In der Linton Bay liegen wir für einige Tage, füttern die Affen auf Linton Island, kaufen Gemüse beim Grün-Futter-Pickup und machen bei den Reparaturen weiter. Das Batterie-Ladegerät hat sich verabschiedet und der Kühlschrank ist dummerweise nur noch ein Lauwarmschrank. Wie gut, dass wir noch die Tiefkühl-Box an Board haben, die wird auf +6 Grad eingestellt und nimmt dem schwächelnden Fridge die Arbeit ab. Aber wie es der Zufall will, ist Ewan, der dicke Wirt und Hühner-Koch der Floating Bar, auch gleich Kühlschrank-Experte, wir bauen den Kühlschrank aus und transportieren ihn mit dem Dinghi zur Bar, dort wird dann ein gröberer Umbau in die Wege geleitet. Die Kühlflüssigkeit muss nachgefüllt werden, nur hat unser Uralt-Kühlschrank ein geschlossenes System und nix ist mit Nachfüllen, wäre da nicht Fridge-Ewan, der die Leitungen auftrennt, „Service Ports“ einlötet, Kühlmittel nachfüllt und dann am Schluss noch das Thermostat tauscht (das Thermostat hatte ich am Gewissen, mit kindlichem Entdeckergeist wollte ich wissen wie das funktioniert, habe es zerlegt, optimiert, – und damit auch gleich in die ewigen Jagdgründe geschickt). Der Kühlschrank kühlt nun wie der Teufel, aber das Thermostat ist von einer Gefriertruhe, und schaltet wohl erst bei – 20 Grad ab. Kein Problem, Ewan besorgt ein neues, wenn wir wieder vorbei kommen wird es eingebaut, „don’t worry, you are in good hands“ wird mir von Meister der Refrigeration versichert. Also schalten wir, völlig beruhigt, weil ja in den besten Händen, den Kühlschrank zwischenzeitlich einfach regelmäßig von Hand ein und aus, die „empfindlichen“ Sachen sind eh in der Box. Wir könnten den Kühlschrank natürlich auch durchlaufen lassen und am Ankerfeld Eiswürfel verkaufen, würde das Batterie-Ladegerät funktionieren oder wären die Sonnenkollektoren ohne Sonne nicht genauso unnütz wie eine Dachrinne in der Sahara, wir sind also plötzlich notgedrungen im Energie-Spar-Modus, AAA+ sozusagen, und da ist nun nix mit Eiswürfel für alle.
Der Wetterbericht ist günstig für die Weiterfahrt zu den San Blas Inseln, der Wind hat gedreht und ein leichter Norder bringt schrecklichen Schwell in die Bucht, wir rollen aufs Allerschlimmste und um halb vier Uhr krabbeln wir aus der Hochschaubahn und gehen Anker auf, tasten uns im Zick-Zack durch den stockdunklen Ankerplatz und folgen unserem Track hinaus aufs offene Meer (sehr praktisch so ein Track in der Nacht, wenn man genau dort fährt wie man hereingekommen ist dann stehen die Chancen gut, dass man auch beim Hinausfahren nicht die Costa Concordia als Vorbild hat). Dann geht es, bei hohen Wellen und leichter Seekrankheit, hoch am Wind nach Osten. Seit drei Jahren fahren wir immer nach Westen, die arme KALI MERA ist nix anderes mehr gewöhnt, ist anfangs etwas irritiert, hält sich jedoch tapfer und bringt uns sicher ans Ziel. Nach 10 Stunden fällt der Anker in der Südsee, durch die brodelnde Riffeinfahrt geht es in eine Lagune und dort liegen wir wie in Abrahams Schoß. Unglaublich schön ist es hier, die niedrigen Inseln um uns sind mit Kokospalmen bewaldet und rund um die Inseln zieht sich ein weites Riff, die gewaltige Brandung der mächtigen Brecher lässt weiße Gischtfontänen in die Luft steigen und ein dumpfes, Gottseidank entferntes, Grollen erfüllt die Luft. Wie ein riesiger Rettungsreifen hat sich das Riff kreisförmig um die Inseln gelegt
, und mitten drinnen, da liegen wir, in türkisem Wasser über Sandgrund, im Schwimmbecken mit Südsee-Idylle rundherum. Eine frische Brise sorgt für Abkühlung, die Sonne kommt immer öfter hervor, tagsüber Schnorcheln wir am Riff und beobachten Tintenfische, Langusten und Rochen, am Abend versinken unsere Blicke in den funkelnden Weiten des Nachthimmels, schier unendlich viele schimmernde und funkelnde Sterne tummeln sich dort oben, ich fühle mich gleichzeitig klein und unbedeutend aber auch als stabiles (wenn auch schaukelndes) Zentrum einer ganzen Welt.
Kurz nach der Ankunft in der Foto-Tapete gibt es wieder einen Szenenwechsel: In der Nacht wechselt das Wetter, die nächsten drei Tage wird eine Gewitterfront nach der anderen hier durchziehen. Sturmböen, Starkregen, Blitz und Donner schreiben das Drehbuch für unser Seglerleben. Es blitzt und kracht, das „Mitzählen“ vom Blitz zum Donner geht schon ganz automatisch, „ein km entfernt, kommt näher“, „zwei km, geht wieder“. Die Notebooks und Tablets kommen in den Backofen, werden herausgenommen, kommen hinein, heraus, hinein, heraus…. Das Innere des Backofens ist vom Blitzschlag geschützt, dort, wo normalerweise der Teig hinein und das frische Brot herauskommt, wo der Legende nach auch der alte Faraday gefangen gehalten wird, da ist die empfindliche Elektronik vor Thors Anfällen sicher. Wir verziehen uns ins Schiffsinnere und warten auf bessere Zeiten. Drinnen dampft es schon vor Feuchtigkeit aber heimelig ist es dennoch, ein bisschen wie als Kind beim Gewitter in der Hollywood-Schaukel sitzen und das Unwetter beobachten, nur noch eine Spur direkter. Beim Blick aus dem Seitenfenster sehen wir einen Fluss, der das Deck entlang rauscht, am Heck gehen die Niagarafälle direkt ins Meer. Lang kann es nicht mehr dauern und die Inseln, die sich ja nur ein paar Zentimeter über dem Meeres-Spiegel befinden, werden plötzlich verschwunden sein. Immerhin war unsere Pütz nach ein paar Stunden mit Wasser voll, und das sind 30cm Wassersäule, genug um Venedig zu überfluten. Jetzt ist so ein Segelschiff ja keine Queen-Mary und der Raum ist begrenzt, nach drei Tagen wünscht man sich schon wieder einmal zum Minigolf Spielen auf die Terrasse zu gehen, außerdem brauchen wir Sonne für unsere Solar-Panels, damit die sich um die Batterien kümmern können. Das Rezept in so einem Fall heißt Lesen, Lesen, Kochen, Essen, Lesen und Geduld.
Aber, ganz plötzlich, da ist die Sonne wieder da. Ohne Vorankündigung, als ob ein riesiger Reißverschluss geöffnet worden wäre, da ist sie mitten im hellblauen Samtkleid wieder hoch am Himmel und in kürzester Zeit trocknet das Deck und gleichzeitig verdampft die Erinnerung ans schlechte Wetter. Wir machen die KALI MERA segelklar und verlassen unseren Zufluchtsort mit geblähten Segeln Richtung Osten.
Es sind keine großen Strecken, die wir hier segeln müssen, ein paar Riffdurchfahrten und ein schöner Am Wind Schlag bei vier Windstärken, und schon fällt der Anker auf der nächsten Insel. Eine Guna-Familie im Einbaum begrüßt uns, überlässt uns einen großen Lobster gegen ein paar Dollar und ich befördere das arme Vieh gegen seinen Willen in den Kochtopf (für schwache Nerven ist das nichts und Tadeja, sonst der Schrecken der geangelten Doraden, weigert sich zu assistieren und verholt sich weit weg von der Kombüse an Deck). Als es dann am Abend köstliche Hummer-Spaghetti al la KALI MERA gibt ist Tadeja wieder voll dabei (Endstand Fressen gegen Moral – ein klares 1:0).
Die Unterwasserwelt hier ist fantastisch, es sind richtige Gärten unter Wasser, bunte Korallen und noch buntere Fische, eine Zauberwelt, von der wir nicht genug bekommen können. Dennoch geht’s am nächsten Tag schon weiter, der Anker fällt mittags am wohl spektakulärsten Ankerplatz an dem wir jemals waren, dem „Swimming-Pool-Anchorage“. Fast alleine liegen wir hier auf drei Meter Wassertiefe über hellblauem Sandgrund, vor uns eine kleine kitschige Insel, rund um uns ein Ringriff, an dem ununterbrochen die gewaltigen Wellen brechen, ein beständiges leises Grollen und hoch in die Luft schießende weiße Gischt erinnern uns an die Kraft des Ozeans, der ohne Pause versucht, einen Zutritt zu unseren Zufluchtsort zu finden, aber der Schutzwall aus Korallen, über tausende Jahre gewachsen, der hält. Es ist ein Ankerplatz der Superlative, Schönheit ist nicht das richtige Wort, es ist beindruckend, spektakulär und ehrfurchtsgebietend. In der Nacht verstärkt sich der Eindruck noch, das Donnern wird stärker, man spürt die Gewalt der Brandung, und rund um das Schiff, in völliger Dunkelheit, da beginnt eine wilde Jagd im Wasser, ein Wettschwimmen auf Leben und Tod, dem lauten Platschen nach sind es große Fische sein, die hier jagen und gejagt werden. Wir wollen herausfinden was das für Viecher sind und die Strömung ist so stark, dass wir – vor Anker liegend – die Schleppangel verwenden können. Prompt beißt ein dreiviertel-Meter Barrakuda in unseren Gummi-Tintenfisch, entert das Deck und verwandelt sich dann in einer von Tadeja dirigierten kulinarisch spektakulären Metamorphose in ein Barrakuda-Curry-Erlebnis.
Das Revier ist entspannend und einfach zu besegeln, perfekt für uns Boots-Camper, nur wenige Meilen trennen ein Palmenparadies vom nächsten, geschütztes flaches Wasser und schöner Segelwind, sichere Ankerplätze, es ist wie Inselhüpfen in Kroatien, nur dass die Locals hier aus den Kanus mit Molas und Lobster winken und nicht aus dem Motorboot mit dem Rechnungsblock für die Ankergebühr…