Überfahrt nach Panama

Unsere Zeit auf Providencia neigt sich dem Ende zu. Wir haben kurzfristig beschlossen, Anfang Juni nach Österreich zurückzufliegen, um dort wieder für einige Zeit wertvolle Mitglieder der arbeitenden Gesellschaft zu werden, gilt es doch Reisebudget für den Pazifik zu organisieren. Die Flüge sind gebucht, am dritten Juni wollen wir in Panama City abheben, für die KALI MERA haben wir einen Platz in der Shelter Bay Marina bestellt, dort darf sie im Trockendock den panamesischen Sommer genießen und sich von den Strapazen der diesjährigen Etappe erholen.

Es sind zwar nur 260 sm von Providencia nach Colon, zum Eingang des Panama Kanals, dort ist unsere Ziel-Marina nämlich, aber die haben es wettertechnisch in sich.  Wir holen unterschiedliche Wetterberichte ein, wie wir es drehen und wenden, richtig zu passen scheint es nie, nicht einmal dann, wenn man voller Optimismus die guten Seiten der unterschiedlichen Berichte kombiniert und den Rest ignorierr. Viel Wind kommt aus Osten, in der zentralen Karibik bläst es ganz ordentlich und eine hohe Welle hat sich aufgebaut. Die ersten 150 sm gibt es Starkwindbedingungen, und das dummerweise schräg von vorne, danach soll der Wind plötzlich aufhören um einige Zeit später frontal auf uns loszugehen. Soweit man wettertechnisch voraus blicken kann wird sich daran nichts verbessern, nur die Form des Übels kann sich ändern, also brechen wir gemeinsam mit der Libertad, einer Amel Maramu, die wir schon seit Marokko immer wieder treffen, auf.  Dennis und Virginia sind auf der letzten Etappe ihrer Weltumsegelung und wollen diese in der Shelter Bay Marina abschließen. Es ist angenehm auf dieser Etappe ein „Buddy Boat“ zu haben, mit dem wir uns alle sechs Stunden über Funk (VHF und SSB) kurzschließen, checken dass alles in bester Ordnung ist („How is Virginia, still sea-sick? – Tadeja and I could not eat today, everything is fine“) und Positionsdaten austauschen.

Als wir aufbrechen das kachelt es am Ankerplatz, noch nie sind wir bei solchen Windbedingungen losgefahren. Was uns erwartet kann man dem Segler in einem Satz erklären: Am Wind Kurs, sieben Windstärken, durchschnittliche Wellenhöhe vier Meter, durchgängig Squalls und Gewitterfronten.

Ein bisschen blumiger möchte ich es aber dennoch beschreiben, damit man sieht warum wir uns für „Am Wind Kurs, sieben Windstärken, durchschnittliche Wellenhöhe vier Meter, durchgängig Squalls und Gewitterfronten“ im Segeln nicht begeistern können. Die ganz und gar nicht durchschnittlichen Wellen sind riesig und auch noch unangenehm kurz und steil, nur eine Kreuzwelle bleibt uns Gottseidank diesmal erspart. An und für sich machen uns große Wellen schon lange nichts mehr aus, und Wind mit bis zu 30 Knoten ist auch kein Problem, wenn doch alles bloß von hinten kommen würde. Vor dem Wind, oder auch raumschot, da kann das dann durchaus recht spektakulär werden, aber es bleibt immer noch in gewisser Weise angenehm, aber gegenan, das müssen wir doch nicht wirklich haben. Es kracht und poltert, muss man dummerweise einmal aus dem Cockpit ins Schiff hinunterklettern dann wird man herumgeschossen wie eine Flipper-Kugel beim Rekordversuch, Essen kochen können wir vergessen, wir sind nicht einmal in der Lage das in weiser Voraussicht vorgekochte aufzuwärmen.  Wie gut, dass uns beiden ausreichend übel ist und wir eh gar nichts essen wollen.  Trotz der ungemütlichen Bedingungen schießen wir mit sieben bis acht Knoten dahin, manchmal sogar noch schneller. Wir haben Genua, Groß und Besan gesetzt, allerdings alles gut gerefft und die KALI MERA fühlt sich dabei wesentlich wohler als wir – sie steuert sich alleine und wenn wir nicht drauf wären dann würde sie halt ohne uns nach Panama fahren. Das wieder festgeschraubte Getriebe klopft nicht mehr und benimmt sich mustergültig, ein Stein fällt mir von Herzen. Der Wellengenerator ist damit wieder im Einsatz und wir haben Strom im Überfluss – damit können wir das Radar ständig mitlaufen lassen. Mit dem Radar schauen wir lange schon keinen anderen Schiffen mehr hinterher, sondern die Regenwolken vor uns, die beobachten wir, damit wir zwischen den schlimmsten Wolkentürmen „durchschlüpfen“ können. Nur keinen Blitzschlag und dann womöglich ohne Elektronik mit Koppelnavigation und von Hand steuern, – ein Alptraum.  Sicherheitshalber wandert das Ipad mit den elektronischen Seekarten und die Handfunke in den Backofen – nur dort ist das Zeug richtig sicher, außer man schaltet versehentlich den Ofen ein… . Manche Segler,  die schon ein paar Jährchen mehr auf dem Buckel haben und deren Kurzzeitgedächtnis erfolgreich den Schritt in den Energiesparmodus geschafft hat, die hängen sich sicherheitshalber einen Zettel auf die Backofen-Tür. Das brauchen wir natürlich nicht, und der Zettel am Generator-Startknopf (NICHT einschalten, Seeventile zu…) hat natürlich andere Gründe, und das Ipad finde ich gerade nicht… .

Herausfordernd wird es dann in der stockdunklen Nacht, wenn man nichts mehr sieht als hin und wieder schwarze Wellenberge mit weißen Gischt-Brechern, wenn man sich auf keine heranrollenden Wellen einstellen kann, wenn es plötzlich steil nach oben geht, die KALI MERA wie ein Buckelwal aus dem Wasser springt um dann mit einem gewaltigen Krachen voller Freude wieder einzutauchen, und unser Magen erst wieder eine Beruhigungs-Sekunde braucht. Festgeklammert und gut verspreizt liegen wir auf den Bänken im Cockpit, und nach einer ersten Eingewöhnungsphase gibt es sogar im Salon auf der Bank einen Platz an dem wir uns „wohlfühlen“. Durch die starke Krängung liegt man in der Bank auf der Steuerboard-Seite ganz bequem, dort darf derjenige versuchen zu schlafen, der gerade nicht Dienst hat, einer ist immer im Cockpit und tut so als könnte er auf irgend etwas aufpassen. In solchen Momenten da fragt man sich dann schon warum wir uns das ganz freiwillig angetan haben, man könnte ja daheim auch gerade im Kino sitzen, oder in der Therme herumplanschen, oder auch nur einen Nachmittagsschlaf mit ein wenig leiser klassischer Musik im Hintergrund halten.

Wir wissen, dass das Schiff das aushält, wissen auch, dass wir das aushalten und wissen dummerweise auch, dass das einzige, was hilft, ist durchhalten, daliegen, festklammern, nichts essen, und genau so viel trinken dass wir ein Optimum zwischen verhinderter Dehydration und möglichst seltenem WC-Besuch erreichen. Irgendwann wird es wieder Tag, und da schaut es dann immer fröhlicher aus, wenn die Sonne durch die Wolken lacht und das Meer sich beruhigt, der Oberkellner das Frühstück ans Bett gebracht hat, die Vögel in den Masten trällern und der Computer nach einem Windows Update deutlich schneller und zuverlässiger geworden ist. – Auweh, eingeschlafen und geträumt, es wird zwar Tag aber es regnet, stürmt und gewittert.

Die Blitze an sich sind schon ein Naturschauspiel, das ich stundenlang anschauen könnte (und dummerweise auch muss), aber schöner wäre das unter dem festen Dach einer Hollywoodschaukel mit einem Bier in der Hand und einem Blitzableiter am Haus, heißa, wäre das ein Vergnügen. Aber hier tun die Blitze in den Augen weh, oft ist der halbe Himmel grellweiß erleuchtet, dann kann man super sehen, wie hoch die Wellen sind…

Wie lieben wir besonders bei schwierigen Bedingungen unser Schiff, den sicheren Platz im Mittelcockpit hinter dem festen Spritzschutz, das gutmütige und kontrollierbare Verhalten bei schwerer See, das einfache Rigg das einem nie abverlangt zu Manövern das Cockpit zu verlassen und die feste See Reling, die uns Sicherheit gibt – solange wir das Cockpit nicht verlassen, brauchen wir uns auch bei solch unangenehmen Bedingungen nicht angurten. Hin und wieder gischtet ein Brecher über das ganze Schiff und dann regnet es auch im Cockpit, aber nur sehr selten kommt wirklich ein Platscher Seewasser hinein, das natürlich genau dann, wenn wir uns gerade etwas aus der Deckung gewagt haben.

Wenn die mondlose Nacht die KALI MERA wie mit schwarzem Samt in völlige Dunkelheit einhüllt, dann beginnt die Gischt, die vom Bug hochgeschleudert wird, plötzlich wie 1000 Glühwürmchen zu leuchten, wir sausen durch ein Lichtermeer, ein Schauspiel, das die ganze Mühsal plötzlich vergessen lässt, die Welt dreht sich auf den Kopf und das Meer rund um uns wird zum Kosmos in dem Myriaden von Sterne kurz aufleuchten und wieder verglühen, wir sehen von oben  aus dem Urknall zu, nach dem Welten entstehen und vergehen (weniger pathetisch ausgedrückt: Es schaut aus als ob vor uns ein Container mit chinesischen Mikro-LED-Taschenlampen aufgeplatzt ist und wir durch die überall herumschwimmende Fracht durchsegeln).

In der zweiten Nacht lässt dann der Wind nach, der örtliche Windgott liebt anscheinend die Extreme und kurz danach ist fast Flaute, wir starten die Maschine (die Salzwasserpumpe vom Volvo, die mir bei der letzten Untersuchung in Providencia beteuert hat, dass ihr absolut nichts fehlt, tropft natürlich) und motorsegeln durch die stetig nachlassende (aber immer noch einige Meter hohe) Dünung weiter Richtung Panama. Langsam kommt Ruhe ins Schiff und in uns, Appetit regt sich, wir essen ein wenig und finden dann (abwechselnd) sogar richtigen Schlaf. Kurz vor Panama nehmen wir die Segel völlig weg, es wird noch ein gemütliches Ankommen hier in Mittelamerika.  Durch die riesigen Frachter, die vor dem Panama Kanal ankern, schlängeln wir uns durch, wir passieren den großen Wellenbrecher vor dem Kanal und biegen dann nach rechts in die Shelter Bay Marina ab. Schiff vertauen, Libertad begrüßen, Ankunftsbier trinken und schon ist alles Unangenehme vergessen und wir sind schon wieder sicher, dass uns auch „Gegenan-Segeln“ eigentlich gar nichts ausmacht.

Ein großer Abschnitt unserer Reise ist zu Ende, vom Mittelmeer über den Atlantik durch die gesamte Karibik, nun liegen wir direkt vor dem Eingang in den Pazifik. Wie oft habe ich mir beim Lesen von Reiseberichten den Panama Kanal vorgestellt, nun sind wir selbst genau hier, – wieder einmal ist ein langgehegter Traum Wirklichkeit geworden.

Isla de Providencia

Ein großes Mysterium ist endlich geklärt. Das Paradies hat eine Fläche von 25 Quadratkilometer, 5.000 ständige Einwohner, 15.000 Touristen pro Jahr. Wenn man frisch im Paradies eintrifft, dann denkt man vielleicht, es handle sich um eine ganz normale Insel, ein kleines Eiland, wie wir schon so viele gesehen haben. Aber spätestens, wenn man bei Mr. Bush, dem Einklarierungs-Agent, der hier für die Segler so eine Art Petrus darstellt, sitzt und die „Offiziellen“ mit einem Lächeln und fröhlichem Gesicht nacheinander uns die Aufwartung machen, da merkt man, dass hier etwas anders ist.  Zum Hafenmeister gehen und Formulare ausfüllen? Nein, Formulare füllt Mr. Bush aus und der Hafenmeister kommt persönlich bei uns vorbei, um uns zu begrüßen. Wir erhalten auch noch einen vollständigen Cruising Guide für Kolumbien, ein Geschenk der Regierung an die Segler, und generell ist hier alles „no problem“.  Wie die Sicherheit hier am Ankerplatz ist? No problem! Ob man Geld abheben kann? No problem! Ob es Internet gibt? No problem! Kann man gut und günstig essen? No problem! Die Frage nach den 30 Jungfrauen, die verkneife ich mir…

Der Ankerplatz ist riesig und geschützt, wir liegen auf 5m Wassertiefe über Sandgrund, unter uns liegen Seesterne und schauen uns interessiert an. Das Wasser ist wunderbar warm, eine riesige Badewanne.

Providencia ist klein, so klein dass man in 2-3 Stunden gemütlich mit dem Rad rund herum fahren kann, es gibt eine (gute) Straße, ein paar Dörfer zwischendurch, wunderbare Strände und ein riesiges Ringriff (angeblich das zweit-größte der Welt), das wunderbaren Schutz gibt. Der Tourismus ist sanft, einige junge Leute die auf Weltreise sind, ein paar Segler, es gibt hübsche Apartments und Herbergen, wunderbare einfache Restaurants direkt am Strand, einen schönen kleinen Vulkan zum Besteigen, günstige Scooter-Vermietung, freundliche Menschen, es gibt alles was man braucht aber auch nicht mehr.

Wir mieten einen Scooter, als ich den Führerschein herzeigen möchte werde ich seltsam angeschaut. Führerschein? Braucht man nicht. Vertrag? Braucht man nicht. Ausweis? Nicht nötig. Auftanken? Braucht man nicht. Ist eh genug Benzin drinnen und nachtanken ist nicht nötig. Wenn zum Zurückgeben niemand da ist dann im Supermarkt den Schlüssel abgeben. No problem! Und das um 12 Euro.

Die Dörfer und Häuser sind gepflegt, Luxus findet man hier keinen, aber es ist nicht desolat wie die Infrastruktur auf so vielen anderen Inseln in der Karibik, mich erinnert vieles spontan an das Griechenland von früher. Fischessen in der Taverne am Strand ist ein vorzügliches und sehr preiswertes Vergnügen, ein gebratener Fisch mit allen Beilagen kostet ca. 6 eur, das kolumbianische Bier dazu nochmals 1,5 eur. Die Hängematte am Strand ist kostenlos. Hier lässt es sich aushalten. Sehr lange aushalten.

Isla de Providencia ist bekannt für seine Pferderennen und die großartigen Tauchspots, beides steht bei uns am Programm. Am Samstag gibt es in der riesigen Bucht im Süden am Sandstrand einen Wettlauf zwischen dem Champion und seinem Herausforderer, in rasendem Tempo galoppieren die wunderschönen Pferde den Strand entlang, die Jockeys ohne Sattel und nur mit Badehose und Socken, das Rennen ein Volksfest. Nach dem Zieleinlauf geht es hoch her, es wurde auf Teufel komm raus gewettet und jetzt wird mit viel Emotion abgerechnet.

Jeden zweiten Tag gehen wir Tauchen, das ist hier – wie alles – leistbar, wir werden (sehr komfortabel) in der Früh von der KALI MERA abgeholt und nach den zwei Tauchgängen am Nachmittag wieder „daheim“ abgeliefert. Die Tauchguides sind kompetent und liebenswürdig. Am Vormittag gibt es einen „Wall-Dive“, es geht die Riffkante hinunter in die Tiefe, wir tauchen durch unterirdische Canyons, um uns kreisen die Haie und kommen so nahe, dass wir sie berühren könnten.  Am Nachmittag gibt es dann Spazierentauchen durch den Korallengarten auf nur fünf bis zehn Metern Wassertiefe, wir tauchen durch Fischschwärme, sehen jede Menge Langusten, Rochen, große Krebse, Muränen, bunte Rifffische und ganze Wälder aus Korallen. Es ist eine wunderbare Zauberwelt, die wir betreten dürfen, schwerelos gleiten wir durch ein stilles und intaktes Paradies.

Wir besteigen den Peak, etwas über 300 Meter Seehöhe und dennoch ein richtiger Berg mit fantastischen Rundumblick über die ganze Insel. Im Regenwald musiziert ein riesiges Orchester aus Bongos und Flöten, die musikalischsten Frösche, die wir je erleben durften, werden von den Vögeln begleitet. Blitzblaue Eidechsen huschen über den Weg und die eine oder andere der großen Landkrabben, die zu tausenden in Kürze von den Bergen zur Eiablage zum Meer krabbeln werden, können wir schon sehen.

Die Zeit vergeht im Flug, normalerweise zieht es uns spätestens nach zwei Wochen wieder weiter, nur hier wollen wir nicht weg, da ist es ja richtig gut, dass das Wetter auch nicht zur Weiterfahrt nach Panama einlädt, also heißt es weiter hier ausharren, im Paradies ?

 

 

Überfahrt Isla Providencia

Nach Panama sind es von der Bloody Bay aus knapp 600 Seemeilen, und weil das westkaribische Meer ganz schön rauh sein kann haben die praktischen Kolumbianer als Zwischenstop für die ermüdeten Segler mittenhinein eine Insel hingebaut, die Isla Providencia.  Dieses exotische Eiland, diesmal wirklich „abseits der ausgetretenen Pfade“, Piraten-Schlupfloch, immer noch vom „Morgans Head“, dem steinernen Kopf des Captain Morgan bewacht und (vielleicht deswegen) von der Touristenplage noch nicht heimgesucht, ist unser nächstes Ziel.

360 Seemeilen haben wir vor uns, wir kalkulieren vorsichtig mit einem Etmal von 120 Meilen und brechen um 1300 auf, da haben wir dann nach vorne und hinten ausreichend Puffer, ein Einlaufen bei Dunkelheit wollen wir bei den ganzen Riffs nicht riskieren (und wer sich hier auf die Seekarten verlässt der wird ganz schnell eine Markierung auf ebendieser).  Vor der Abfahrt gehe ich noch einmal schwimmen und denke dabei, dass wir in der ganzen Saison noch keine einzige „Panne“ hatten, völlig abnormal bei einem Segelboot. So was soll man nie aussprechen oder auch nur denken wenn man nicht sofort auf Holz klopfen kann, aber es ist halt passiert. Und als wir dann, umzingelt von den Nachmittagsgewittern, den Anker holen und aus der Bucht motoren, da fällt mir ein untypisches Klopfen auf. So ein Segelboot macht ja die absonderlichsten Geräusche, es knarrt, knirscht, summt, quietscht, klopft und was weiß ich noch was auch immer, aber wenn plötzlich etwas anders ist dann fällt das sofort auf, auch wenn es nur eine kleine neue Stimme im Schiffsorchester ist. Und es ist keine hübsche Stimme, das Getriebe klopft im Leerlauf, ein unangenehmes metallisches Knirsch-Klopfen, eine Kakophonie im sonst so vertrauten Wohlklang. Ich klettere in dem Motorraum, baue den Wellengenerator ab um herauszufinden woher das Geräusch kommt, und es klopft eindeutig beim Wendegetriebe. Unter Last scheint es weniger Lärm zu machen, aber dennoch bleibt der Motor sicherheitshalber aus und das Getriebe im Retourgang fixiert. Was sich nicht bewegen kann das klopft auch nicht. Wir sind ein Segelboot und werden auch ohne Maschine nach Panama kommen, dummerweise funktioniert halt bei festgeklemmter Welle auch der Wellengenerator nicht mehr und wir müssen das erste Mal beim Segeln auf unseren Energieverbrauch achten.  Noch sind sind wir im Lee von Jamaica, und nachdem das erste Gewitter über uns hinweggebraust ist dümpeln wir in der Flaute und die Strömung setzt uns langsam nach Norden, obwohl wir in den Süden wollen. Aber als zwischenzeitlich reines Segelboot müssen wir damit zurechtkommen und irgendwie schaffen wir es aus der Windabdeckung hinaus in den Passat. Äolus ist uns wohlgesonnen, voll besegelt ziehen wir schnell auf halben Wind nach Süden, der Seegang ist mäßig und das Schiff hat viel Bewegung. Uns ist beiden schlecht, wir haben Kopfschmerzen und drei Tage lang schaffen wir es fast nicht das Cockpit zu verlassen. Im Schiff drinnen ist es heiß und es schaukelt erbärmlich und das tut uns gar nicht gut. Am ersten Tag essen wir noch vorgekochtes, dann ist es aus mit dem Völlern, ich verweigere die Nahrungsaufnahme und beginne spontan eine lange geplante Fastenkur, Tadeja nascht noch etwas von unseren Vorräten, hält sich aber auch sehr zurück. Es werden keine angenehmen 68 Stunden, erst am vierten Morgen da wird es besser. Haben wir uns irgendeinen Virus eingefangen oder ist es Seekrankheit? Noch nie waren wir so außer Gefecht an Board. Anfangs angeln wir noch, zuerst reißt uns ein riesiger silberner Fisch den Köder ab, dann bleibt eine wunderschöne intensiv leuchtende Dorade dran, kurz darauf beißen noch zwei gleichzeitig und dann lassen wir das Fischen auch schon wieder sein – das Gefrierfach ist voll und essen können wir derzeit eh nichts, wir liegen nun wieder im Cockpit…

Vom Wetter her haben wir Glück, konstanter Ostwind lässt uns weitgehend ohne Segelmanöver vorankommen, manchmal etwas reffen wenn der Wind zulegt oder ein Squall in der Nähe vorbeizieht, aber die Gewittertürme sorgen zwar für Unterhaltung, weichen uns aber immer gerade rechtzeitig aus. Wäre uns nicht so übel es wäre wunderbares Segeln.

Die See ist hier tückisch, viele Riffs und Sandbänke haben das Meer zu einem riesigen Schiffsfriedhof gemacht, um sicher durchzukommen halten wir uns genau an die Wegpunkte aus Jimmy Cornells „Segelrouten der Welt“. Auf der Höhe von Honduras schalten wir unseren AIS Sender aus und fahren ohne Positionslichter, mehrere Piratenüberfälle auf Yachten hat es heuer hier schon gegeben, und die kritischen Stellen passieren wir „unsichtbar“ in der Nacht. Wir sehen keine Yacht und auch keine Fischer, nur große Frachter die ebenso wie wir die Route zwischen den Bänken nehmen. Radar-Alarme, die wir haben, entpuppen sich fast alle als Squalls, starke lokale Regengüsse die ein gutes Radarecho abgeben, Piraten bewirtschaften dieses Gebiet gerade nicht.  Weiter im Süden, vor Nicaragua, da schalten wir den AIS Sender wieder ein und sind ordentlich befeuert, damit uns die Frachter als Segelboot erkennen und uns ausweichen.

Am vierten Tag sind wir schon fast wieder genesen und pünktlich zur Mittagszeit fällt dann in der großen ruhigen Bucht von Providencia der Anker, wir klarieren in Kolumbien ein, freuen uns über die schönen ersten Eindrücke und die günstigen Preise im Supermarkt, die Testbiere werden gekauft (eines von jeder Sorte einheimischer Biere damit man weiss was man später dann bunkern muss, nie wieder wird uns das schreckliche Missgeschick passieren wie auf Martinique, als ich das billigste im Angebot gleich in einer großen Palette gekauft habe und es dann nicht trinken konnte weil es so grausam schmeckte, Tantulasqualen erleidet man da wenn man einen riesigen Bierdurst hat, die Vorräte voll sind aber immer wenn man hingreift der Durst sofort wieder verschwindet), danach das erste Doradenfilet verspeist, als Draufgabe schauen wir uns einen Film an und fallen in die Koje in tiefen Schlaf…

Heute vormittag habe ich dann symbolisch den Blaumann angezogen, die große Werkzeugkiste gepackt und bin in den Motorraum umgesiedelt. Da haben sich doch glatt bei der Kupplung zwischen Getriebe und Welle alle vier Schrauben gelockert (bei der Vetus Flexible coupling hatte ich letztes Jahr in Martinique die Gummis tauschen lassen), etwas Spiel und Krachen war die Folge. Alles festgezogen, Krachen weg, ob alles wieder einwandfrei funktioniert werden wir erst beim Weitersegeln sehen, vorerst schaut es einmal gut aus…