Trinidad

[Diesen letzten Beitrag vor der Sommerpause schreiben nun Tadeja und ich gemeinsam, Tadeja in kursiv und ich ganz normal]

Die KALI MERA steht an Land, hurrican-sicher aufgebockt, und wir verbringen die letzten Tage wieder hoch oben, im Baumhaus, so wie am Beginn unserer Reise in der Türkei. Es ist sehr heiß, nur die Morgenstunden und die Zeit am Abend ist zum Arbeiten geeignet, um die Mittagszeit darf man sich nicht bewegen, sonst löst man sich ganz einfach auf, wie ein Stück Zucker im Kaffee. Was in den ganzen Monaten in den Tropen nicht passiert ist, nämlich Ventilatoren im Salon und in der Kabine zu montieren, ist hier – aus reinem Selbsterhaltungstrieb – sofort erledigt.  Die Nächte sind dagegen angenehm, eine leichte kühle Brise sorgt für erholsamen Schlaf. Selbst wenn die Sonne untertags zu ihrer Höchstform aufläuft, in der Nacht ist es hier angenehmer als im Mittelmeer, wenn die griechische Sommerhitze die mediterrane Welt in einen Backofen verwandelt.

Nachdem wir früher als geplant in Trinidad angekommen sind haben wir ausreichend Zeit, alle Arbeiten mit Muße und ordentlich zu machen. Wir arbeiten unsere To-Do-Listen ab, alles, was nicht in Top-Form ist, wird dazu gebracht, wir servicieren sämtliche Motoren und sommern sie ein, die Edelstahl-Kette wird poliert und einige Glieder werden neu verschweißt, wir bestellen eine neue Genua (die alte habe ich nun schon so oft geflickt dass sie wie ein Fleckerlteppich aussieht, und der Sturm auf der Überfahrt nach Trinidad hat ihr den Rest gegeben) und die Installation des Wassermachers wird geplant. Das Unterwasserschiff wird für den neuen Anstrich im Herbst vorbereitet, das Radar demontiert und an Raymarine geschickt und eine Sonnenschutzfolie über das Cockpit gespannt.

Unser Schiff ist poliert, innen und außen geputzt, von allen offenen Essensvorräten befreit, die gesamte Wäsche in luftdicht schwarze Säcke verpackt, die Kakerlakenfallen aufgestellt und die Stützen mit Fett gegen Ameisen-Emporkömmlinge eingeschmiert. Die KALI MERA soll uns ja im Herbst bereits in Bestform erwarten – und wie ein gestriegeltes und gesatteltes Pferd bereit zum Aufbrechen sein.

Die Abende verbringen wir mit Conny und Harald sowie anderen Seglern, auch hier ist man schnell Teil der Seglergemeinde und es ist immer etwas los.

Einige Tage vor dem Rückflug nach Europa haben wir alles am Schiff erledigt, und es ist weiterhin heiß – umso mehr lockt der Regenwald. Die letzten beiden Tage wollen wir in der entspannten Atmosphäre einer Lodge am Rande des Regenwaldes verbringen und die Insel erkunden.

Wir heuern Ian, einen Taxi-driver an, der uns zusammen mit zwei anderen Segler-Pärchen auf eine Inseltour mitnimmt. Unser erstes Ziel ist das Asa Wright Nature Centre (auf dem Weg dorthin haben wir unser Gepäck bereits bei unserer Lodge geparkt) – der Naturpark mitten im Regenwald erweist sich als ein wahres Paradies! Die uralten Bäume mit ihren teilweise viele Meter dicken Baumstämmen nehmen uns unter ihr schattiges Blätterdach auf, und wir sind in einer anderen Welt. Manche Bäume, die mächtigsten, beherbergen unzählige andere Pflanzen, die sich an ihrer Rinde emporranken oder von den hochbetagten Ästen herunterhängen und sie mit fremden Blüten schmücken – wie Phantasiewesen aus dem Land der Avatare. Legt man das Ohr an ihren Stamm, glaubt man geflüsterte Geschichten aus einer längst vergangenen Zeit zu hören, berührt man Geheimnisse, die einem nur verraten werden, wenn man ganz still wird und den Atem der Riesen ganz in sich aufzunehmen vermag. Die tropisch feuchte Luft schmiegt sich weich um die Haut und paradoxerweise lebt die Erinnerung an das Palmenhaus von Wien in mir auf, dieses erste Eintauchen in eine Urwaldatmosphäre, deren Geruch und Klang mich seither mit Sehnsucht erfüllt. Der Regenwald – ja, der ist viel größer als das Palmenhaus! Wir machen uns mit einem professionellen Führer, dem das Wohlergehen dieser unter Naturschutz stehenden kleinen Welt und die Erhaltung der ursprünglichen Harmonie zwischen Tier und Pflanze merklich auf dem Herzen liegen, auf die Pirsch.  Die durchdringenden Rufe der uns so fremden und so wundersamen Vögel sind unsere Richtungsweiser, und während wir warten, dass sie ihre Lieblingsplätze aufsuchen und sich uns zeigen, werden uns ihre ungewöhnlichen Balzrituale (hüpfend und rückwärtsflatternd, gewiss ihren Achselduft verbreitend) erklärt. Gemeinerweise sind die männlichen Exemplare meist viel bunter und attraktiver, als die oft unscheinbaren Weibchen. Sie haben es wohl nicht nötig – denn sie sind es, die aus dem Angebot erwählen!

Wir erfahren, dass Blattschneiderameisen nur solange leben wie ihre Königin – und das kann mehr als fünfzig Jahre dauern – danach stirbt der gesamte Stamm, auch wenn er sich einen unterirdischen Bau auf der Fläche eines Hektars gebaut hat.

Zwischen den knorrigen Wurzeln, die sich manchmal wie kunstvoll geflochtene Zöpfe ineinander winden, gehen Agutis ohne Scheu spazieren, kleine bibergroße Nagetiere mit einem dicken Hinterteil, das sie so reizend hin-und-her-bewegen, dass man sie sofort liebgewinnt und mitnehmen möchte (Herbert dagegen denkt sofort an einen Grill…). Aber das bekümmert sie nicht, sie ziehen auf der Suche nach schmackhaften Früchten unbeirrt ihre Wege durchs Unterholz.

Von der Veranda des Haupthauses der ehemaligen Kakaoplantage aus kann man Vögel beobachten, für die man Gittertischchen mit frischem Obst errichtet hat. In ihrem knallbunten Gefieder – blau, orange, giftgrün, rot, violett, sattgelb, man kann es kaum glauben, dass das alles echt sein soll – umflattern sie die Futterplätze und picken am Fruchtfleisch. Und – es gibt Kolibris in Hülle und Fülle, auch die in allen möglichen Farben – für sie wurden eigene Nektarspender aufgestellt und man kann sie aus nächster Nähe beobachten, so lange man will. Ich würde am liebsten gar nicht mehr weg! Gott sei Dank hat sie Herbert mit der Kamera festgehalten!

Abends geht es dann mit dem Boot in die Sümpfe, die berühmten purpur-roten Ibisse auf Ihren Nistplätzen wollen von uns fotografiert werden. Auf dem Weg dorthin geht es durch enge Kanäle, vorbei an großen Schlangen, die es sich in den Bäumen gemütlich gemacht haben, über stille Seen und an verwachsenen Tümpeln vorbei. Als dann bei Sonnenuntergang die leuchtend roten Vögel in großen Scharen aus allen Himmelsrichtungen zu Ihren Schlafplätzen in den Bäumen fliegen, da leuchten nicht nur die Federviecher sondern auch unsere Augen. Noch nie haben wir eine solche Vögel-Farb-Intensität erlebt. Großartig! Unangenehmerweise fliegen etwas später auch andere geflügelte Scharen, nämlich Moskitos, auf ihre Futterplätze zu (nämlich uns), und wir müssen zurück, in der Dämmerung geht es mit High-Speed durch die Wasserkanäle retour zum Auto.  Zwei weitere Tage verbringen wir dann in unserer Lodge zum Entspannen vor dem langen Rückflug – auch dort kann man sich an den vielen bunten fliegenden Farbklecksen gar nicht sattsehen.

Der Abschied von unserem Schiff fällt uns schwer, über ein Jahr war die KALI MERA unser Zuhause, und das leichte Schaukeln in den Wellen, der Blick in der Früh über das Meer, das Morgenbad in den salzigen Fluten und die Geborgenheit in unserer “Schiffswelt” kann uns nur als Erinnerung begleiten. Es war eine fantastische Zeit, eine Zeit in der Träume Wirklichkeit geworden sind, in der wir uns und auch unsere Sicht auf die Welt verändert haben, eine Reise zu ganz neuen Ufern.

Jetzt beginnt ein neuer Abschnitt, es geht zurück in die Heimat. Unser Flug führt uns von Trinidad nach Tobago, weiter nach Barbados, dann über Frankfurt nach München. Alle Flüge sind pünktlich, nur bei der Deutschen Bahn haut das nicht hin, die Schnellbahn vom Flughafen München zum Hauptbahnhof ist verspätet und die restlichen Züge verpassen wir, dafür bekommen wir in München am Bahnsteig als Ersatz einen Schnupfen, den wir sogar nach Hause mitnehmen dürfen. Wir fahren zuerst nach Tamsweg, dann mit Momo weiter nach Wien, wählen unseren neuen Präsidenten und letztendlich geht es in unser Sommerlager nach Ungarn. In den nächsten fünf Monate wird nun (meer-) blau von (gras-) grün verdrängt und wir schwingen statt der Angel die Gartenschaufel. Aber tief in uns drinnen ist weiterhin die Sehnsucht nach dem Meer, und auch wenn sie nun von all den schönen Land-Eindrücken übertönt wird, ich denke dass es nicht sehr lange dauern wird bis wir wieder so “ein Ziehen nach Westen” in uns bemerken werden…

Wir wünschen Euch allen einen schönen Sommer, Tadeja und Herbert