ok, trotz der Bocksprünge, die unsere Kali Mera macht, bleibt der Diesel bis nach Santa Elena fast wasser-frei, nur schmutzig ist er weiterhin, eine komplette Tankreinigung ist unausweichlich. Wir planen das in der Marina Chiapas, unserem Einklarierungshafen in Mexiko, machen zu lassen. Dass Herr Amel in den Edelstahl-Tank keine Wartungsluke eingebaut hat, durch die man das Zeugs komfortabel entfernen kann, ist mir völlig unverständlich, erst bei späteren Baujahren des Schwesternschiffes „Super Maramu“ wurde dieser Bug behoben.

Wir fühlen uns sehr wohl mit der Entscheidung die Pazifik-Querung etwas aufzuschieben und vorher noch Mexiko zu besuchen, manchmal – so scheint es – muss wohl das Schicksal etwas mithelfen und uns den richtigen Weg weisen. 

Nach zwei Tagen gaukelt uns dann der Wetterbericht (der lügnerische Halunke) ein Wetterfenster vor, die Papagayos sollen schwächer werden und günstige Winde für die Reise nach Norden sollen sich einstellen, sobald uns der Wind vorbeigelassen hat will er wieder zurückkommen. Wir zögern nicht lange und brechen auf, und kommen damit wohl in die schwierigste Etappe unserer bisherigen Reise seit der Türkei. Das erste Stück wird es wirklich ruhiger, aber dann, gegen Abend, dann geht es wieder richtig rund.   Der Ankerplatz, den wir uns zum Abwettern ausgesucht haben, ist zu seicht, wir müssen weiter und Kurs auf den Hafen von San Juan del Sur nehmen. Kaum haben wir die Grenze zu Nicaragua überquert, werden wir auch schon von der Küstenwache gestoppt, sie gehen trotz schlechter Bedingungen und Dunkelheit längsseits, kommen schwerbewaffnet an Board und müssen uns unbedingt kontrollieren. Die ganze unheimliche Aktion dauert Gottseidank nicht lange, sie sind genauso froh wieder von Board zu sein wie wir, nachdem der sonst so beherrschte Skipper der KALI MERA einen Wutausbruch bekommen hat und Ihnen in aller Deutlichkeit seine Unzufriedenheit darüber zum Ausdruck gebracht hat, dass sie sich nicht die Zeit genommen haben 15 Sekunden zu warten bis die schützenden Fender montiert sind. Nein, Rumms, dran an die  Boardwand, knirschendes Material, brüllender Skipper, erschrockene Soldaten!

Nach diesem Ereignis laufen wir illegal in den Hafen von San Juan ein, wir brauchen etwas Ruhe. Sturmböen, stockdunkle Nacht, keine Sicht und ein Hafen voller unbeleuchteter Boote, Bojen und anderer Hindernisse. Irgendwann liegen wir dann vor Anker, die Nacht erfordert eine Ankerwache, nix ist mit erholsam. Beim ersten Morgengrauen flüchten wir, Anker auf und weg. Oder doch nicht?  Eher: Anker auf und festhängen!  Wir haben eine armdicke alte Muringleine mit einem LKW Reifen gefangen, alles hängt brav an unserem Anker, so sicher sind wir schon kann lange nicht mehr gelegen. Irgendwie kommen wir dann frei, nichts wie weg, weiter geht’s.

Der Wind legt ständig zu, unbarmherzig drücken uns die Böen aufs Wasser, es hat zwischenzeitlich schon durchgehend 35 Knoten Wind, die Böen gehen deutlich über 40 hinauf, und sie kommen so plötzlich, dass wir fast nicht darauf reagieren können. Unser Segel ist nicht mehr viel größer als eine Serviette und dennoch rauschen wir mit Rumpfgeschwindigkeit nach Nordwesten, die Gischt reißt vom Wasser ab und die See kocht. Den ganzen Tag haben wir Gale-Conditions, die KALI MERA benimmt sich großartig, aber uns merkt man die Belastung an. Wir entscheiden, die Nacht nicht durchzusegeln und finden wirklich einen Platz, an dem wir relativ gut ankern können, wir wollen uns erholen. Frühmorgens geht es weiter, der Wind bleibt stark, aber je weiter wir in den Norden von Nicaragua kommen, desto angenehmer wird der Windwinkel und umso ruhiger das Segeln. Drei Nachtfahrten liegen nun vor uns, an Schlaf ist wenig zu denken. Der Wind wechselt ständig Richtung und Stärke, die See ist aufgewühlt, konfus, es gibt hohe Kreuzwellen und die KALI MERA wird zum Cocktail-Shaker und wir werden so richtig gut durchgemischt, bis wir mürbe sind.  Lange Schwachwindphasen zwingen uns den Motor zu verwenden, und alle zwei Stunden müssen die Filter entwässert werden, der Tankinhalt wird durch die Luftsprünge unseres Schiffes so aufgewirbelt, dass der ganze Bodensatz in die Filter wandert. Als es einfach nicht mehr anders geht, füllen wir (natürlich in der Nacht) unsere Reservekanister in den Tank um, damit das Mischungsverhältnis besser wird. Die Aktion war erfolgreich, wir kommen mit laufendem Motor und völlig erledigt in der Marina Chiapas in Mexiko an.

Hier werden wir nun ein paar Tage bleiben, die Marina ist angenehm, ruhig, überaus freundliche und hilfsbereite Menschen. Das Einklarieren nimmt einen ganzen Tag in Anspruch, kaum sind wir am Steg kommt schon das Militär mit Drogenspürhund an Board, der Marina-Manager Rolf fährt uns mit seinem Pickup zu ca. 100 verschiedenen Behörden, dann geht es noch mit dem Taxifahrer Louis an die Grenze zu Guatemala, nur dort bekommen wir nämlich die „Erlaubnis für einen temporären Fahrzeug-Import“ (die KALI MERA), und schließlich und endlich sind wir offiziell eingereist.

Tags darauf wird dann schon der Tank gereinigt, wir pumpen 120 Liter trüb-braunen Diesel heraus, dann sauge ich mit der Vakuumpumpe, die ich zum Ölwechsel verwende, noch fast zwei Liter „Kaffee“ aus dem Tank, alle Filter werden gereinigt und getauscht und wir sollten nun den „Murl“ wieder verwendet können. Einen ganzen Tag dauert die Aktion, am Abend falle ich todmüde in die Koje. Tadeja putzt das Boot, wir könnten Werbung für die Salinen Austria machen, überall gibt es dicke Salzschichten. Aber wir haben ja nun einen Süßwasser-Anschluss und einen Schlauch, welch Luxus. Sogar Landstrom haben wir hier, wir haben das Boot extra verlegt um einen der wenigen Plätze zu bekommen, an dem es 230 Volt Anschlüsse gibt, hier ist alles für die amerikanischen 115 Volt ausgelegt. Es passt zwar keiner unserer Stecker, Adapter gibt es in Mexiko keine, aber ich bekommen die Sondererlaubnis die Stromsäule einfach aufzuschrauben und mir den Strom direkt dort abzuzapfen, wo ich das für richtig halte. Es funktioniert, ein paar Kabel hier, ein paar Klemmen dort und die Marina Chiapas hat nun – zumindest temporär – einen Liegeplatz mit europäischem Stromanschluss…

Einige Tage brauchen wir hier noch um alles für die Weiterreise zu organisieren, einen Liegeplatz für die Hurrican-Saison zu organisieren, und dann wollen wir auf dem Landweg von hier aus Guatemala besichtigen.

,mDie Fahrt hierher, – so anstrengend sie auch war-, hatte aber auch wunderschöne Momente: Sonnenuntergänge, bei denen man vor Schönheit schwermütig werden könnte, Sonnenaufgänge, bei denen das Herz vor Freude hüpft, wir segeln wenige Meter an zwei riesigen Buckelwalen vorbei, Delphine begleiten uns beinahe die ganze Strecke, Tag und Nacht spielen Sie mit dem Schiff, machen Luftsprünge und haben anscheinend ihre Freude mit uns. Wir sehen sie auch auf der Jagd, Thunfische springen hoch aus dem Wasser und Delphine hinterher, großartige Anblicke. Große Schildkröten paddeln an uns vorbei, Rochen machen ihre Saltos und einmal macht eine Fledermaus Rast in unserem Cockpit, sie hängt sich direkt neben uns unter die Bimini, putzt sich gründlich und flattert dann nach einiger Zeit wieder davon. Tölpel machen auf dem Bugkorb Pause und spielen „Reise nach Rom“, und Fregattvögel streiten sich darum, wer auf der Spitze vom Besan-Mast sitzen darf . Hier in der Marina gibt es auch noch andere geflügelte Viecher, nämlich echte Culicidae, aber auf die könnten wir ruhig verzichten ?