Rio Diablo und Inselhüpfen

Nach dem ersten Schrecken über die Rückkehr in die Zivilisation kann ich am nächsten Tag dann doch schöne Seiten an Nargana entdecken. Der Rio Diablo ist eine solche, ein schöner ruhiger Fluss den wir mit unserem Dinghi kurz nach Sonnenaufgang einige Meilen stromaufwärts fahren. Tief aus dem Herz des Regenwaldes kommend fließt hier in malerischen Biegungen der „teuflische Fluss“ langsam zum Meer. Über die Eingangs-Barre müssen wir das Dinghi noch ziehen, dann wird es tiefer und bald ist das Wasser für die Groß-Dinghi-Fahrt wunderbar schiffbar und völlig klar. Die Frühaufsteher unter den Vögeln lassen sich schon blicken, von den Krokodilen sehen wir nur die Spuren, die sie beim Gute-Nacht-Landgang im Schlamm hinterlassen haben. Langsam manövrieren wir zwischen halb untergetauchten Baumstämmen in den Urwald hinein, und langsam erwachen auch die Tiere, zuerst kommt nur ein verschlafenes Guten Morgen aus dem grünen Dickicht, aber bald füllt sich das Blätterdach mit Krächzen, Gurren, Schreien und Zwitschern.  Zurück, mit der schwachen Strömung, da paddeln wir, und kein Motorengeräusch mischt sich in die Stimme des Regenwaldes.

Nach diesem Ausflug bin ich mit Nargana versöhnt und wir freuen uns schon wieder auf die traumhaften Ankerplätze der umliegenden Inseln. Zuerst segeln wir zurück nach Esnasdup, warten dort auf unsere Kinder, die vom Kuna-Taxi direkt ans Boot geliefert werden. Tim ist von der Überfahrt halbseitig gegrillt als er auf die KALI MERA steigt (wer denkt schon an Sonnenschutz wenn er aus dem Winter kommt) und hat einen leichten Sonnenstich, aber es dauert nicht lange und er ist wieder fit. Auf einer kleinen unbewohnten Insel, eine knappe Meile entfernt, da treffen sich die Segler zum Sundowner und Potluck (jeder bringt was mit und dann gibt es ein großes buntes Buffet), in der Dunkelheit geht es dann zurück zum Ankerplatz, die Wellen sind klein, es reicht aber um im Dinghi klitschnass zu werden. Unsere Sundowner Insel hat nicht mehr als 30 Meter im Durchmesser, ist voller Kokospalmen und hat zur Verschönerung ein paar leuchtend rot blühende Bäume in denen sich die Kolibris tummeln. Der Strand besteht aus feinem Korallensand und im türkisen Meer sitzen rote Seesterne.  Adrian von der WHISPER (https://littlecity.ch) filmt uns von oben mit seiner Drohne (siehe seine Bilder unten, auch unseren Ankerplatz sieht man da), dort ist dann das ganze unglaubliche Ausmaß der Schönheit aus der Vogelperspektive ersichtlich.

Mit unseren Kindern sind auch ein paar Ersatzteile eingeflogen und nun haben wir wieder Strom im Überfluss (neues Ladegerät) und das Thermostat am Kühlschrank konnte ich auch endlich reparieren. Dicke Yogamatten machen das Faulenzen am Achterdeck zum Vergnügen und die Luken kann man mit den neuen Griffen wieder ordentlich bedienen.

Die nächsten Tage hüpfen wir von einer Insel zur nächsten, Esnasdup, Green Island, Coco Banderas, weiter soll es noch zu den Holland Cays und dann zur Dschungelwanderung mit Lisa gehen. Das Tagesprogramm ist jeweils sehr ähnlich, schnorcheln, faulenzen, kochen, essen. Kulinarisch geht es uns weiterhin blendend, frische Meeresfrüchte werden uns so gut wie täglich an Board geliefert, Flo und Tim haben bei der Anreise den halben Rey leergekauft  und Hunger, ausreichend Zeit, Freude am Kochen und volle Vorratsschränke sind eine gute Kombination…

Nargana

Nargana und Jesu Corazon sind das „moderne Zentrum“ vom Kuna Land, zwei Inseln knapp am Festland, mit einer Brücke verbunden, an der Mündung des Rio Diabolo. Hütten mit Blechdächern, desolate Gebäude, Staubstraßen und Tümpel zwischen den Häusern. Hierher verschlägt es uns, weil wir eine Wäscherei benötigen und etwas Proviant aufnehmen wollen. Freundliche Menschen, jede Menge ballspielende Kinder, überall kläffende angebundene Hunde, ein paar kleine Läden mit Konserven und dem ein oder anderen Gemüse, und Plastikmüll, wohin auch immer das Auge sich hinflüchtet. Es ist mir ein Rätsel, wie man sich in diesem Unrat wohl fühlen kann, aber hier stört es anscheinend niemanden. Wenn alle zusammenhelfen würden, dann wäre diese Müllinsel innerhalb von kurzer Zeit gesäubert, aber hier wartet man lieber bis sich das von selbst reinigt. Die Bananenschalen lösen sich ja auch nach kurzer Zeit ganz von alleine auf, fürs Plastik braucht man halt ein bisschen mehr Geduld, eigentlich typisch für mich spießigen Sklaven unserer europäischen Leistungs-Gesellschaft, dass ich nicht einfach warten möchte bis die Weisheit der Schöpfung auch dieses Problem durch Zeitablauf löst.  Im Hafen schwimmt eine dichte Kunststoff-Müll-Decke vorm Dinghi Dock, der kleine Strand vor den Häusern auf der Ost-Seite ist vielfärbig bunt, besteht fast nur aus angeschwemmten oder weggeworfenen Verpackungen. Plastik-Flaschen, Dosen, Tuben, Plastiksackerl in allen Größen und Farben, die ganze Kreativität und Vielfalt der Verpackungsindustrie verschönert hier den Schrebergarten. Panamas Umweltministerium müsste hier einmal einen längeren Zwangsaufenthalt verordnet bekommen, vielleicht hat dann jemand eine gute Idee was man dagegen tun könnte. Zutiefst deprimierend ist dieser Ort für mich, der Lärm des Dieselkraftwerkes, den der Wind über den Ankerplatz weht, gibt mir den Rest (und während auf den paradiesischen Inseln ein paar Meilen weiter nördlich sicher die Sonne scheint, haben sich hier Nebel und Regenwolken langfristig angesiedelt um auch zarte grüne Sprossen von guter Laune sofort zu ertränken). Liebe Wäsche, sobald Du sauber bist, verschwinden wir, bitte beeile dich. Ich will weg von Plastik-Town. Danke.

 

Esnasdup und Green Island

Esnasdup könnte auch Austriasdup heißen, hier liegt eine ganze Österreicher-Kolonie vor Anker. TIFRICAT, TANGAROA, die Tiroler MUOZA und einige Tage später auch die BRIGHT STAR. Es ist eine lustige Runde, teils langgediente San Blas Insider, und die Abende werden in fröhlicher Gesellschaft lang. Tadeja muss allerdings immer frühmorgens aufstehen, täglich gibt es um sieben Uhr Yoga auf dem alten Fischkutter von Joyce und Lorenzo, nachmittags wird dann gemeinsam geschnorchelt, das Social Life in Esnasdup ist hervorragend organisiert, die Funke auf Kanal 72 ist geschwätzig wie selten, und die Dinghis sausen zwischen den Ankerliegern hin und her. Für uns ist es perfekt, wir bekommen alle San Blas Infos die wir uns nur wünschen können, die „alten Hasen“ kennen und wissen alles.

Wieder einmal sehen wir, dass sich unsere eigenen Erlebnisse nicht an die Erzählungen der anderen halten, nichts ist mit den befürchteten Versorgungsengpässen, von ausschließlich Reis,  Nudeln und Konserven essen. Alle paar Tage liefert ein schwimmender Kuna Gemischtwarenhändler Obst und Gemüse direkt an die Boardwand. So gut wie täglich pfeift uns ein Einbaum-Kapitän aus der Kajüte und bietet Fische, Lobster oder auch Oktopus an. Sogar Bier und Wein (letzterer im Tetrapack mit geschätzten 95 Falstaff Punkten, Not macht genießerisch) wird zugestellt, hin und wieder ist sogar ein frisches Huhn dabei. Die Preise sind moderat und auf ein einfaches Zusammenrechnen ausgelegt, manchmal kostet alles einen Dollar, dann sind es wieder einmal zwei und nur die hiesigen Zahlenmystiker, die Gödels der karibischen Inseln, die wagen sich and die Komplexität der 1,5 Dollar Notierungen. Milchprodukte bekommen wir hier am Floating Market nicht, aber die restliche Versorgung ist ausgezeichnet.  Wir machen es uns zur Angewohnheit, einfach zu warten, was heute der Zustelldienst am Menüplan hat, und das wird dann auch gekocht. Als Draufgabe haben wir leidlich gutes Internet, der Besan-Mast wird zum „Handy-Mast“ umgewandelt, dort hinauf wird das Smartphone mit dem aktivierten Hotspot gezogen (am Deck kein Empfang, zehn Meter höher ist alles ok, warum auch immer, und das nicht nur bei uns, auch auf anderen Schiffen kann man das Ritual des morgendlichen Handy-hissens beobachten).

Die Natur ist beindruckend schön, die Korallenriffe sind bunt und dicht bevölkert, es gibt Ammenhaie, Langusten, Rochen, Schildkröten und Unmengen an Fischen. Angeblich treiben auch ein paar Salzwasserkrokodile ihr Unwesen, hier auf Green Island soll vor nicht allzu langer Zeit eine Französin von so einem Reptil ziemlich übel zugerichtet worden sein. Und wenn wir schon bei den unangenehmen Zeitgenossen sind, Portugiesische Galeeren gibt es hier auch, wunderschöne majestätisch dahinsegelnde Staatsquallen, attraktiv und gefährlich. Ich kann zwischenzeitlich als Überlebender eines Galeerenangriffs bestätigen, dass die Viecher (a) nicht tödlich sind, (b) mehrere Meter lange quasi unsichtbare Nesselarme haben, (c) höllische Schmerzen verursachen die aber eh schon nach ein paar Stunden nachlassen und (d) langanhaltende, sehr hübsche und individuelle Tattoos am ganzen Körper eingravieren.  Tadeja hat sich da wieder einmal die sympathischeren Schwimm-Partner ausgesucht, beim Morgenbad neben dem Schiff erhält sie Delphinbesuch.

Das Wetter ist stabiler geworden, die Solarpaneele übernehmen wieder die Stromversorgung und der Wind legt zu. Es weht nun konstant mit 20 Knoten und frischt in Böen auf 30 Knoten auf, aber die Ankerplätze innerhalb des Riffs sind so gut geschützt, dass es nie unangenehm wird. Wir verkriechen uns einfach in die Lagune und lassen es uns gut gehen, noch ein paar Tage haben wir das Schiff für uns alleine, dann aber werden unsere Kinder die KALI MERA entern und aus ist es mit dem süßen Nichtstun, da freuen wir uns schon darauf…