Weihnachten in Sao Nicolau

Am Abend lichten wir den Anker in Palmeira und segeln Richtung Westen, direkt in die untergehende Sonne. Der starke Wind, der den ganzen Tag durch das Ankerfeld gepfiffen hat, hat abgeflaut, immer noch gibt es hohe Dünung von der Seite und die verbleibenden 15 Knoten Wind reichen nicht aus die Genua bei dem Geschaukel vorm Einklappen zu bewahren. Wir setzen also nur Groß und Besan, beide gesichert mit Bullenstander, und tingeln mit vier bis fünf Knoten Fahrt völlig ruhig trotz fast vier Meter Welle dahin. Der Radar-Alarm wird aktiviert, der Kurs gesetzt und dann fährt die KALI MERA selbstständig nach Sao Nicolau, ca. 80 Seemeilen entfernt. Tadeja geht früh schlafen und ich döse noch im Cockpit, es ist eine helle Nacht, ein Tag vor Vollmond. Bald schlafe auch ich und als die KALI MERA mich weckt weil sie einen Fischer in fünf Meilen mit dem Radar entdeckt, bleibe ich einige Zeit wach, bis der Fischer verschwunden ist, und verkrieche mich dann wieder in die Lotsenkoje. Völlig überraschend werden wir kein bisschen seekrank, ich habe diesmal kurz vor der Abreise zu den köstlichen gegrillten Doraden (Tadeja ist zwischenzeitlich eine Zauberin beim Zubereiten von Fischen, immer wieder gibt es neue Kreationen, eine besser wie die andere) gegen meine Gewohnheit noch ein Bier getrunken, normalerweise sind wir auf See strikt abstinent, und Alkohol soll ja zusätzlich noch Seekrankheit fördern, aber das dürfte wohl für uns Österreicher nicht zutreffen. Ja, vielleicht ist Bier sogar das nun endlich entdeckte biologische und gesunde Mittel gegen Seekrankheit, der venezianische Theriak der Seefahrer, ich nehme mir vor das weiter zu untersuchen und hier eingehende Praxis-Tests zu machen. Und wenn ich darüber nachdenke, dann habe ich meinen großen Bruder Gerald noch nie seekrank gesehen, aber Bier trinken schon oft, da dürfte wohl was dran sein, allerdings könnte es auch entfernt damit zusammenhängen dass er erst selten gesegelt ist…

Nach Sonnenaufgang frischt der Wind auf, es werden dreißig Knoten, in Inselnähe dann böig und tw. etwas mehr, und in Sausefahrt rauschen wir nach Gran Tarafal, bei schweren Fallböen fällt der Anker auf zehn Meter Tiefe in den schwarzen Sand. Neben uns liegt die deutsche ZIG ZAG, Georg und Irene sind einen Tag vor uns von Sal abgereist und haben das AIS eingeschaltet lassen damit wir sie besser finden. Wir werden am Heiligen Abend auf ihr Schiff zum Essen eingeladen, es gibt gebratenes Huhn in Kokos-Sauce, Rindfleisch mit Knödel und Rotkraut und Tadejas Zucchini-Kuchen, deutschen Sekt und spanischen Wein. Es ist Weihnachten einmal ganz anders, bei 28 Grad Luft- und 25 Grad Wassertemperatur, schaukelnd und ohne Christkindlmarkt, Adventbeleuchtung, Einkaufsstraßen, Sonderangeboten, Geschenkswahnsinn, ständiger Stille-Nacht-Berieselung. Georg und Irene segeln mit ganz kleinen Kindern, zwei Jahre und vier Monate, die ZIG ZAG ist ein schwimmendes Kinderzimmer. Sie wollen um die Welt segeln, wenn sie zurückkommen wird ihre Tochter schon in die Schule kommen.

Wir skypen mit unseren Kindern, den Eltern und Tadejas Schwester Martina, es ist schon ein komisches Gefühl dass wir hier so weit weg von unseren Lieben sind, das erste Mal seit ich lebe feiere ich Weihnachten nicht in Tamsweg, aber das unvorstellbare passiert und es scheint auch ohne uns ein schönes Fest dort zu werden, und auch wenn mein erster Impuls ist, wenn es um das traditionelle Weihnachtsessen geht, „bitte hebt mir etwas auf“ zu rufen, geben wir uns bescheiden zufrieden mit dem was wir haben. Und außerdem ist frische Dorade nicht schlechter als alter Lachs, den man räuchern musste damit er nicht verdirbt. Hihi. Aber unsere Familie geht uns schon ab, vielleicht können wir nächstes Jahr zu Weihnachten, wenn die Temperaturen weiter so steigen, schon vom Atlantik bis zum Millstätter-See segeln, von dort werden wir dann sicher abgeholt, mit den Sommerreifen über den Katschberg…

Aber nun zurück in die Gegenwart: Gran Tarafal ist ein netter Ort mit einigen Supermärkten, wir erstehen diesmal sogar Joghurt (Hurra, Frühstück wieder nach Vorschrift), und der Ankerplatz davor ist sehr schön, ruhige See vor einem grandiosen Vulkan-Panorama. Auf der KALI MERA wird wieder repariert, allerdings diesmal keine Schiffselektronik, sondern Tadejas Handy, das tauchen lernen musste, als Tadeja die Stabilität vom Dinghi überschätzte und mitsamt Rucksack in voller Montur baden ging. Nach mehrfachem Zerlegen, Demontage aller Komponenten, Handauflegen, Bachblüten und akribischer Reinigung geht das Ding nun wieder. Ich kann jetzt blind nicht nur einen Palstek machen sondern auch das Display eines Samsung S4 ausbauen….

Der Stefanitag ist Wandertag, wir fahren mit der ZIG ZAG Crew im Aluguer (ein Sammeltaxi mit dem die cleveren Kap-Verdanier das Problem des Individualverkehrs gelöst haben, wenn wohl auch nicht aus Umweltschutzgründen, wieder etwas das man nach Wien importieren sollte, voller Freude stelle ich mir die Gesichter der ja bekannt fröhlichen Wiener vor, wie sie eingezwängt zu zehnt in einem Sammeltaxi fahren, mit lauter Musik sowie Kind und Kegel…) auf die andere Seite der Insel. Sao Nicolau hat sich so eine Art Irokesenfrisur zugelegt, die Südseite (vor der wir ankern) ist völlig kahl, nach einer Fahrt über die Berge mitten durch ein atemberaubendes Panorama ist man plötzlich im Dschungel, es ist grün und üppig bewachsen, wir machen eine Wanderung durch einen Nationalpark mit traumhafter Natur, ich habe gelesen, dass man beim Anblick der bizarren tropischen Landschaft das Gefühl hat, dass man hier King Kong begegnen könnte, und es ist wirklich so (dass es sich so anfühlt, nicht dass wir ihm begegnen).

Der Wetterbericht ist nun der Meinung, dass es in einigen Tagen sehr viel Wind hier geben wird, wir haben aber keine Lust auf eine schlaflose Nacht, so wie die ZIG ZAG diese vor zwei Tagen hier hatte, mit 40 Knoten Wind, also werden wir wieder weiterziehen, nach Mindelo, dort wo sich alle treffen, die dann die nächste Strecke über den Atlantik angehen. Wir wollen den Jahreswechsel dort verbringen und Bekannte wiedersehen.

 

 

Schwell in Palmeira

Palmeira, der angeblich sicherste Hafen der Kap-Verden, hat es uns richtig angetan. Auch wenn weit draußen die lange Ozean-Dünung bricht ist es im Hafen ruhig, wenn am Abend der Wind nachlässt liegt man wie in Abrahams Schoss, zumindest die ersten Tage. Doch heute Früh ist plötzlich alles anders. Der Wind kommt wie jeden Tag aus Nord-Ost, 4-5 Windstärken, aber die KALI MERA bewegt sich seltsam. Und als ich dann ins Cockpit klettere da sehe ich, dass sich alle Schiffe seltsam bewegen, – Schwell kommt von draußen herein und sucht sich seinen Weg in den Hafen. Ich schaue zur FLORIMELL, die weniger geschützt liegt als wir und sehe wie sie tanzt. Und hinter der FLORIMELL liegt die riesige Linzer Motorjacht MISS PEZI nicht mehr ordentlich am Anker, so wie am Abend zuvor, sondern hat sich selbstständig gemacht und ziemlich weit hinauf auf den Strand verholt. Die riesigen Wellen spielen mit dem großen Schiff, das gerade auf dem Weg von der Karibik zurück nach Europa war, wie mit einem Spielzeug. Die Wellen werden stärker und sowohl Harald als auch wir gehen Anker auf und legen uns weiter hinein in das Hafenbecken, in sicherer Entfernung zum Strand.

Während Tadeja und Conny an Deck in der Sonne liegen haben Harald und ich einen Versorgungsauftrag – wir fahren mit dem Sammeltaxi nach Espargos, den nächsten größeren Ort, einkaufen. Ich freue mich auf bunte Märkte und einheimische Spezialitäten, beim Gedanken an frisches Gemüse und reifes exotisches Obst läuft mir schon das Wasser im Mund zusammen, doch es kommt ganz anders. Es gibt zwar einige Supermärkte, aber außer Konserven, Putzmittel und Wein/Bier gibt es so gut wie nichts. Auf der Straße werden (zu horrenden Preisen) Paprika und Paradeiser verkauft, beim Gemüsestand gibt es Erdäpfel (ebenfalls unglaublich teuer) und ein paar Hochpreis-Zucchini. Nur Bananen gibt es günstig und im Überfluss, aber der Rest muss importiert werden, selbst wenn einen die enormen Preise (5 Euro für ein Kilo Paradeiser) nicht abschrecken würden, könnte man dennoch nicht viel erstehen. Statt Gemüse kaufe ich dann halt eine SIM Karte (die schmeckt zwar nicht gut, ist dafür aber wirklich günstig) und nach einer langen Konfigurations-Prozedur haben wir nun wieder ein Handy mit Internet.

Die Kap-Verden sind ein armes Land, elektrischer Strom und Fließwasser im Haus ist ein Luxus, den hier auf Palmeira nicht so viele haben, die Insel Sal ist eine grau-braune Wüste ohne „Grün“. Trotzdem ist Sal die Touristen-Hochburg der Kap-Verden, im Süden gibt es monströse Hotelanlagen mit jeglichem Luxus für die Gäste, aber außerhalb dieser Anlagen ist es die Welt Nummer Drei.

Am Abend gibt es auf der FLORIMELL Risotto, und als Jay (der Wasser, Diesel, Benzin, Gas … Organisator) mit einem Korb voll Seespinnen klopft kaufen wir ihm drei so Ungeheuer ab. Sie werden an Ort und Stelle gekocht und am nächsten Tag zu Mittag mit Erdäpfelsalat verspeist. So eine Seespinne ist für mich ein Diät-Essen, das Fleisch befindet sich hauptsächlich in den dünnen Beinchen, und nachdem die Biester eher meine Figur haben als die vom Schwarzenegger ist das nicht sehr viel.

Im Zentrum von Palmeira, in der Nähe der Hafenpromenade (die „Promenade“ ist ein paar Meter lang und auch „Zentrum“ ist ein etwas gewagter Begriff), gibt es einige Lokale in denen man nett einen Drink nehmen kann, laute afrikanische Musik hüllt einen ein, und damit die Vielfalt nicht zu kurz kommt nehmen die Einheimischen auch noch die eigene Musik mit in die Bar und so stehen auf den einzelnen Tischen kleine Ghettoblaster die für eine multikulturelle Beschallung sorgen. Ein „italienisches Restaurant“ bietet Spezialitäten von den Kapverden an und hat Wifi für die Gäste. Jeden Tag wird der Code gewechselt und man darf nur mails herunterladen, „Internet very expensive“.

Die Menschen sind sehr freundlich, mir haben es besonders die Dinghi-Wächter angetan, Burschen im Alter von acht-zehn Jahren die als Kleinstunternehmer beim An- und Ablegen der Beiboote helfen. Einer hat sich selbst zum Hafenkapitän für die Dinghis ernannt und zischt mit den Leinen hin und her, ich schau mit viel Freude über so viel jugendliches Unternehmertun zu und unterstütze gerne mit einigen Escudos. Welch ein Unterschied zum Wohlstand in Österreich, der hat auch seine Schattenseiten!

Nach einer Woche hier auf Sal wird es nun Zeit zum Weiterreisen, es geht weiter nach Westen, Inselhüpfen bis Mindelo, dort wollen wir uns vor der Atlantik-Querung verproviantieren und dann auch von dort losfahren.

Palmeira, Hauptstrasse
Palmeira, Hauptstrasse
Palmeira, Tourist wartet auf den Bus
Palmeira, Tourist wartet auf den Bus
Espargos, Bananenverkauf
Espargos, Bananenverkauf
Palmeira, Florimell im Schwell
Palmeira, Florimell im Schwell
Palmeira, Miss Pezi im Schwell
Palmeira, Miss Pezi im Schwell
Palmeira, Schiff in den Wellen
Palmeira, Schiff in den Wellen
Palmeira, Miss Pezi am Strand
Palmeira, Miss Pezi am Strand

Fahrt zu den Kapverden

Wir brechen am späteren Nachmittag in St. Cruz auf, nachdem wir vorher noch ausklariert, Obst und Gemüse eingekauft, das Schiff für die erste große Überfahrt vorbereitet und sämtliche Verabschiedungen erledigt haben. Bill und Judy kommen zum Steg und winken zum Abschied, der nächste Treff wird wohl in der Karibik sein, die beiden werden Anfang Jänner mit Jimmy Cornell nach St. Lucia aufbrechen.

Das riesige Hafenbecken ist völlig ruhig, aber kaum haben wir die Einfahrt passiert gibt es hohe Wellen, die KALI MERA schaukelt fürchterlich und stampft von einer Welle in die nächste. Es ist starker konstanter Wind angesagt, aber zwischen Teneriffa und Gran Canaria bläst es schwach und kommt – so scheint es – aus allen Richtungen gleichzeitig. Es gibt eine unangenehme Kreuzsee und wir kämpfen uns das erste Stück unter Motor nach Süden.  Kurz nach Einbruch der Dunkelheit verlassen wir die Abdeckung der Insel, der Wind wird stark und der Seegang grob, eine schnelle Achterbahnfahrt, die mehrere Tage andauern wird, beginnt. Wir sausen mit acht Knoten Fahrt nach Süden, werden durchgeschüttelt und haben interessanterweise einige Zeit gar keinen Appetit.

In den Kojen werden die Lee-Bretter eingehängt damit man nicht aus dem Bett katapultiert wird und der Großteil des Tages wird horizontal verbracht, der Körper muss sich an das ständige Auf und Ab  und Hin und Her erst gewöhnen, der Magen möchte möglichst in Ruhe gelassen werden und überhaupt ist es gar nicht so wie man sich einen entspannenden Segeltag vorstellt. Ich kann mir die Frage – warum ich mir das eigentlich antun musste – nicht verkneifen.

Von Beginn weg herrscht eine gewisse Boardroutine, täglich werden ein Positionsreport über SSB abgesetzt, Grib Files für das Wetter heruntergeladen und über email (per Kurzwellenfunk) mit der Außenwelt Kontakt gehalten. Der kurze Aufenthalt vor dem Funkgerät führt anfangs schon zu einem Aufstand in der Magengegend, aber nach einigen Tagen wird nicht nur der Wind sondern auch die latente Übelkeit schwächer und plötzlich wacht man in der Früh auf und hat Hunger, Hurra! Am vierten Tag hat sich der Körper an die schaukelnde Umgebung gewöhnt und das Reisen wird endlich wieder zum Genuss, es gibt nun das nötige Joghurt zum Frühstück und frischgekochtes Essen zu  Mittag.  Am vierten Tag wird die Schleppangel aktiviert und am Abend beißt eine Gold-Dorade, ca 75 cm lang und einige Kilo schwer, die nächsten zwei Tage gibt es köstlichen Fisch zu Mittag.

Wind und Seegang flauen weiter ab und die Amel-Passatbesegelung wird aktiviert, mit den beiden ausgebaumten symetrischen Vorsegeln ziehen wir eine ruhige Bahn durch das tiefblaue Meer, wir segeln fast so schnell wie der achterliche Wind und es ist ein großer Genuss. Die Nächte sind magisch, durch den Neumond sieht man ein unvorstellbares Sternengefunkel mit einer Sternschnuppe nach der anderen. Wir sind völlig alleine weit draußen auf dem Ozean, die ganze Reise kommt kein anderes Schiff in Sicht, rund um uns nur Wasser (von den Kanaren zu den Kapverden geht es ca. 1.700 km nach Südwesten, beinahe eine halbe Atlantikquerung), aber es kommt nicht das Gefühl auf alleine zu sein. Unser Schiff ist ein eigener Mikrokosmos mitten in den endlosen blauen Wellen, eine autarke kleine Welt, die durch das Ozean-All fliegt (… getragen von vier Elefanten die jeweils auf einer Schildkröte sitzen…).

Nach sieben Tagen und Nächten auf See taucht in der Früh die Insel Sal am Horizont auf, eine Schule Delphine begrüßt uns und spielt eine Zeit lang mit der KALI MERA, elegant tanzen sie in der Bugwelle.  Zwei Stunden später ankern wir im gut geschützten Hafen von Palmeira zwischen knapp 30 anderen Yachten. Der erste Versuch einzuklarieren scheitert, es ist kein Verantwortlicher mehr im Büro (der freundliche junge Polizist, der eigentlich genau dort sitzt wo auch Polizei – bei der wir uns ja melden müssen – draufsteht , empfindet sich jedenfalls selbst nicht als Verantwortlicher. Die Bürozeiten fürs Einklarieren werden zwar mit 08:00 – 16:00 angegeben, aber damit nimmt man es nicht so genau. Eine gute Zeit sei von 08:00 – 11:00 werden wir aufgeklärt, und wir könnten ja in Ruhe morgen alles erledigen (intuitiv spüre ich, dass „morgen“ ein wichtiges Wort wird und lerne damit mein erstes portugiesisches Vokabel, das ich dann auch gleich schon mehrfach verwenden kann).  Ich denke dass man hier als Berater für Zeitmanagement viel lernen könnte und dann ganz innovative Reorganisationsprojekte in unseren Büros durchführen müsste. Dieses ganze „pünktlich bei Meetings erscheinen“, „etwas bis heute end of business fertig machen“, „effizient und effektiv sein“ könnte man als Palmeira-zertifizierter Zeitberater sofort abschaffen, die „Morgen-Ideologie einführen“ und dann interessiert abwarten, was sich daraus entwickelt.  Große Gelassenheit zeichnet die Menschen hier aus, viele sitzen auf der Strasse vor den kleinen schuhschachtelförmigen  Häusern und plaudern, sortieren irgendetwas, verkaufen irgendetwas oder machen irgendetwas oder auch irgendetwas nicht. Viele Hunde gibt es, richtige liebeswürdige Straßenköter die mit den Kindern spielen oder in der Sonne liegen, bellen dürfte etwas zu viel Energie benötigen also sind sie leise.  Auf der Suche nach einer Bank werden wir mit größter afrikanischer Freundlichkeit in zwei entgegengesetze Richtungen gleichzeitig geschickt, aber auch der dann plötzlich in einem „Industrie-Block“ auftauchende Bankomat hat gerade Siesta. Internet gibt es natürlich, aber das dazugehörende Lokal hat erst morgen wieder geöffnet, und ohne Lokal dann doch kein Internet.  Palmeira besteht eigentlich nur aus ein paar Straßen und ein paar Häusern, ein paar Kiosks und ein paar undefinierbaren Gebäuden. Es ist auf den ersten Blick so trostlos, dass man am liebsten sofort einen Film drehen möchte um die grandiose Stimmung einzufangen. Es gibt hier eigentlich nichts, und zwar so ein intensives Nichts dass es fast schon Ähnlichkeiten mit einem schwarzen Loch hat, ich kann mir gut vorstellen dass es sich ganz plötzlich, ohne dass man es merkt (außer es knallt dabei wegen irgendwelcher Naturgesetze), auflöst und nur die graubraune trostlose Gegend hinterlässt. Und dennoch liegen hier eine Menge Yachten auch für längere Zeit (manche anscheinend schon so lange dass man sich nicht mehr ganz sicher sein kann ob es nicht vielleicht gar nicht um ein Boot sondern um so eine eine Art Schwimmkoralle oder Riesenseegurke handelt), so als ob man wieder einmal eine Zeit lang da bleiben muss um die Atmosphäre eines Ortes richtig aufnehmen zu können und dann auch schön zu finden. Ich bleibe hier nun jedenfalls bis Tadeja in drei Tagen nachkommt und freu mich dass der Platz ruhig und geschützt ist. Der Anker ist fest eingegraben, es ist schön warm, die Proviantkisten sind voll, das Bier ist eingekühlt, der spanische Wein im „Keller“ temperiert und da kann nun kommen was will, Hurra und Willkommen Capo Verde …

Überfahrt Capo Verde, Passatsegel
Überfahrt Capo Verde, Passatsegel
Überfahrt Capo Verde, Mittagessen
Überfahrt Capo Verde, Mittagessen
Überfahrt Capo Verde, Hausmusik
Überfahrt Capo Verde, Hausmusik
Überfahrt Capo Verde, Sal Sonnenuntergang
Überfahrt Capo Verde, Sal Sonnenuntergang
Überfahrt Capo Verde, Sal
Überfahrt Capo Verde, Sal

Teneriffa (noch immer)

Vor fast drei Wochen ist Tadeja nach Slowenien heimgeflogen, es war nicht für so lange Zeit geplant aber sie kann noch immer nicht zurück aufs Schiff, also bin ich weiterhin „Strohwitwer“. Seit Mai sind wir das erste Mal getrennt und es freut und ganz und gar nicht. Auch mich verschont das Schicksal nicht, vor zwei Wochen musste ich kurzfristig nach Österreich zurück, mein geliebtes Pferd Kiralyfi, seit 13 Jahren Freund und Begleiter auf vielen Wanderungen, hatte eine Kolik, und ich wollte mein Möglichstes zur Genesung beitragen, als ich am Flughafen Wien ankam war er jedoch schon tot. Zurück am Schiff habe ich mich – um auf andere Gedanken zu kommen – dem Abarbeiten meiner ToDo Liste gewidmet und die KALI MERA in technischen und optischen Top-Zustand versetzt.

Auch sonst war einiges zu erledigen, Gelbfieber impfen, Versicherung fürs Schiff abschließen, mich um Finanzamt und den Betrieb zu kümmern. Bei so Herkulesaufgaben wie eine Impfung organisieren oder – noch schlimmer – bei der Feinkostabteilung anstehen – darf man es hier nicht eilig haben, eine den Bewohnern eingebaute Gemütlichkeit verhindert zu schnelle Bewegungen und stellt sicher, dass kein Stress aufkommt. Wenn man – so wie ich – auf Englisch angewiesen ist und nur „Danke, die Rechnung bitte und Prost“ auf Spanisch sagen kann, dann versteht man, warum der Turmbau zu Babel nicht funktioniert hat. Wahrscheinlich haben dort Spanier mit Engländern zusammengearbeitet und diese Mischung gibt eine derart interessante Missverständnis-Basis ab dass komplexe Vorhaben gar nicht funktionieren können. In den Geschäften zieht man, genauso wie in den Krankenhäusern (ja, so eines habe ich mit Grauen auf der Suche nach der Impfung besucht) Zettel mit Nummern aus einem kleinen Kästchen und dann wartet man geduldig bis seine Nummer auf einer riesigen Anzeigetafel auftaucht. Hat man bei der Feinkostabteilung am Samstag eine ehrwürdige spanische Matrone vor sich, die es sich zum Ziel gemacht hat, von fast allen der unendlichen Anzahl an verschiedenen Jamons und Salamis und Schafs- und Ziegenkäsen eine ganz kleine Portion zu bestellen, dann wird man Zeuge eines schier unglaublichen Schauspiels: jeder einzelne riesige Schinken wird von der ganzen Folie, in der er eingewickelt ist, befreit und dann werden einige Scheiben abgeschnitten, der ganze Schinken neu in frische Folie verpackt und umständlich wieder weggeräumt. Das Ganze geht mit größter Gemütlichkeit vor sich und zwischendurch wird gescherzt und geplaudert. Am liebsten hätte ich bei jedem Teil laut gerufen „nicht wegräumen, ich nehm das dann auch“, nur damit es etwas schneller geht, aber das wäre wieder nur mit Englisch und einem nachfolgenden Chaos verbunden gewesen. Also habe ich eine neue Taktik entwickelt, ich halte vor dem Einkaufen nach gefährlichen Feinkosteinkäuferinnen Ausschau, zische dann, wenn der Weg frei ist, auf dem kürzesten Weg zur Feinkostabteilung, nehme sofort eine Nummer und mach dann in aller Ruhe den Weineinkauf… . Im Krankenhaus funktioniert das mit der Nummer übrigens ähnlich, nur dass dort die Geschwindigkeit des Herrns beim Empfang genau mit der Behandlungs-Geschwindigkeit der Ärzte gekoppelt ist, immer wenn ein Arzt auftaucht und einen neuen Patienten mitnimmt, wird bei der Anmeldung eine neue Nummer aufgerufen, man wartet also nicht auf die Behandlung selbst sondern nur bei der Aufnahme. Im Krankenhaus bekomme ich auf einen riesigen Zettel in Monsterbuchstaben eine Adresse aufgeschrieben – dorthin müsste ich gehen, dort würde man mich impfen. Die ganze Kommunikation ist über das Handy gelaufen, ich tippe die Worte in Google-Translate ein und halte sie dann meinem Gesprächspartner unter die Nase, Vorlesen habe ich mangels Erfolg aufgegeben. Mit dem Zettel in der Hand (das Impfzentrum ist angeblich ca. 200 Meter in irgendeine Richtung entfernt) wandere ich dann von einer Station zur anderen und lege einige Kilometer zurück. Jeder, den ich frage, gibt mir bereitwillig und freundlich Auskunft, aber in der Zwischenzeit kann ich schon in den Gesichtern lesen ob sie mich verstanden haben, vor lauter Hilfsbereitschaft schicken sie mich nämlich auch dann noch in irgendeine (falsche) Richtung, wenn ich unmittelbar vor dem Ziel stehe. Nachdem aber alle Menschen hier so hilfsbereit und freundlich sind kann man niemanden böse sein, um mich zu beruhigen gehe ich einfach in den nächsten Feinkostladen und bestelle mir von allen Köstlichkeiten ein ganz kleines Stück…

Die nächste Station auf unserem Reiseplan sind die Kapverden, eine Inselgruppe etwa 900 Meilen (1.700km) weiter im Süden. Die Überfahrt ist für sechs bis acht Tage angesetzt, es müssen also ausreichend Lebensmittel an Board, und nachdem die Kapverden nicht gerade für gut sortierte Supermärkte bekannt sind und der Kapitän gerne fein speist wird gleich alles mitgebunkert, was wir dann auf der weiteren Überfahrt nach Brasilien oder in die Karibik (so genau wissen wir das ja noch nicht) brauchen werden. Tadeja kann erst auf den Kapverden wieder zur KALI MERA kommen, ich nehme also zwei junge französische Backpackerinnen, die auf der Suche nach einer Mitfahrgelegenheit sind, an Board um die Reise nicht alleine machen zu müssen. Zu dritt marschieren wir wie eine moderne Kamelkarawane mit den Einkaufswägen durch den Carrefour, beladen mit schieren Unmengen an Lebensmitteln, so als wäre auf den Kapverden eine Hungersnot ausgebrochen und wir seien alleine für die Hilfslieferungen verantwortlich. Eigentlich habe ich mir vorgestellt, dass der Filialleiter persönlich zur Kasse kommen wird, mich eigenhändig als Top-Kunde auszeichnet und für ein paar Pressefotos posiert, immerhin haben wir den halben Großmarkt leergekauft, aber man ist dort anscheinend an atlantik-überquerungswillige Schiffsbesatzungen gewöhnt und findet das ganz normal, immerhin wird alles gerne zum Schiff geliefert. Die KALI MERA wird nun zum Transporter umgebaut, es ist unglaublich was da alles Platz haben muss und auch hat, ein Regatta-Segler sind wir nun endgültig nicht mehr.

Heute Abend habe ich wieder Bill und Judy von BEBE getroffen, sie sind nun auch auf Teneriffa angekommen und liegen wieder zwei Boote neben uns, morgen gibt es noch ein gemeinsames Abendessen und dann werden wir uns wohl erst nächstes Jahr irgendwo in der Karibik sehen…

Teneriffa, Marina - Blick von der KALI MERA
Teneriffa, Marina – Blick von der KALI MERA