Atlantik

Die Atlantikquerung – die größte Herausforderung unserer bisherigen Reise!

18 Tage Fahrt stehen uns bevor, auf der uns nichts als das Meer, der Wind und die Wellen begleiten werden. 18 Tage kein Land und keine Menschen.

Der Wetterbericht sagt eine Flaute von einigen Tagen voraus, ein Sturmtief aus dem Norden soll sogar Gegenwind bringen, was dazu führt, dass die Allgemeinheit der Fahrtensegler in einer Art Massenhysterie auf Warten plädiert und Stimmung gegen das Losfahren gemacht wird. Wir lassen uns davon nicht anstecken und beschließen, die große Flaute in einem Bogen nach Süden zu umfahren und eventuell einige Tage länger unterwegs zu sein – und wir haben es nicht bereut.

Auch die ZIG ZAG will aufbrechen, also machen wir die letzten Vorbereitungen gemeinsam.

Noch einmal Großeinkauf, Irene und ich füllen die Einkaufstaschen mit frischem Obst und Gemüse, Joghurt und Käse, Herbert und Georg müssen tragen. Leider sind in ganz Mindelo die Zwiebeln ausgegangen – erst in letzter Minute kann Herbert welche auftreiben. Ich koche noch für drei Tage vor … eigentlich wollten wir am Nachmittag ablegen, aber Georg muss noch schnell mal zum Zahnarzt, und uns passiert beim Hochziehen des Ballooners ein Missgeschick, das repariert werden muss. Außerdem ist unsere Gasflasche gerade leer geworden und wird auch noch schnell neu befüllt. Das war zu viel an einem Tag und wir beschließen, die Abreise auf morgen Früh zu vertagen. Abends wird mit Harald und Conny von der FLORIMELL, Irene und Georg, Klein-Mia und Noah noch mal so richtig Abschied gefeiert.

Dann ist es soweit. Kurz nach neun Uhr morgens lichten wir gemeinsam mit der ZIG ZAG den Anker, treffen uns nochmals Heck an Heck zur Übergabe des Wetter-Berichtes – wir liefern für jeden ein Schokobonbon mit und bekommen ein Glücksbild von Mia mit auf die Reise. Meine neue kleine Freundin wird mir fehlen!

Wir drehen noch eine letzte Hafenrunde, beide Vorsegel sind gesetzt, der Wind bläht sie auf und unsere KALI MERA präsentiert sich in ihrem schönsten Gewand, die FLORIMELL trompetet und winkt. Mit der ZIG ZAG voraus verlassen wir die sichere Bucht von Mindelo und segeln aufs weite Meer hinaus. Unsere großen Segel machen uns schnell, und schon bald winken wir der ZIG ZAG ein letztes Mal zu, denn bald werden wir uns aus den Augen verlieren – der Atlantik ist zu groß!

Wir wollen unsere Angeln und vor allem Herberts selbst gebastelte Köder ausprobieren – und prompt beißen bald darauf auf beiden Angeln fast gleichzeitig zwei große Doraden an. Während wir die eine an Bord holen, befreit sich die andere durch spektakuläre Sprünge von der Angel. Wir sind nicht allzu traurig, die eine ist für uns mehr als genug. Ich filetiere sie, schneide zwischen den Knochen das zurückgebliebene Fleisch in Streifen heraus und verarbeite es zu Ceviche. Eine Gaumenfreude!

Gestern noch war die Nacht hell, auch wenn kein Mond schien. Heute ist sie dunkel, schwarz. Wo der Himmel ins Meer übergeht, ist nicht zu erkennen. Die paar Sternchen am wolkenbehangenen Himmel und ein paar glitzernde Punkte im Meer reichen nicht aus, das Schwarz der Neumondnacht zu erhellen.

Tagsüber sind wir die meiste Zeit zwischen zweieinhalb und vier Knoten herumgetümpelt, doch jetzt um Mitternacht kommt wieder etwas Wind auf und Herbert hat die Vorsegel gesetzt – und schon geht es mit sieben bis acht Knoten weiter in Richtung Karibik.

Nach den Vorbereitungen und der nervösen Anspannung der letzten zwei Tage vor der Abreise hat sich etwas in mir zu Ruhe gesetzt. Das Ziel ist noch in so weiter Ferne, viel zu weit, um schon auf die Ankunft zu warten. Der Blick, der in keine Richtung mehr auf ein Hindernis stößt, macht die Seele ruhig und erlaubt, dass Dinge an die Oberfläche geschwemmt werden, die von der Geschäftigkeit verdrängt keine Chance haben, wahrgenommen zu werden. Ein eigenartiges Gefühl von Freiheit und Frieden. Eine Begegnung mit der Weite des Meeres.

Der einzige Kontakt mit der Außenwelt sind emails über unser Amateur-Funkgerät. Jeden Morgen schickt Herbert den Positionsbericht aus und holt uns den aktuellen Wetterbericht als Grib-File, der auch an die ZIG ZAG weitergeleitet wird. Etwas später trudeln auch Georgs Positionsberichte und eventuelle Mails ein.

Sonst sind wir allein. Am Radar-Bildschirm sichten wir zwei japanische Fischerboote und warten dann, dass deren Beleuchtung auch am nächtlichen Horizont erscheint – tagsüber mussten wir den Bojen ausweichen. Die hier ausgelegten Netze müssen riesig sein – ich muss an Delphine denken, die sich darin verfangen und ersticken müssen.

Am Abend des dritten Tages tritt die angekündigte Flaute ein – das monotone Brummen des Motors wird uns nun für zwei Tage begleiten.

Der Morgen ist hell, das Meer fast glatt, nur eine langgezogene, kaum spürbare Dünung ist zu spüren – und so bleibt es den ganzen Tag – ein Gefühl der Freude beginnt sich in mir auszubreiten – wir sind unterwegs!

Herbert wirft wieder die Angel aus, und sie ist noch nicht mal ganz draußen, da beißt schon der erste Fisch an – er wird mit Ouzo betäubt, mit einem Stich in den Kopf getötet, ausgenommen und in die Tiefkühltruhe verfrachtet. Bald darauf hängt der zweite Fisch an der Angel, dann ein dritter. Wenn das so weitergeht, werden wir bestimmt nicht Hunger leiden! Es gibt wieder köstlichen frischen Fisch mit Maniokgemüse – die Spaghetti a la Italia werden auf ein andermal verschoben.

Ein malerischer Sonnenuntergang – eine Sonne, rot wie eine Blutorange, versinkt zwischen den Wolken im Meer. Schnell ist es ganz dunkel, und die erste Mondsichel wird sichtbar – nicht wie bei uns von der Seite, nein, wie eine silberne Obstschale steht sie am Himmel, als würde sie auf einen Sternenregen warten, um sie zu füllen.

Morgens weckt mich wieder die Sonne. Das Meer ist nach wie vor ruhig und glatt. Der Motor läuft. Zur regelmäßigen Ölkontrolle muss er ausgeschaltet werden. In diesem Moment geschieht etwas Unglaubliches, etwas völlig Unerwartetes. Mit einem Mal breitet sich eine magische Stille aus. Kein Windhauch ist zu hören, kein Rauschen des Meeres, kein Vogelschrei, kein einziges Geräusch. Die KALI MERA wird von der mehrere Meter hohen Dünung sanft und langsam emporgehoben, um sich auf der anderen Seite wieder ins Tal zu senken. Es ist ein kaum spürbares, an vergangene Zeiten erinnerndes Wiegen. Ich stehe vorne am Bug, höre der Stimme der Stille zu und lasse mich von ihr durchdringen. Ich wage kaum zu atmen, um diese Stille nicht zu stören, um dieses Gefühl, dass sich in mir ausbreitet, nicht zu verscheuchen. Es ist, als wäre eine Saite in mir in Schwingung gebracht worden, ein lautloser Klang, eine Musik der Stille. Jedes Wort ist zu laut. Ein unvergessliches Erlebnis. Werde ich das je wieder hören?

Klein und eins geworden mit etwas unermesslich Großem fühlen wir uns – so paradox es auch klingen mag – geborgen und getragen. Unser Schiff bewegt sich fast unmerklich weiter, scheinbar immer im Mittelpunkt einer runden Meeresscheibe, Endlichkeit und Unendlichkeit zugleich. Wer will da behaupten, die Welt sei rund und nicht eine Scheibe?!

Bis zum Abend schalten wir den Motor nicht mehr ein, überlassen uns den sanft schaukelnden Wellen und der Strömung, die uns mit etwa einem Knoten weitertreibt. Wir haben es nicht eilig, und der Wind wird schon noch kommen.

Während wir das letzte Joghurt mit Müsli und Banane frühstücken, beginnt es rund um uns zu spritzen, als würde jemand mit Steinen spielen. Erst nach einiger Zeit lassen sich auch die Verursacher blicken – Thunfische, die in waghalsigen Sprüngen auf der Jagd nach fliegenden Fischen durch das Meer fegen – die weißen Spritzsprünge sind mehrere Hundert Meter rund um uns über das Meer zu sehen. Wir sind zum Fischen derzeit eindeutig zu langsam unterwegs.

Herbert hat Brot gebacken – das warme knusprige Brot mit Butter schmeckt umwerfend!

Am Nachmittag lassen wir die Badeleiter ins Wasser und gehen schwimmen. Es ist etwas unheimlich, aber das Wasser ist wunderbar warm und klar. Ich muss den Propeller prüfen – er ist deutlich zu sehen und völlig sauber. Darunter sucht ein kleiner Schwarm Fische Schutz, und kaum bin ich im Wasser, versammeln sie sich neugierig rund um mich.

Am fünften Tag wird die ZIG ZAG zum ersten Mal wieder am Radar sichtbar. Wir haben sie nach der letzten Positionsmeldung schon erwartet.

Gegen Abend schaffen wir nach mehreren Versuchen den ersten noch nicht ganz störungsfreien Funkkontakt. Dann erscheint ihr Licht am Horizont. Das Unwahrscheinliche ist eingetroffen! Wir werden uns mitten am Atlantik tatsächlich begegnen und vereinbaren für den nächsten Morgen einen „Tankstellentreff“, denn ZIG ZAGs Dieselvorräte sind etwas geschrumpft.

 

Die aufgehende Sonne und die Wolken malen ein rembrandsches Gemälde auf den Himmel. Die ZIG ZAG nähert sich zu langsam, um uns in absehbarer Zeit einzuholen. Deshalb beschließen wir beizudrehen und auf sie zu warten. Ja, und dann ist es soweit. Aufgeregt begrüßen wir uns von Bord zu Bord. Mia schaut mit skeptisch zusammengekniffenem Gesicht herüber – was wohl in ihr vorgeht… das Meer ist glatt und ruhig – warum nicht schnell mal hinüberschwimmen!? Gedacht, getan. Das Meer ist warm, und die zwei Schiffe bilden eine Begrenzung, so dass es sich gar nicht so unsicher anfühlt. Es begegnen mir weder Fisch, noch Delfin, nicht einmal ein Hai. Flugs ist auch Georg im Wasser und stattet Herbert einen Kaffeebesuch ab. Ich verstehe Mia, es ist schon ein sehr ungewöhnliches und befremdliches Gefühl, sich so mitten im Nirgendwo auf einen Tratsch zu treffen. Wir tauschen unsere Erlebnisse aus und genießen die gemeinsamen Momente, von denen wir wissen, dass sie uns bis zur Karibik nicht mehr beschert sein werden. Nachdem die ZIG ZAG Diesel getankt hat, wir Mias Fußabdruck und selbstgebackenes Rosinenbrot geschenkt bekommen, im Gegenzug von unseren reichlichen Fischvorräten abgeben, dann noch Wetterbericht und Fotos hin und her gewandert sind, heißt es ein weiteres Mal Abschied nehmen. Die Segel werden immer kleiner, der Wind und die Wellen tragen uns schnell in unterschiedliche Richtungen. Wieder umfängt mich die Glückseligkeit der Stille, bis der Wind kommt. Langsam und beständig wird er mehr, und das wird die nächsten Tage so weitergehen.

Das Anglerglück bleibt uns treu – wieder hat eine große Dorade angebissen und uns ein delikates Abendessen beschert. Aus Kopf und Knochenresten mache ich einen Fischfond, aus dem am nächsten Tag eine vortreffliche asiatische Fischsuppe gebraut wird. Sogar Herbert ist begeistert, obwohl er sich anfangs mit allen möglichen Argumenten gegen eine Fischsuppe gewehrt hatte – er sei kein Fischsuppenfreund. Wir verputzen dann im Nu den ganzen Topf.

Die Doppelsegel sind wieder draußen – eine ungemütliche Nacht lang mussten wir nur mit dem Groß den Bogen wieder nach Norden schlagen – jetzt geht es geradewegs auf Tobago zu.

Die Tage vergehen mit Musikhören, Pizzaessen, Freilichtkino unter Sternen genießen, Lesen, aufs Meer hinausschauen und fliegende Fische – unsere treuesten Begleiter – beobachten. Jeden Morgen müssen wir ein paar verirrte eingetrocknete Exemplare von Bord entfernen.

In den folgenden Tagen gewinnt der Wind kontinuierlich an Kraft und die Wellen werden zunehmend höher. Jeden Abend nach Sonnenuntergang nimmt der Wind noch einmal zu und wir müssen über Nacht die Segelfläche verkleinern. Trotzdem erreichen wir in Windböen eine Geschwindigkeit von bis zu zehn Knoten. Das Schiff saust dahin, beschleunigt die Wellen hinunter, surft zwischen ihnen hindurch und vollführt Kapriolen in alle Richtungen. Gemütlich ist das nicht. Wir gewöhnen uns zwar daran und lernen uns auf diesem ständig bewegten Untergrund halbwegs natürlich zu bewegen – zumindest fühlt es sich so an. Beim Betrachten des Anderen entbehrt es jedoch nicht einer gewisse Komik, wenn man zum Beispiel das Licht an der Decke einschalten will und einen gerade in dem Moment, als man es fast erreicht, die nächste Welle wieder schnurstracks auf den Allerwertesten befördert; oder wenn man sich wie ein Betrunkener den Gang entlanghantelt, beim Kochen vor dem Herd in weiter Grätsche mit den Gewürzen herumhantiert oder statt in einem eleganten Schwung mit einem hilflosen Plumps in der Lotsenkoje landet.

In den letzten Tagen bekommen wir unerwartet bis zu zwei Knoten Gegenströmung, was unsere Fahrt verlangsamt und noch kräftezehrender werden lässt. Wind gegen Strömung – die Wellen werden hoch und steil, die KALI MERA dreht sich immer wieder mit lautem Rauschen und Gebrause in die Wellen ein, bekommt so starke Schräglage, dass es mir ganz Angst und bange wird. Oft bauen sich die Wellen direkt neben dem Schiff unheimlich groß und hoch auf, rollen dramatisch auf uns zu als wollten sie uns unter sich begraben – aber nein, sie wollen nur mal schauen, was wir gerade so machen, schieben sich unschuldig unter dem Rumpf hindurch und heben vorne den Bug hoch zum Himmel empor, so dass es aussieht, als würden wir die Welle wie ein Schneepflug vor uns herschieben. Es ist zwar wie auf einer Hochschaubahn, doch unser Cockpit bleibt trocken und ihre Bewegungen weich.

Es bleiben nur noch wenige Tage, die es durchzustehen gilt, doch sind sie für mich die schwierigsten. Nie ruhig schlafen, der Körper in ständiger Spannung, jeder Schritt muss mit Bedacht gesetzt werden, alles, was nicht niet- und nagelfest ist, wird umhergeschoben oder sogar umgeworfen – wieder einmal die Tasse gerade noch vor dem Umkippen gerettet – doch was hilft es mir, aussteigen wäre ja doch keine gute Idee – am besten verschlafe ich den Nachmittag! Herbert weckt mich aus dem Schlaf: Delfine!!! Eine ganze Weile spielen sie in der Bugwelle und schwimmen unter dem Schiff von Backbord nach Steuerbord und wieder zurück. Was für eine Freude!

Der folgende Tag wird im Sinne einer Anti-Wellen-Therapie zum Koch- und Backtag erkoren – Herbert hat schon in der Früh frisches duftendes Brot gebacken, mmh! Kartoffelsalat mit Eiern und Kartoffelauflauf mit Spargeln stehen am weiteren Speiseplan – ja, viel mehr als Kartoffeln ist von unseren Vorräten nicht übriggeblieben. Als Draufgabe gab es noch selbsterfundenen Schokoladen-Nuss-kapverdische Aranzini-Kuchen.

Die Therapie hat geholfen, die Wellen sind wieder deutlich weniger und angenehmer geworden, das Segeln wieder ein Genuss. Auch die Strömung ist wieder mit uns und wir sausen mit sieben bis acht Knoten über das Meer, ohne es wirklich zu spüren.

Nachts haben wir sogar einen blinden Passagier an Bord – ein Vogel, der immer nur am Meer lebt und nur zum Brüten das Land aufsucht, scheint Gefallen an den technischen Errungenschaften der Menschheit gefunden zu haben. Herberts Angst, dass er alles vollgackt, erweist sich als überflüssig.

Morgen sollten wir Land sehen und den ersehnten Landfall machen können.

Nach so langer Zeit, in der der Flug von fremdartigen, unbekannten Vögeln die einzige Abwechslung für die Augen bot, können wir fast nicht glauben, dass sich bald wirklich Land am Horizont abzeichnen wird.

Der 18. Tag! Es ist aufregend, ein Kribbeln erfasst den Körper, eine freudige Erwartung, als würde man nach langer Trennung seinen Geliebten endlich wieder in die Arme schließen können. Noch ein paar Stunden. Da wir keine Flagge von Tobago haben, bastele ich schnell eine – Zeichenpapier, Wachsstifte, Lineal und Klarsichtfolie – sie kann gehisst werden, wie auch die gelbe Q-Fahne, die anzeigt, dass alle an Bord gesund sind und wir einklarieren wollen. Der Wind und die Strömung treiben uns punktgenau unserem Ziel entgegen.

Es ist diesig, die Sicht trotz Sonnenschein schlecht. Eigentlich sollte schon längst die Silhouette von Tobago am Horizont erkennbar sein. Mit Spannung starren wir auf dieses Nichts vor uns, das uns in den letzten Wochen so vertraut und selbstverständlich geworden ist.

Acht Meilen vor dem Land entfährt uns fast gleichzeitig der Ruf: Land in Siiicht!

Vögel, die unser Schiff umfliegen, ein großer Delphin vorne am Bug, riesige spitze Wellen auf der Ostseite der Insel. Ein bisschen fühlen wir uns wie Columbus, während wir uns diesem unbekannten Land nähern, das immer schärfere Konturen annimmt und immer grüner und fantastischer wird.

Es ist ca. 14:00, als wir in Tobago, Charlotteville, den Anker werfen und einklarieren.

Welcome in paradise! First time in paradise? How long will you stay? Oh, stay a month!

Ja, hier kann man es eine Zeit lang aushalten.

 

Atlantikquerung

Etwas müde, salzig und sehr glücklich sind wir gestern abend in der Karibik angekommen.  Konnten heute beim Frühstück die Teetassen auf den Tisch stellen, nichts ist umgefallen, großer Luxus!

Reisebericht folgt. 🙂

Atlantikquerung
Atlantikquerung KALI MERA

Santo Antao

Wir – die ZIG-ZAG (www.zig-zag-um-die-welt.de) und KALI-MERA Crew – fahren mit der antiken Inselfähre von Mindelo nach Porto Novo in Santo Antao, Wandertage sind angesagt. Das Schiff stammt wahrscheinlich ursprünglich noch aus der Zeit der Wikinger, wurde später als Galeere aus Altersgründen außer Dienst gestellt und dann im Rahmen eines Entwicklungshilfe-Projekts teuer auf die Kap-Verden verkauft, hier mit Hilfe von Weltraumschrott motorisiert und nun als Personenfähre in Betrieb genommen. Es ist stürmisch, eine aufmerskame Dame aus der Crew verteilt kleine rosarote Plastik-Sackerl, kurz später wissen wir wozu – mit viel Hingabe entledigen sich die Passagiere ihres Frühstücks. Wir halten uns in Luv und genießen die Überfahrt.

Wir haben diesmal nichts vorbereitet und sind einfach ins Blaue drauflos gefahren, bei Heinz von KIKAM haben wir uns für zwei Tage abgemeldet, er wirft (symbolisch gesprochen) ein Auge auf unsere Schiffe. In Porto Novo angekommen werden wir sofort von allen Seiten angesprochen – „you need Taxi Driver Mister, very good, hotel, sightseeing“, aber nix da, wir organisieren uns das selber. Freundlich aber mit Nachdruck schicken wir alle weg und suchen ein Kaffeehaus mit Internet, da wollen wir dann die Details recherchieren und buchen. Dummerweise finden wir kein Kaffehaus und WiFi erst recht nicht, aber einer der hartnäckigsten Taxi-Driver ist uns gefolgt (have Minibus, you need Taxi, you need coffee-bar) und zeigt uns wo wir uns hinsetzen können. Er setzt sich freundlicherweise gleich zu uns, auch wenn uns das gar nicht so recht ist. Mit unserem Handy und der kapverdischen SIM finden wir dann doch ein Hotel das nett klingt und gut gelegen ist, wir brauchen nun nur noch ein Taxi. Auf keinen Fall wollen Tadeja und Georg mit dem Typen fahren, der uns mit seiner hartnäckigen Hilfsbereitschaft schon auf die Nerven geht („sicher nicht mit ihm“), aber wie es das Schicksal so will sind zwischenzeitlich alle anderen Taxis weg. „Sicher nicht“ hin, „sicher nicht“ her, wir sitzen in der Falle und nehmen die schon abgebrochenen diplomatischen Beziehungen wieder auf. Vanderlei (so heißt unser zukünftiger Privatchauffeur) entpuppt sich in der Folge als liebenswerter Guide und angenehmer Fahrer, letztendlich ein richtiger Glücksgriff. Er ist Wanderführer, und wenn er da keinen Job hat dann fährt er Taxi mit dem Minibus von seinem Onkel. Die Polsterung des gepflegten Toyota ist frisch mit leuchtend-orangem Leder bezogenen (hat er selbst in der vergangenen Nacht fertiggestellt, wir sind die ersten die drauf sitzen) und so fahren wir mit dem „Knall-Orangen-Autobus“ über die alte kopfsteingepflasterte Straße, die sich von einem atemberaubenden Ausblick zum nächsten durchs Gebirge windet, zum Hotel und Vanderlei bleibt unser motorisierter Begleiter für drei Tage. Das Hotel ist hübsch, sauber und günstig, die Bewirtung überaus freundlich, alles läuft noch besser als erhofft.

Noch am selben Nachmittag machen wir die erste (von Vanderlei empfohlene) Wanderung durch eine unglaublich schöne Landschaft, faszinierend, großartig. Es ist so, als hätte man die stolzen Tiroler Berge nach Tibet geschickt, ihnen dort einen ordentlichen Terrassen-Haarschnitt verpasst und sie dann nach tausend Jahren der Medidation geläutert und gereinigt von sämtlichen Almhütten und anderen der Tourismus-Zunft gewidmeten Tempeln als Einsiedler in den Atlantik geworfen um dort in Bescheidenheit und Kontemplation zu reifen.

Am nächsten Tag holt uns Vanderlei pünktlich ab, und Tadeja und ich werden im Gebirge ausgesetzt, mit einer kleinen Hand-Skizze als Wanderkarte, Irene, Georg und die Kids Mia und Noa werden zum Strand geführt. Treffpunkt ist fünf Stunden später, Vanderlei wird uns irgendwo aufklauben. Die Wanderung, die er für uns ausgesucht hat, ist von so großer Schönheit, dass dies schwer zu beschreiben ist, uns fehlen die Superlative, jedenfalls ist es eine der beeindruckendsten Landschaften, die wir jemals gesehen haben. Tadeja bringt es auf den Punkt als sie sagt, es sei „so schön dass es schmerzt und man beim Anblick dieser überwältigenden Schönheit der Mutter Erde auf die Knie sinken möchte“. Wir denken an Tina und Markus, unsere Berg-begeisterten Wiener Freunde, die hier wahrscheinlich rund um die Uhr highspeed einen Gipfelsieg nach dem anderen davontragen würden und wohl nicht mehr aufhören könnten…

Der Abend bringt ein nettes Fischessen in einem Lokal, das extra für uns eine Stunde früher aufsperrt – die Kinder sind hungrig (und die Großen hundemüde) und dann wird neun Stunden durchgeschlafen, der Tag war anstrengender als gedacht. Am nächsten Tag werden wir dann zum Krater geführt, diesmal wird steil abwärts gewandert, von 1300 Meter Seehöhe hinunter Richtung Meer. Wir starten in einer wolkenverhangenen Almlandschaft, schrauben uns auf einem steilen Weg hinunter ins Tal, durch Kaffeeplantagen, Bananenstauden, Zuckerrohr und allerlei Blumen und Gemüse, alles ist terrassiert, wird bewässert und händisch bearbeitet.   Der Nord-Ostteil der gebirgigen, schroffen und zerklüfteten Insel wurde über Jahrhunderte fast vollständig zu einer Terrassenlandschaft umgestaltet, es muss unvorstellbar mühevoll gewesen sein dieses Wunderwerk zu schaffen und ich bewundere den Fleiß der Menschen, die ohne Maschinen und mit einfachsten Geräten (und ich tendiere dazu hier eine Schaufel schon als Maschine durchgehen zu lassen) die dem Berg abgerungenen Quadratmeter bebauen und pflegen. Die hohen Vulkan-Berge „melken die Wolken“, jeden Tag „regnet“ es hier und der Wasserreichtum taucht alles in üppiges Grün. Nach der Mondlandschaft von Sal und Sao Vincente ist Santo Antao das reinste Paradies.

Nach einem Mittagessen (natürlich Bohneneintopf, das dürfte auf den Kapverden das Standardgericht sein, zusätzlich zu den Bohnen kommt wohl ganz frisch das hinein, was gerade ohne links- und rechts zu schauen die Strasse überquert hat, diesmal sieht es nach Hühnchen aus), das wir an der Straße in einem Lokal, das hauptsächlich aus zwei ausgemusterten Bau-Containern und ein paar Plastik-Tische und -Sessel besteht, einnehmen (Vanderlei bringt uns dort hin weil es eine Espresso-Maschine gibt – Tadeja braucht nämlich einerseits regelmäßig Kaffee, kann aber andererseits den überall erhältlichen Filterkaffee nicht trinken, weil der ein barbarisches Gesöff und als Ersatzdroge untauglich sei – und eine Espresso-Maschine ist in Lokalen eine Rarität), werden wir zurück nach Porto Novo zur Fähre gefahren. Wir geben den Betrag, den wir am Anfang nach zähen Feilschen als Rabatt herausverhandelt haben, als Trinkgeld und verlassen einen hochzufriedenen Vanderlei und reisen – immer noch benommen von den Natureindrücken – nach Mindelo zurück.

Die Rückreise (immer noch stürmisch) erfolgt in einem großen und neuen Schiff (alles ist relativ, die deutschen Beschriftungen weisen auf ein Vorleben in höheren Breiten hin), Georg und ich stolzieren wichtig übers Deck und inspizieren alles im Detail, alles ist in Ordnung und sogar die Rettungsinseln sind nicht abgelaufen, es ist gar kein Abenteuer, nicht einmal Plastiksackerl werden ausgeteilt, wir landen ohne Zwischenfälle in Mindelo.

Trotz der acht Windstärken, mit denen es in der Nacht zuvor am Ankerplatz in Mindelo gekachelt hat, warten unsere Schiffe noch brav am Ankerplatz und wir starten drei Tage später nach einer finalen Obst- und Gemüse-Verproviantierungsorgie gemeinsam unsere Atlantik-Querung.

Mindelo

Nach einer schnellen Fahrt mit bis zu neun Knoten über Grund erreichen wir am frühen Nachmittag Mindelo, die „heimliche Hauptstadt“ der Kap Verden. Im großen Ankerplatz vor der Marina fällt der Anker ins türkisblaue Wasser und gräbt sich tief ein, das ist bei den in den nächsten Tagen folgenden Sturmböen auch ganz gut so.

Wieder einmal ist es die Erwartungshaltung, die mitbestimmt, wie man einen neuen Ort erlebt: Wir haben uns auf eine laute, hektische und schmutzige Stadt eingestellt und sind begeistert wie hübsch und entspannt es hier ist! Am Ankerplatz liegen wir – wenn auch manchmal von Böen mit bis zu neun Windstärken durchgeschüttelt – wunderbar ruhig und in der Stadt gibt es (fast) alles was das Herz begehrt (wenn es nicht gerade ausverkauft ist, manchmal gibt es auf ganz Sao Vincente keine Zwiebel weil das Zwiebel-Schiff nicht gekommen ist, oder es gibt keine Eier, oder…). Einige Supermärkte, mehrere große Gemüsemärkte und ein großer Fischmarkt machen das Einkaufen zum Vergnügen. Es gibt sogar frisches Joghurt! Wir leben zwischenzeitlich von Gemüse und Fisch, Fisch gibt es in allen Variationen und Qualitäten: vom Thunfisch-Steak, das auf der ZIG ZAG rosa gegrillt wird und so köstlich schmeckt, dass mir beim Schreiben schon wieder das Wasser im Munde zusammenläuft (danke Georg) über Schwertfisch-Filets, Doraden-Braten, Wolfsbarsch aus dem Rohr bis hin zur Riesenbrasse, die ich persönlich zubereite und die dann nach zwei Bissen über Board geht, und mir dennoch als Abschiedsgeschenk eine Fischvergiftung zurücklässt. Wir lernen davon, und ab sofort wird ein großer Bogen um einen Fisch gemacht, bei dem wir auch nur ein ganz klein bisschen ein schlechtes Gefühl haben.

Wir treffen viele Bekannte, Heinz mit seiner KIKAM ist hier, die ZIG-ZAGs laufen knapp nach uns ein, Alice und Plume und einige andere Backpacker sind bereits angekommen. Die FLORIMELL fehlt noch, sie schafft es bei dem starken Nord-Ost nicht nach Sao Vincente und ist einige Tage abgängig, doch kaum haben wir eine Suchmeldung aufgegeben, da bekommen wir auch schon ein Lebens-Zeichen. Es gibt Partys am Marina-Steg, Stammtisch am Trans Ocean Stützpunkt, es ist eine richtige Segler-Gemeinschaft geworden. Sylvester feiern wir in einer großen Runde am Steg und genießen dann das großartige Mitternachts-Feuerwerk am Hafen. Es ist eine wunderbare Stimmung, es müssen tausende Menschen sein, die das Feuerwerk gemeinsam betrachten, eine fröhliche und ausgelassene Menge, die sich über die bunten Lichtblitze freut wie wir das noch nie erlebt haben, voller Begeisterung wird das Spektakel gefeiert. Später gibt es noch bis in die Früh Live-Konzert und ausgelassene Partystimmung. Am Neujahrstag streamen wir dann das österreichische Neujahrskonzert von Ö1 und beschallen das Ankerfeld, aber außer uns ist wohl noch niemand auf…

Der Sonntag beschert uns dann das nächste Mindelo-Groß-Ereignis: Ein Umzug (zum Schulstart, Universitäts-Start, Karneval, Neujahr…, so genau haben wir das nicht herausgefunden). Jetzt wissen wir wofür die Trommel-Partien die letzten Tage so intensiv geübt haben, immer wieder haben wir das Wummern in der Stadt gehört – zu den archaischen Trommelklängen tanzen nun dunkle maskierte Gestalten, und eine Riesenmenge von nicht ganz so dunklen und nicht maskierten Menschen tanzt mit, Tadeja mittendrin! Der Umzug schlängelt sich den ganzen Nachmittag durch die engen Gassen und zieht über die Plätze von Mindelo, es ist ein ausgelassenes und friedliches Fest ohne Alkohol und mit nur wenigen Taschendieben.

Wir haben zwischenzeitlich unsere Reiseplanung überarbeitet und wollen nun gemeinsam mit ZIG ZAG direkt in die Karibik segeln, wir freuen uns auf ankern, schnorcheln und baden. Brasilien muss noch etwas warten, das ist aber nur aufgeschoben und nicht aufgehoben. Wieder einmal wird verproviantiert, Wasser und Diesel gebunkert und die KALI MERA für die Abreise fertig gemacht. Aber vor der Abreise planen wir noch für einige Tage einen Abstecher mit der Fähre auf die „Wander-Insel“ Santo Antao, die alle, die schon dort waren, begeistert hat (Anmerkung der Redaktion: schon erledigt, war unvorstellbar schön, Bericht folgt gesondert).